Röhrender Hirsch.

Tierwelt

Tiere im Wald

Ohne den Eingriff des Menschen wäre Deutschland fast vollständig von Bäumen bedeckt – jetzt ist nur noch rund ein Drittel der Fläche Wald. Zwar gibt es in Deutschland keine großen Urwälder mehr, doch die deutschen Wälder sind relativ ungestört.

Von Alexandra Stober

Wie Stockwerke in einem Haus

Der Lebensraum Wald lässt sich in verschiedene Schichten einteilen, vergleichbar mit den Stockwerken eines Hauses. Jede dieser Etagen hat ihre spezifischen tierischen Bewohner. Man unterscheidet bis zu fünf Schichten, die abhängig vom einfallenden Sonnenlicht verschieden stark ausgeprägt sind.

Es gilt: Je mehr Licht bis zum Boden gelangt, desto ausgeprägter sind die Waldstockwerke. So gibt es in Tannenwäldern kaum Sträucher, da die Baumkronen sehr dicht sind und nur wenig Sonnenschein hindurchlassen. Am stärksten ausgeprägt sind die fünf Schichten in Eichen-Mischwäldern.

Grundsätzlich erreicht nur ein kleiner Teil des Lichts den Waldboden. 80 Prozent des Sonnenscheins nehmen die Bäume mit ihren Blättern auf. Weitere zehn Prozent werden von den Blattoberflächen in die Atmosphäre reflektiert. Für die unteren Stockwerke bleiben also maximal zehn Prozent übrig.

Keller: Humus-Produzenten mögen es feucht

Die unterste Waldetage ist die Wurzelschicht. Hier befinden sich die Wurzeln der Pflanzen, welche die anderen Stockwerke bilden. Typische Bewohner dieses Waldkellers sind Regenwürmer und Tausendfüßer.

Letztere haben tatsächlich sehr viele Beine, tausend sind es jedoch nicht. Je nach Art haben sie bis zu 680. Um überleben zu können, brauchen Tausendfüßer eine feuchte Umgebung – der Waldboden ist ein idealer Lebensraum für sie.

Ähnlich wie ihre Mitbewohner in der Wurzelschicht, die Regenwürmer, fressen und verdauen Tausendfüßer abgestorbene Pflanzenteile. So entsteht fruchtbarer Humus. Einige Arten knabbern aber auch an den Wurzeln gesunder Pflanzen und schaden ihnen damit.

Besonders viel Platz benötigen Tausendfüßer nicht: In einem Kubikmeter Boden können bis zu 2000 von ihnen leben. Wenn es ihnen doch einmal in der Wurzelschicht zu eng wird, graben sie sich nach oben ins Wald-Erdgeschoss.

Tausendfüßer auf einem Ast

Tausendfüßer brauchen nicht viel Platz

Erdgeschoss: Ein bodenständiges Reptil

In der Bodenschicht des Waldes, im Erdgeschoss, ist jede Menge los: In einer Handvoll Erde stecken dort mehr Lebewesen, als es Menschen auf der Erde gibt. Gebildet wird diese Schicht von Moosen, Flechten, Pilzen sowie herabgefallenen Nadeln und Blättern. Außerdem gibt es hier niedere Blütenpflanzen wie Sauerklee und Haselwurz.

Tierische Bewohner des Walderdgeschosses sind Insekten, Spinnen und Reptilien wie etwa die Waldeidechse. In Deutschland ist sie die am häufigsten vorkommende Eidechsenart.

Mit rund 18 Zentimetern Länge ist sie die kleinste einheimische Art – und die einzige, die sich ovovivipar fortpflanzt: Die Waldeidechse legt keine Eier, sondern ist lebendgebärend. Sie legt bis zu zehn Junge in dünnen, durchsichtigen Eihüllen ab, die während der Geburt aufplatzen. Sobald die Jungtiere auf der Welt sind, sind sie völlig selbstständig.

In der Bodenschicht findet die Waldeidechse unter ihren Mitbewohnern – kleinen Insekten und Spinnen – ausreichend Nahrung. Pflanzen mag sie im Gegensatz zu anderen Eidechsenarten nicht.

Da sich die Waldeidechse gern auf Altholz sonnt, hält sie sich vor allem am Waldrand und auf Lichtungen auf, wo genügend Sonnenlicht die Bodenschicht erreicht. Sich ins nächsthöhere Waldstockwerk zu begeben, kommt ihr kaum in den Sinn – die Waldeidechse klettert eher selten.

