3D-Modell von Viren

Viren

Die Entdeckung der Viren

1883 legte der deutsche Forscher Adolf Mayer den Grundstein für die Entdeckung der Viren. Er untersuchte eine Pflanzenkrankheit und vermutete erst Bakterien als Ursache.

Von Inka Reichert und Remo Trerotola

Wer sie entdecken will, muss genau hinschauen

Adolf Mayer stellt fest: Die sonderbare Krankheit lässt sich übertragen. Immer wenn er gesunde Tabakpflanzen mit dem Zellsaft kranker Pflanzen besprüht, weisen auch diese kurz danach die Symptome auf.

Ein Mosaikmuster durchzieht die Blätter. Zudem entwickeln die erkrankten Exemplare einen gestauchten Wuchs. Eine bisher unbekannte Substanz muss im Zellsaft ihr Unwesen treiben. Doch welche?

Unter dem Lichtmikroskop kann der Forscher nichts ausmachen. Zumindest nicht das, wonach er sucht: Bakterien. Die Krankheitsüberträger müssen noch kleiner sein, vermutet Mayer. Vielleicht sind es winzige Bakterien, kleiner als die bereits bekannten. Er schreibt seine Hypothese nieder, verfolgt diese jedoch nicht weiter.

Eine Kürbispflanze mit Mosaikflecken.

Auch Kürbispflanzen werden vom Mosaik-Virus befallen

Ist es ein Keim oder ein Gift?

Zehn Jahre später macht sich ein Wissenschaftler aus Russland daran, Mayers Vermutung zu überprüfen. Dimitri Iwanowski lässt den Zellsaft infizierter Pflanzen durch einen speziellen Bakterienfilter laufen.

Im Filter kann er jedoch keine Bakterien nachweisen. Der Zellsaft bleibt dennoch infektiös. Iwanowski hält an der Hypothese des Kollegen Mayer fest, er hält aber auch ein Gift für möglich.

1897 kann ein Wissenschaftler aus den Niederlanden diesen Ansatz widerlegen: Martinus Beijerinck besprüht eine gesunde Pflanze mit dem Zellsaft infizierter Exemplare. Das Ergebnis: Auch der Zellsaft der besprühten Pflanze ist infektiös. Das beweist er, indem er eine weitere Pflanze besprüht und die Reihe wiederholt.

Der Erreger wird jedoch nicht schwächer. Die Dosis eines Gifts hätte immer geringer werden müssen. Doch dieser Erreger scheint sich zu reproduzieren und verliert nicht an Wirkung. Ein Gift könnte das nicht.

Beijerinck forscht weiter und stellt fest, dass die krankheitsauslösende Substanz sich nur innerhalb von Organismen reproduzieren kann. Weder in der Petrischale noch im Reagenzglas funktioniert, was Bakterien sonst mühelos gelingt.

Viele Bakterien lassen sich mit Alkohol bekämpfen – dieser unbekannte Stoff ist aber resistent dagegen. Beijerinck stellt sich etwas Infektiöses vor, das viel kleiner und einfacher gebaut sein muss als ein Bakterium.

Nach mehr als 50 Jahren fanden die Forscher, was sie suchten

1935 bestätigt schließlich der US-Amerikaner Wendell M. Stanley die Vermutung seines russischen Kollegen. Dem Forscher gelingt es nach mehr als 50 Jahren anstrengender Suche, das infektiöse Partikel zu isolieren.

Nach einer Versuchsreihe enthält sein Extrakt aus Tabakpflanzen feinste Kristallnadeln, die unter dem Lichtmikroskop gerade noch sichtbar sind.

Obwohl die winzigen Nadeln keine Stoffwechselaktivität erkennen lassen, bleiben sie hochinfektiös. Stanley benutzt für das Gebilde das lateinische Wort für Gift: "virus". Zwar kann er noch nicht wissen, dass jede Nadel aus einer großen Anzahl von Viren besteht, doch seine Schlussfolgerungen bleiben korrekt.

Als 1940 das erste Elektronenmikroskop (EM) entwickelt wird, bestätigt sich Stanleys Hypothese. Mehr noch: Mit dem EM lassen sich nun weitere Viren erkennen und erforschen.

1946 erhält Stanley den Nobelpreis für Chemie. Das Tabakmosaikvirus geht in die Geschichte ein. Und damit auch die globale Zusammenarbeit, die schließlich zum Ziel führte. Dass internationale Forscherteams gemeinsam Viren erforschen, ist bis heute unverzichtbar – denn Viren kennen keine Ländergrenzen.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 19.07.2019)

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Quelle: WDR

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