Eine Giraffe sucht Leckerchen in einem Plastikeimer

Zoos

Erlebniszoos

Glaswände statt Gitterstangen, weitläufige Gehege anstelle enger Käfige – das sind zwei Merkmale der so genannten Erlebniszoos in Hannover, Leipzig und Gelsenkirchen. Eine Trendwende, die auch die konventionell geführten Zoos erreicht hat.

Von Sandra Kampmann

Themen- und Erlebniswelten

Im Gegensatz zu den alteingesessenen Zoos und Tiergärten in Deutschland setzen die moderneren Erlebniszoos verstärkt auf aufwendig gestaltete Themen- und Erlebniswelten. Die haben so exotische Namen wie Kiwara-Savanne, Gondwanaland, Mullewapp oder Alaska.

Das traditionelle Konzept der Zoos, möglichst viele Tierarten zu präsentieren, gilt bei den Marketingstrategen moderner Zoos als überholt.

Ein Beispiel für die Neugestaltung sind die Afrika-Erlebniswelten. Hier werden die Tiere in weitläufigen Gehegen gehalten, die ihren natürlichen Lebensräumen entsprechen. Und das nicht streng nach Arten getrennt: Das Nashorn galoppiert einträchtig mit Antilope und Zebra um die Wette – fast wie in freier Wildbahn.

Der Themengedanke spiegelt sich auch in der Architektur wider. Nichts ist dem Zufall überlassen: Von der Lodge bis zur Speisekarte ist (fast) alles afrikanisch. Auf den Besucher wirkt das wie eine perfekte Illusion: Afrika im Ruhrgebiet oder in Sachsen – da muss man gar nicht mehr in ferne Kontinente reisen.

Eine Bootsfahrt auf dem künstlich angelegten Fluss dicht vorbei an prustenden Flusspferden und rosaroten Flamingos soll den Besuchern zusätzliches Safari-Feeling bieten.

Neue Perspektiven

Zum Erleben gehört auch, dass die Blicke der Besucher weder durch Zäune noch durch Gitter getrübt werden. Traurige Tiere hinter Käfigstangen sind passé, neue Blickwinkel sind gefragt. Wie beispielsweise in der Flusspferdanlage im Zoo Hannover: Um das Unterwasserballett der bis zu drei Tonnen schweren Flusspferde zu erleben, sammeln sich die Besucher in einer Höhle, wo Glasfenster den Blick auf das Treiben unter Wasser freigeben.

Was Seelöwe und Eisbär so unter Wasser alles können, kann man auch in einem Unterwassertunnel in der Erlebniswelt "Alaska" in Gelsenkirchen bewundern. Oder im "Pongoland" in Leipzig: Unsichtbare Gräben und spektakuläre Aussichtspunkte eröffnen vielfältige Perspektiven auf Affen und Co.

Zoobesucher beobachten ein Storchenpaar beim Nestbau

Begegnung zwischen Mensch und Tier im Zoo

Erlebniszoo und Artenschutz?

Manche Zoo-Gegner kritisieren, dass die Tiere in den neuen Erlebniszoos zur Nebensache werden. Der Tenor der Skeptiker: In einem Zoo nach "Disney-Art", in dem es in erster Linie um das menschliche Vergnügen gehe, könne nicht ernsthaft Artenschutz betrieben werden. Der Artenschutz gehört neben Bildung, Erholung und Forschung zu den vier klassischen Aufgaben eines Zoos.

Tatsache ist aber, dass die Erlebniszoos – genau wie die anderen Tierparks in Deutschland – Artenschutz betreiben und Erhaltungszuchtprogramme der weltweiten Zoo-Vereinigung WAZA (World Association of Zoos and Aquariums) unterstützen. Die Zuchtprogramme regeln die Fortpflanzung besonders bedrohter Tierarten.

In der "Zoom-Erlebniswelt" in Gelsenkirchen werden zum Beispiel die seltenen Roten Varis gezüchtet, eine Halbaffenart aus Madagaskar. In ihrer Heimat sind die Tiere fast ausgerottet, da ihre natürlichen Lebensräume in den tropischen Regenwäldern immer mehr abgeholzt werden. Der zoologische Leiter in Gelsenkirchen führt daher das Zuchtbuch über alle in europäischen Zoos lebenden Varis. So behält er den Überblick über die genetische Vielfalt der Tiere.

Ob Pferdeantilopen, Tiger oder Stumpfkrokodile – auch Hannover und Leipzig sind beim Artenschutz mit von der Partie. Eine besondere Attraktion ist das "Pongoland" in Leipzig – die größte Menschenaffenanlage weltweit. In Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut studieren Forscher im Leipziger Zoo das Verhalten von Schimpansen und Gorillas in der Gefangenschaft.

Abgeguckt: Vorbilder aus dem Ausland

Hannover gilt als Trendsetter der drei deutschen Erlebniszoos. 1993 stand der Zoo kurz vor dem Aus. Es gab damals nur zwei Alternativen: entweder schließen oder einen kompletten Neuanfang wagen, mit dem entsprechenden finanziellen Risiko. Hannover ging das Wagnis ein. Heute ist der Zoo eine GmbH der Region Hannover.

Der bekannte Freizeitforscher Professor Heinz Rico Scherrieb konzipierte die aufwendig gestalteten Themen- und Erlebniswelten. Anregungen holte sich der Fachmann aus aller Welt.

Dabei sind die Vorbilder nicht nur in den amerikanischen Großaquarien wie "Sea World" zu suchen, sondern auch im nahe gelegenen "Burgers' Zoo" im niederländischen Arnheim. Hier wurde die Idee, den Zoo als Freizeitunternehmen attraktiv zu gestalten, schon viel früher umgesetzt.

Der Erlebniszoo als modernes Freizeitunternehmen

Die Wirtschaftlichkeit ist das eigentliche Ziel der Erlebniszoos. Davon hängt alles ab – der Artenschutz, die Bildung und das Freizeitangebot der Zoos. Die Planung und der Bau der aufwendig gestalteten Themenwelten verschlingen enorme Summen. Diese Ausgaben müssen erst wieder erwirtschaftet werden, ebenso wie die laufenden Kosten.

Deshalb rühren die Zoomanager kräftig die Werbetrommel. Das große Medieninteresse kommt ihnen da gerade recht. Und so ist es wohl auch kein Zufall, dass die erste Zoodoku "Elefant, Tiger und Co." im Leipziger Zoo gedreht wurde.

Niedliche Tierkinder wie etwa Eisbärbabys sind aber nicht nur in den Erlebniszoos ein Renner, sondern aus Sicht der Zoos für jeden Tierpark ein Glücksfall.

Der größte Unterschied zu den traditionellen Zoos ist, dass der "Zoo der Zukunft" – wie sich die Erlebniszoos selber nennen – nicht mehr unbedingt von einem Zoologen oder Tierarzt geleitet werden müssen. Die Direktorenposten in Gelsenkirchen und Hannover haben heute Manager inne, die ursprünglich aus ganz anderen Fachrichtungen kommen.

Eine Robbe springt durch einen Reifen

Show gehört in vielen Zoos dazu

Ungewöhnliche Finanzierungsmaßnahmen

Eintrittsgelder und Spenden alleine reichen nicht aus, um die kostspieligen Zoos zu finanzieren. Deshalb setzen die Marketing-Profis auf zusätzliche Angebote und Events wie beispielsweise die Zooschule. Die ist zwar keine Erfindung der Erlebniszoos, sie haben das Konzept aber erweitert. Auf dem Programm stehen Dämmerungssafaris, Schnupperkurse als Tierpfleger und Führungen mit sogenannten Zooscouts.

Auch jenseits der konventionellen Fütterungen setzen die Erlebniszoos zunehmend auf Tiershows wie Elefantenparaden oder moderierte Fütterungen.

Das Event-Angebot ist ebenfalls umfangreich: So kann man in den neuen Erlebniszoos Feste feiern oder Geschäftstreffen abhalten. Kulinarisches kann man entweder auf der Safari Lodge oder im niedersächsischen Bauernhofambiente genießen und danach gleich zum Einkaufen im benachbarten Zoogeschäft übergehen.

Quelle: SWR | Stand: 24.11.2020, 13:00 Uhr

Darstellung: