Auf Pottwalsuche im Mittelmeer

Planet Wissen 16.03.2023 05:11 Min. UT Verfügbar bis 20.01.2027 WDR Von Uli Pförtner

Tiere im Wasser

Wale und Delfine

Wale sind Säugetiere, die während der Evolution den Schritt zurück ins offene Meer gemacht haben. Wie sie in den Ozeanen leben und überleben, ist immer noch weitgehend unbekannt.

Von Tobias Schlößer

Gefürchtet und vergöttert: Mythos Wal

In vielen Kulturen wurden Wale schon vor langer Zeit verehrt. Auch heute noch umgibt sie ein Mythos. Die Bartenwale beeindrucken durch ihre gigantischen Körper, die kleineren Zahnwale durch ihre wendige Eleganz und Neugier. Wale sind nur schwer zu beobachten – vielleicht ist auch das ein Grund für die zahlreichen Mythen und Legenden.

Der wissenschaftliche Sammelbegriff für Wale und Delfine – "Cetacea" – findet seinen Ursprung in der griechischen Mythologie. Vor allem große Wale wurden früher für Meeresungeheuer gehalten – griechisch auch: Keto oder Ketos.

Auch die Bibel erwähnt ein Meeresungetüm, das den Propheten Jona verschluckt und nach drei Tagen und Nächten lebendig wieder ausgespuckt haben soll.

In Luthers Übersetzung erscheint dieses Monster als "Walfisch". Ein Irrtum, denn Wale sind ja eigentlich Säugetiere. Nicht allen Waltieren haftete etwas Unheimliches oder Monströses an.

Kupferstich um 1625: "Jona und der Wal"

Ein Wal verschluckte den Propheten Jona

Legenden aus der Antike

Auch in der Antike existierten bereits Berichte über die erstaunliche Hilfsbereitschaft von Delfinen. Die alten Griechen verehrten sie daher als Beschützer von Reisenden.

Auch in anderen Kulturen galten Wale und Delfine als heilig. Die Maori sahen in den Walen die Urväter aller Arten. Der Legende nach soll das erste Stammesmitglied auf dem Rücken eines Wals vor mehr als 1000 Jahren nach Neuseeland geritten sein.

Auch einige indigene Völker Amerikas vergötterten Wale, speziell die Schwertwale. Die Kwakiutl sahen in Orcas mächtige übernatürliche Wesen. Andere Stämme glaubten, dass verstorbene Häuptlinge als Schwertwale wiedergeboren werden.

Literarisch verewigt: Moby Dick

In seinem Roman "Moby Dick" verewigte Herman Melville den Mythos Wal Mitte des 19. Jahrhunderts literarisch. In dem Buch verfolgt der Walfänger Kapitän Ahab mit seiner Crew erbarmungslos einen rätselhaften weißen Wal, der ihm einst ein Bein abriss.

Der bemerkenswerte Roman über den archaischen Kampf zwischen Wal und Mensch markiert einen Anfang der literarischen Moderne und zählt heute zu den Klassikern der Weltliteratur. Er wurde bereits mehrmals von Hollywood verfilmt und viele Male ins Deutsche übersetzt.

Sanfte Riesen: Bartenwale

Bartenwale bilden eine von zwei Unterordnungen der Cetacea. Alle Bartenwale sind von gigantischem Wuchs: Selbst die kleinsten werden mehr als sechs Meter lang.

Am größten und schwersten ist der Blauwal. Mit mehr als 30 Metern Länge kann er so lang werden wie ein mittleres Verkehrsflugzeug, ist aber zwei- bis dreimal so schwer. Damit ist der Blauwal das größte Tier, das jemals auf der Erde gelebt hat.

Bartenwale sind nach ihren Barten benannt, die anstelle von Zähnen an ihrem Oberkiefer sitzen. Barten sind mehrere hundert faserige Hornplatten, die einige Meter lang werden können.

Mit diesen Mundwerkzeugen filtern Wale ihre Nahrung einfach aus dem Wasser. Dazu nehmen sie bis zu 80 Tonnen Meerwasser auf einmal in ihren riesigen Mäulern auf und pressen es durch die Barten, an denen kleine Meerestiere hängen bleiben, wieder hinaus.

Unterwasserfoto eines Blauwals

Der Blauwal ist der größte Bartenwal

Lange unterwegs: Wanderungen

Fast alle größeren Wale unternehmen lange Wanderungen. Viele Bartenwale haben sich auf Krill spezialisiert. Ungeheure Mengen dieser kleinen Krebse tauchen jeden Sommer in den Polar- und Subpolarmeeren auf.

Um pünktlich zur Krill-Saison die Krebs-Schwärme abzuernten, überwinden Bartenwale riesige Distanzen – Grauwale zum Beispiel bis zu 10.000 Kilometer pro Jahr.

Die Wale können sich nicht dauerhaft in den nördlichen Breiten aufhalten, weil das Wasser für die Kälber dort zu kalt ist. Sie überwintern daher vor der mexikanischen Küste, wo sie auch ihre Nachkommen auf die Welt bringen.

Verspielt und sozial: Zahnwale

Zahnwale stellen die zweite Untergruppe der Cetacea. Sie alle haben Zähne statt Barten im Maul und töten damit ihre Beute – meistens Fische, Tintenfische oder manchmal auch andere Meeressäuger.

Die meisten Zahnwale sind deutlich kleiner als die gigantischen Bartenwale. Vergleichbare Ausmaße erreicht einzig der Pottwal mit einer Länge von bis zu 18 Metern.

Zahnwale haben eine spezielle Form der Wahrnehmung entwickelt, die sogenannte Echo-Ortung. Ähnlich wie Fledermäuse können sie sich über das Ausstoßen und die Echos von Ultraschall-Tönen orientieren.

Zahnwale verfügen außerdem über ein großes Repertoire an Verständigungsgeräuschen. Die meisten Zahnwale sind sehr kommunikativ und leben in festen Gruppen.

Schwertwal, auch Orca oder Killerwal (Orcinus orca): Ein Kalb schwimmt neben seiner Mutter.

Orcas gehören zu den Zahnwalen

Große Familie: die Delfine

Zahnwale sind eine sehr artenreiche Gruppe. Von den insgesamt mehr als 80 Walarten gehören gut 70 zu den Zahnwalen.

Eine besonders große Familie unter den Zahnwalen sind die Delfine – sie machen fast die Hälfte aller Walarten aus. Vielleicht werden Delfine deshalb manchmal gesondert von den anderen Walen genannt und behandelt.

Neben den langschnäuzigen Delfinarten – wie dem aus Delfinarien, Film und Fernsehen bekannten Großen Tümmler – umfasst die Familie der Delfine auch noch andere Arten, deren Zugehörigkeit nicht immer so offensichtlich ist. Auch die Schwertwale (Orcas) gehören zu den Delfinen, genauso wie die Grindwale.

Delfin schaut aus dem Wasser.

Delfine machen fast die Hälfte aller Walarten aus

Langer Weg zurück ins Meer

Die Wale stammen von Land-Säugetieren ab und sind heute am nächsten mit den Flusspferden verwandt. Wie sie ins Wasser zurückkehrten, war lange Zeit ein Rätsel.

Erst spektakuläre Fossilfunde der vergangenen Jahre vermitteln eine grobe Vorstellung dieser Entwicklung, die im Detail immer noch von Forschern heftig diskutiert wird. Zehn Millionen Jahre dauerte der Übergang vom Land ins Meer demnach ungefähr.

Ursprünglich stammen die Wale vom gemeinsamen Vorfahren aller Paarhufer ab, zu denen heute neben den Walen und Flusspferden auch Schweine, Kamele, Ziegen und Schafe gehören.

Als erster Vorfahr der Wale im engeren Sinne gilt der Pakicetus, ein vierbeiniger, fuchs- bis wolfsgroßer Räuber. Vor 50 Millionen Jahren lebte er an der südostasiatischen Küste – vermutlich größtenteils an Land, denn äußerlich glich er wohl eher einer Ratte als einem heutigen Wal.

Als Bindeglied zwischen den land- und wasserlebenden Vorfahren der Wale gilt der rund 46 Millionen Jahre alte Fund eines Rhodhocetus. Auf festem Boden konnte sich das Tier schon nicht mehr gut bewegen, weil seine Beine bereits zu Flossen umgestaltet waren.

Vor etwa 42 Millionen Jahren erschienen dann die Basilusauridae und schlossen die Entwicklung von den land- zu wasserlebenden Säugetieren praktisch ab. Sie waren nun vollkommen an ein Leben im Wasser angepasst.

Mit ihren verkümmerten Gliedmaßen und dem schon halb nach oben gewanderten Nasenloch sahen sie den heutigen Walen bereits recht ähnlich. Auch eine Schwanzflosse hatte sich am Ende ihrer stromlinienförmigen Körper bereits ausgebildet.

Vor etwa 35 Millionen Jahren spalteten sich die Basilusauridae in zwei unterschiedliche Gruppen auf, aus denen dann die Barten- und Zahnwale hervorgingen.

Ein Flusspferd guckt mit dem Kopf und dem Rücken aus dem Wasser

Wale sind am nächsten mit Flusspferden verwandt

Mit Hydrophon und GPS: Walforschung

Obwohl sich Menschen seit langem für Wale interessieren, ist nur sehr wenig über diese Tiere bekannt. Denn Wale sind nur schwer zu beobachten.

Den größten Teil ihres Lebens verbringen sie weit unter der Wasseroberfläche, wo sie mit bloßem Auge und Kamera kaum zu erkennen sind. Darum werden sie meistens abgehört. Mit Unterwassermikrofonen, sogenannten Hydrophonen, lassen sich die Töne der Tiere unter Wasser aufnehmen.

Zur Langzeitbeobachtung bringen Wissenschaftler kleine Messgeräte an den Tieren an, die über GPS (Global Positioning System) die Position ermitteln und alle Bewegungen aufzeichnen.

Einige dieser Geräte verfügen sogar über einen Sender, der die Daten nach dem Auftauchen an einen Satelliten weitergeben kann. So entfällt die – oft erfolglose – Suche nach den abgelösten Messgeräten.

Indem sie aufgetauchte Wale mit einem speziellen Pfeil beschießen, der kleine Hautfetzen aufnimmt, können Forscher aus der Distanz Gewebeproben gewinnen. Genetische Untersuchungen geben Aufschluss über die Verwandtschaftsverhältnisse. Spuren in Walspeckresten der Probe verraten, wovon sich die Tiere ernährt haben.

Erkennen und Zählen: Bestandsforschung

Welche und wie viele Wale sich in einem bestimmten Gebiet aufhalten, ist nicht ohne Weiteres zu bestimmen. Viele Forscher erkennen einzelne Wale an ihrer Schwanzflosse, der Fluke. In Bilddatenbanken werden die einzigartigen Merkmale festgehalten, beispielsweise Kratzer, Muster und die Form der Fluke.

Durch den Vergleich von Fotos mit den Datenbankeinträgen können die Wissenschaftler dann überprüfen, ob es sich um neue oder schon registrierte Tiere handelt. Da sich Wale über weite Bereiche verteilen können, ist oft gar nicht bekannt, wie viele Exemplare einer Art noch leben.

Die Bestandsgrößen aller Walarten können nur grob abgeschätzt werden – eine Herausforderung für Zoologen und Mathematiker. Mit Booten und Flugzeugen werden die Meeresbereiche abgesucht, in denen man Wale vermutet. Aus den Stichprobenzählungen versucht man, den potenziellen Gesamtbestand auszurechnen.

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Quelle: SWR | Stand: 25.03.2020, 11:55 Uhr

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