Das Altenbekener Viadukt in NRW

Eisenbahn

Karl Ritter von Ghega und die Semmeringbahn

Der Mathematiker und Ingenieur Carlo Ghega baute eine der atemberaubendsten Bahnstrecken Österreichs: Sie verbindet Wien mit dem italienischen Triest am Mittelmeer und führt quer durch die Alpen – durch 15 Tunnel und 16 Viadukte, zum Teil zweistöckig.

Von Rolf Stephan und Tobias Aufmkolk

Österreichs Verbindung zum Mittelmeer

Der Mathematiker und Ingenieur Carlo Ghega wurde 1802 als Sohn albanischer Eltern in Venedig geboren. Schon früh stellte sich seine mathematische Begabung heraus. Mit 15 Jahren ging er an die Universität von Padua.

Schon ein Jahr später erhielt Ghega sein Diplom als Architekt und Ingenieur, ein weiteres Jahr später machte er seinen Doktor. Seine Begabung blieb nicht lange verborgen. Im zu Österreich gehörenden Norditalien war er schon in jungen Jahren für groß angelegte Projekte im Straßenbau zuständig.

Der Straßenbau befriedigte Ghega nicht lange, die gerade erfundene Eisenbahn faszinierte ihn viel mehr. Zwischen 1836 und 1837 schaute er sich verschiedene Bahnprojekte in England und anderen europäischen Ländern an, um seine Erkenntnisse anschließend für den Bau von österreichischen Strecken zu nutzen.

Bereits mit 34 Jahren leitete er dann den Bau verschiedener Teilstrecken der österreichischen Nordbahn, die von Wien nach Krakau führt. Als Wien endlich eine schnelle Verbindung nach Triest ans Mittelmeer haben wollte, bekam Ghega den Auftrag, den visionären Bau durchzuführen. Er plante die Strecke über den Semmering, einen 984 Meter hohen Gebirgspass in den Alpen.

42 Kilometer galt es zu überwinden. Von Wien bis ins niederösterreichische Gloggnitz gab es bereits eine Eisenbahnstrecke. Und auf der anderen Seite des Gebirges führte die Strecke vom steirischen Mürzzuschlag nach Graz und von dort weiter nach Süden ins norditalienische Triest.

Viele Monate wanderte Ghega durch die Gegend um den Ort Semmering, um all die Schluchten und Berge kennenzulernen. Die Bahnstrecke musste über Gräben hinweg gebaut werden, durch Berge hindurch und an Felswänden entlang. Ghega plante 15 Tunnel und 16 Viadukte, zum Teil zweistöckig.

Schub im Lokomotivbau

Anfangs wurde Ghega für seine Pläne kritisiert. Seine Gegner hielten seine Ideen für technisch nicht realisierbar. Keine Lokomotive sei in der Lage, die geplanten Steigungen zu befahren, geschweige denn Nutzlast zu befördern. Aber Ghega ließ sich nicht beirren.

Er führte einen Wettbewerb durch, der die Entwicklung einer solch starken Lokomotive zum Ziel hatte. Der Wettbewerb führte zu einem gewaltigen Entwicklungsschub im Lokomotivbau. Schließlich blieben vier Lokomotiven übrig, die den ausgeschriebenen Leistungsanforderungen entsprachen.

Doch keine konnte im Praxistest überzeugen. Der Ingenieur Wilhelm von Engerth fasste schließlich die Vorteile der vier Wettbewerbsgewinner zusammen und konstruierte ein Modell, das Ghega überzeugte.

1848 erfolgte der Baubeginn der Strecke. Bis zu 20.000 Arbeiter waren in den folgenden sechs Jahren mit dem Bau beschäftigt. Mehrere Hundert Menschen starben während der Bauarbeiten durch Unfälle oder Epidemien, die in den Arbeitsunterkünften immer wieder ausbrachen. Am 16. Mai 1854 gab sich Kaiser Franz Josef I. persönlich die Ehre und fuhr zusammen mit Ghega die Strecke ab.

Mit der Eröffnung der Semmeringbahn war Österreich dank ihres Erbauers zum Pionier beim Bau von Gebirgsbahnen geworden. Ghega bekam 1851 den Adelstitel verliehen und starb 1860 als Karl Ritter von Ghega.

Ein Zug der Semmeringbahn bei der Fahrt aus einem Tunnel

Eine Eisenbahnstrecke als Weltkulturerbe

1998 wurde auch sein Lebenswerk geadelt: Die Semmeringbahn wurde als erste Eisenbahnstrecke der Welt zum Unesco-Weltkulturerbe erklärt. In der Begründung hieß es, Ghega sei es gelungen, auf einzigartige Art und Weise Natur und Technik harmonisch miteinander zu verbinden.

Quelle: SWR/WDR | Stand: 28.04.2020, 11:50 Uhr

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