Raben in der Mythologie

Planet Wissen 19.09.2023 04:00 Min. Verfügbar bis 19.09.2028 SWR

Rabenvögel

Raben in der Mythologie

Das Verhältnis der Menschen zu Rabenvögeln ist zwiespältig: In der Antike wurden sie als magisch und göttlich verehrt, im Mittelalter galten sie als Vorboten von Tod, Unheil und Pest.

Von Harald Brenner

Göttliche Rabenvögel

Der germanische Gott Odin (Wotan), Gott der Weisheit und der Schlachten, konnte sich gelegentlich in einen Raben verwandeln. Außerdem führte er immer "Munin" und "Kunin" (Hugin) mit sich: zwei Raben, die er jeden Tag ausschickte, um zu erfahren, was in der Welt Wichtiges geschah.

Da Odin ihr höchster Gott war, verehrten die Germanen die Raben als heilige Göttervögel. Im Vorfeld einer Schlacht galten der Flug und das Verhalten der Tiere als Omen für den Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzung. Ein Glaube, der auch schon bei den Babyloniern und im antiken Griechenland eine wichtige Rolle spielte.

Historienbild: Germanische Seherin mit einem Raben, der neben einem Totenkopf sitzt

Den Germanen waren Raben heilig

Im alten Rom befragten die Auguren – ein sechzehnköpfiges Gremium römischer Beamter – das Vogelorakel, um zu erfahren, ob ein geplantes Handeln den Göttern genehm sei.

Je nachdem, aus welcher Richtung ein Rabe einen von den Auguren abgegrenzten Bereich durchflog, bedeutete das Unheil oder Segen. Kam er von links, war es ein schlechtes Zeichen, von rechts bedeutete eine günstige Konstellation. Flog gar ein Paar in den "Augural-Bezirk", galt dies als besonders positiv.

Herrscher und Heerführer ließen sich von Rabenvögeln weissagen, ob sie mit ihrem Handeln in die Katastrophe steuerten oder nicht. Schon Aristoteles vermutete, dass die Vögel nicht nur über Instinkt, sondern auch über eine feine Intelligenz verfügten und ihr Handeln danach ausrichteten.

Galgenvögel

Das schlechte Image von Rabenvögeln rührt vor allem von ihrer Neigung, Aas zu fressen. Dabei unterscheiden sie naturgemäß nicht zwischen Mensch und Tier. Nach einer Schlacht mit vielen Toten war der Tisch natürlich reich gedeckt.

Auch war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich am Fleisch gehenkter Zeitgenossen gütlich taten, was ihnen das geflügelte Wort vom "Galgenvogel" eingetragen hat.

Mit dem Aufkommen des Christentums und dem Rückgang der Naturreligionen veränderte sich das Ansehen der Vögel stark. Das Auftauchen großer Schwärme galt bald als Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz.

Die Welt der Tiere wurde in zwei Gruppen eingeteilt: in die Kreaturen, die dem Menschen nützlich waren, und jene, die ihm schadeten. Schnell zählten Rabenvögel zu den Schädlingen.

Im Mittelalter galten sie als Begleiter von Hexen. Der Aberglaube war so stark, dass eine Frau schon als Hexe verteufelt wurde, wenn ihr eine Krähe zu nahe gekommen war. Noch schlimmer traf es die Elster, die gar selbst als verwandelte Hexe angesehen wurde. Zur Abwehr von Unheil wurde es Brauch, tote Elstern oder Krähen an die Haustür zu nageln.

Schwarz-Weiß-Illustrationen aus dem Kinderbuch "Die kleine Hexe"

Raben galten als Hexenbegleiter

Rabenschwarzes Ansehen

So manches geflügelte Wort über Rabenvögel hält sich hartnäckig. Die meisten dieser Eigenschaften sind jedoch angedichtet und entbehren jeglicher biologischen Grundlage.

Der Begriff "Rabeneltern" zum Beispiel fußt auf der Vorstellung aus dem Altertum, Raben würden ihre Jungen verhungern lassen oder sie aus dem Nest werfen. Das Gegenteil ist der Fall. Rabeneltern sind besonders fürsorglich, sie füttern ihren Nachwuchs auch noch, wenn dieser längst flügge geworden ist.

Gerne sprechen wir von einem "rabenschwarzen Tag", wenn alles schiefgegangen ist. Dieser Gedanke rührt wohl noch aus der biblischen Legende, Raben hätten nur deshalb keine Farben in ihrem Gefieder, weil ihnen ein sündhaftes Wesen eigen sei, sie extrem unzuverlässig und deshalb vom Archenbauer Noah verflucht worden seien. Seither müssten sie zur Strafe Schwarz tragen.

Die Palette der Negativbilder reicht vom Kinderlied "Hoppe Hoppe Reiter" ("...fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben") bis zum "Unglücksraben".

Ganz anders das Bild bei den nordwestamerikanischen Indianerstämmen. Dort genießen Raben bis heute hohes Ansehen und Prestige. Sie gelten als gottgleiche Gestalten, die den Lebensraum Erde für Mensch und Tier erschlossen hätten.

Den übernatürlichen Kräften der Raben sei es zu verdanken, dass Berge, Flüsse und Seen ihren Platz gefunden hätten. Die Tiere sollen sogar Sonne, Mond und Sterne ans Firmament gehängt haben.

Quelle: SWR | Stand: 25.03.2020, 17:10 Uhr

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