Geöffnete Miesmuscheln

Muscheln

Miesmuscheln

Miesmuscheln gehören zu den beliebtesten Spezialitäten aus dem Meer – ob gedünstet, überbacken oder in Sahnesoße. Ein Genuss ohne Reue und schlechtes Gewissen?

Von Vladimir Rydl

Wie Miesmuscheln "gezüchtet" werden

Jedes Jahr werden in der Nordsee viele tausend Tonnen Miesmuscheln gewonnen. Hierzu fahren die Muschelfischer keineswegs frei übers Meer und fischen interessante Bereiche ab. Die Muschelbänke, die heute genutzt werden, sind weitgehend künstlich angelegt. Die natürlichen Vorkommen sind durch Überfischung selten geworden.

Allerdings lässt sich die Miesmuschel nicht im eigentlichen Sinne züchten. Im Frühjahr und Sommer gibt jede weibliche Muschel mehrmals pro Jahr Millionen Eier ins Wasser ab, während die Männchen gleichzeitig ihr Sperma freisetzen.

Solchermaßen im Freiwasser befruchtet, treiben die Eier als Plankton mit der Strömung. Auch als Larven gehören die Miesmuscheln noch zum Plankton, bis sich die Jungmuschel mitunter Hunderte von Kilometern vom Ort der Zeugung entfernt niederlässt.

Solche für die Ansiedlung von Jungmuscheln günstigen Bereiche sind bei den Muschelfischern sehr begehrt. Sie fischen dort die kleinen Muscheln ab und bringen sie als "Saatmuscheln" in geschützten Bereichen wieder aus. Dort erreichen die Muscheln innerhalb von einem oder zwei Jahren eine Länge von mehr als fünf Zentimetern.

Dieses Abfischen pflügt naturgemäß den Meeresboden vollständig um, so dass zumindest diese Fischerei auf Saatmuscheln nicht gerade umweltfreundlich ist.

Problematisch für die Muschelkultur ist, dass die Menge an verfügbaren Saatmuscheln extrem schwankt. Hierzu gibt es Forschungen, bei denen künstliche Siedlungsflächen an Seilen oder ähnlichem ausgebracht werden.

An denen siedeln sich Saatmuscheln überraschenderweise in weitgehend gleichbleibender Menge an und lassen sich so nachhaltig ernten. Diese Methoden könnten die natürlichen Muschelbänke zukünftig stark entlasten.

Großer Metallkorb gefüllt mit Miesmuscheln wird aus Meer gehoben. Wasser fließt nach unten ab.

Miesmuscheln werden mit Körben vom Meeresboden "geschält"

Vom Meer zum Kunden

Anders als Fische werden Muscheln meist lebend verkauft. Sind die Muscheln erst einmal vom Meeresboden geerntet, fährt man sie schnellstmöglich mit den Ernteschiffen in den Hafen. Die möglichen Abnehmer begutachten die Ladung, und in einer Auktion wechselt die Ladung den Besitzer.

Diese wird nun keineswegs sofort verladen. Zur Zwischenlagerung wird die Ladung nochmals über speziellen Flächen im Meer abgeladen und erst später bei Bedarf abgeholt. Moderne Fangschiffe können die Muscheln metergenau und schonend absetzen.

Auf diesen Flächen, die in Bereichen mit sehr klarem Wasser liegen, werden die Muscheln sozusagen klargespült: Sie verlieren einen Großteil des Sandes, den sie auf der Muschelbank oder beim Fang aufgenommen haben.

Erst später werden sie mit einem anderen Schiff wieder abgeholt und dann an den Kunden übergeben, der sie verpackt und in den Handel bringt.

Die Muscheln erzielen bei der Auktion höhere Preise, wenn sie viel Fleisch enthalten und möglichst wenig geputzt werden müssen. Je nach Fanggebiet müssen die Muscheln nämlich erst noch aufwendig von Seepocken gesäubert werden, von denen sie mitunter dicht bewachsen sind. Seepocken sind kleine, durch ein helles Gehäuse geschützte Krebstiere. Das Säubern verursacht Zusatzkosten, die der Zwischenhändler aufbringen muss.

Eine Miesmuschel im Sand

Muscheln sind mitunter mit Seepocken bewachsen

Frische Muscheln auf den Tisch

Wer kennt nicht Geschichten über leichte bis schwere Lebensmittelvergiftungen, die sich jemand durch verdorbene Muscheln zugezogen hat? Daher werden Muscheln am besten noch lebend in der Küche verarbeitet, denn eine lebende Muschel kann auf keinen Fall verdorben sein.

Übrigens: Fehlende Kühlung bei langwierigem Transport war einer der Gründe für die Regel, dass Muscheln nur in Monaten mit "R" am Ende (also September bis Februar) gegessen werden sollen – denn das sind meist die kühleren Wintermonate. Heute könnte man fast das ganze Jahr über Muscheln anbieten.

Höchstens im Hochsommer, wenn sich im Meer für kurze Zeit giftige Algen entwickeln können, müsste der Vertrieb vorübergehend unterbrochen werden. Aber auf diese Gifte werden alle Muscheln heutzutage untersucht, das ist gesetzlich vorgeschrieben.

Früher war das Frischeproblem noch viel größer. Die lebenden Muscheln wurden in Jutesäcken transportiert. Nur das Wasser, das sie innerhalb der Schalen einschlossen, hielt sie am Leben, und auch das nur bei verhältnismäßig kühler Witterung.

Heute transportiert man Muscheln in kürzester Zeit bestens gekühlt hunderte Kilometer weit ins Binnenland – so kommen sie frisch in den Handel. Trotzdem sind viele Kunden immer noch im Zweifel, ob die in Plastiksäckchen verpackten Muscheln auch tatsächlich noch leben, und kaufen die Muscheln nur am Liefertag.

Fünf geschlossene Miesmuscheln vor weißem Hintergrund.

Dank Kühlung frisch in den Handel

Daher hat sich der Muschelhandel Erkenntnisse der Wissenschaft zunutze gemacht, um die Muscheln länger haltbar zu machen.

Wissenschaftler achten darauf, lebende Muscheln, die sie zum Beispiel einem Kollegen per Post zusenden, nicht in Wasser zu transportieren. Wasser wäre in kürzester Zeit verschmutzt und der wenige im Wasser gelöste Sauerstoff schnell verbraucht. Sie geben daher zu der Muschel einfach ein feuchtes Küchentuch in eine luftdichte Plastikschale. So bleibt die Luft im Behälter immer mit Wasserdampf gesättigt.

Muss die Muschel ihre Schale öffnen, weil der Sauerstoff darin aufgebraucht ist, trocknen ihre Kiemen an der feuchten Luft nicht aus, sie kann dann sogar Luftsauerstoff atmen. Und Luft enthält viel mehr Sauerstoff als Wasser. Daher finden sich im Handel neuerdings Plastikschalen mit luftdicht verschweißten Deckeln, die garantieren, dass die darin lebenden Muscheln bis zu sieben Tage frisch bleiben.

Nun muss man einerseits nur noch darauf achten, dass die Muscheln vor der Zubereitung ihre Schale geschlossen halten, denn nur die lebende Muschel kann die Muskelkraft aufbringen, um die Schale zu schließen. Andererseits sollte sich die Schale nach dem Kochen unbedingt geöffnet haben. Falls nicht, könnte die Muschel ja auch schon vor dem Kochen tot gewesen sein und die Schale nur verklebt oder verklemmt.

Wer diese beiden Regeln berücksichtigt, sollte eigentlich keine Probleme mit verdorbenen Muscheln haben. Und für ganz Vorsichtige gibt es Muscheln ja auch noch in der Tiefkühltruhe.

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 22.06.2020)

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Quelle: WDR

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