Waldeidechse

Die Waldeidechse war Reptil des Jahres 2006

Erste Etage: Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

Gebildet wird das erste Obergeschoss, die Krautschicht, vor allem von Kräutern, Gräsern und Farnen sowie von Blütenpflanzen. Sie alle dienen Bienen, Wespen, Käfern und Schmetterlingen sowie deren Raupen als Nahrung. Auch einige Säugetiere leben in der Krautschicht, die bis in eine Höhe von etwa eineinhalb Metern reicht: Sie ist der Lebensraum von Fasan, Fuchs und Feldhase.

Ein kleiner, schlanker Bewohner des ersten Stockwerkes ist der Wald-Sandlaufkäfer. Er ist dunkelbraun mit weißen Flecken auf den Flügeldecken, hat große Augen und ausgeprägte Kieferzangen. Mit diesen saugt der Käfer Insekten aus, die er tagsüber in der Krautschicht jagt.

In deutschen Wäldern findet man ihn nicht mehr allzu häufig, weshalb er unter Naturschutz steht. Der Nachwuchs des Wald-Sandlaufkäfers wächst im Waldkeller auf, bis er geschlüpft ist: Die Larven graben sich selbst Wohnhöhlen. Dort ernähren sie sich von in der Wurzelschicht lebenden Insekten.

Ein grün schillernder Käfer.

Unter Naturschutz: der Wald-Sandlaufkäfer

Zweite Etage: Eine Maus, die keine ist

Eine Etage über der Krautschicht befindet sich die Strauchschicht des Waldes, die bis in etwa fünf Meter Höhe reicht. Sie besteht aus Sträuchern wie Holunder, Weißdorn oder Hasel sowie jungen Bäumen. Hier bauen zahlreiche Vogelarten ihre Nester, da sie sich im zweiten Waldobergeschoss besonders gut verstecken können und durch die Dornen der Sträucher geschützt werden.

Säugetier-Mitbewohner der Vögel sind beispielsweise Rehe und Siebenschläfer. Zur Familie der Schläfer gehört die Haselmaus, die zwar Maus heißt, aber keine ist. Sie benötigt zum Leben eine artenreiche Strauchschicht, in der sie verschiedene Blätter, Blüten und Früchte findet – ihre Hauptnahrung – sowie Insekten und Schnecken.

Außerdem ist es für die Haselmaus besonders wichtig, dass die Sträucher so dicht gewachsen sind, dass sie sich ohne Bodenkontakt fortbewegen kann – denn auf der Erde läuft sie aus Angst vor Füchsen und Mardern nicht gerne.

Das daumengroße Tier ist sehr scheu und nachtaktiv. Sobald die Sonne untergegangen ist, klettert die Haselmaus auf der Suche nach Nahrung durch Sträucher und Bäume. Tagsüber rollt sie sich in ihrem Versteck zusammen, wickelt sich ihren Schwanz wie einen Schal um und schläft.

Eine Haselmaus.

Die Haselmaus ist ein Allesfresser

Dachgeschoss: Kleiner Marder – großer Springer

Nachtaktiv wie die Haselmaus ist auch die Eule – eine Bewohnerin des Walddachgeschosses, der Baumschicht. Diese setzt sich – je nach Art des Waldes – aus Laub- und/oder Nadelbäumen zusammen. Zu den Eulen gesellen sich Spechte, die in Baumhöhlen ihre Jungen aufziehen.

Solche Behausungen bewohnt auch der Baummarder. Er ist mit 60 bis 80 Zentimetern Körperlänge (inklusive Schwanz) eine kleine Marderart und hat ein rotbraunes Fell mit gelblicher Brust. Baummarder können außergewöhnlich gut klettern und springen – zum Teil weiter als vier Meter.

Sie können sogar kopfüber an Baumstämmen laufen. Ihr langer buschiger Schwanz dient ihnen dazu, das Gleichgewicht zu halten – wie bei den Eichhörnchen. Diese jagt der Baummarder neben Vögeln am liebsten.

Außerdem ernährt sich der Allesfresser von Insekten, Vogeleiern, Früchten und Nüssen. Baummarder sind tagsüber und nachts aktiv. Sobald es dunkel ist, hilft ihnen ihr Geruchssinn beim Jagen – dann halten sie vor allem nach Vögeln in deren Nestern Ausschau.

Ein Baummarder auf einem Ast.

Langer Körper, kurze Beine: der Baummarder

(Erstveröffentlichung: 2011. Letzte Aktualisierung: 05.10.2020)

Quelle: WDR

Darstellung: