Ein Containerschiff wird im Hamburger Hafen entladen

Schifffahrt

Hamburger Hafen

Hamburg ohne Hafen wäre genauso undenkbar wie Köln ohne Dom oder Paris ohne Eiffelturm. Der größte Seehafen Deutschlands beherrscht die Stadt. Und der Hamburger Hafen ist stetig im Wandel.

Von Tobias Aufmkolk

Hafen ohne Arbeiter

Es ist gespenstisch leer am Containerterminal Altenwerder. Obwohl hier jeden Tag Zehntausende von Containern bewegt werden, sieht man kaum Menschen. Alles läuft automatisch ab. Kräne hieven die Container aus den Schiffen und laden sie auf führerlose, voll automatisierte Fahrzeuge.

Über ein in den Boden eingelassenes Transpondernetzwerk finden die Fahrzeuge per Funksignal den Ort zur Zwischenlagerung des Containers. Von dort aus wird er wiederum mit Kränen auf Lkws oder Zugwaggons geladen. Für den gesamten Vorgang ist kaum mehr als eine Handvoll Arbeiter nötig. Das war nicht immer so.

Das aufstrebende Hamburg

Der Grundstein für Hamburgs spätere Bedeutung als Welthafen wird 1492 gelegt. Mit der Eroberung Amerikas durch Christoph Kolumbus verlagern sich die Warenströme in den kommenden Jahrhunderten gen Westen. Der noch im Mittelalter wichtigste Hafen Deutschlands in Lübeck verliert an Bedeutung, während der Hamburger Hafen stetig ausgebaut wird.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts macht der Handel mit den kurz zuvor entstandenen Vereinigten Staaten von Amerika Hamburg zu einem Hafen von globalem Rang. Die 1847 gegründete "Hamburg-Amerika-Linie" entwickelt sich rasch zur größten Reederei der Welt.

Die alten Hafenanlagen können den wachsenden Güter- und Personenverkehr nicht mehr aufnehmen, neue Becken müssen gebaut werden. Von 1835 bis 1866 entstehen so die Umrisse des Hafens, wie er heute bekannt ist. Mit dem Ausbau zu einem modernen Tidehafen können fortan die Schiffe unabhängig von Ebbe und Flut zu jeder Tages- und Nachtzeit ein- und auslaufen.

Schwarzweiß-Bild: Ein riesiges Dampfschiff bei der Ausfahrt aus dem Hamburger Hafen

1913: Das größte Schiff der Welt im Hamburger Hafen

Eine Speicherstadt für die Waren

Mit dem Anschluss Hamburgs an das Deutsche Reich im Jahr 1871 sollen auch die Zollprivilegien der Stadt entfallen. Aus diesem Grund richten die Hamburger Kaufleute einen Freihafen ein, in dem weiterhin Waren zollfrei gelagert werden dürfen. Wenig später entsteht auch die historische Speicherstadt, der heute noch größte zusammenhängende Lagerhauskomplex der Welt.

Der Bau der sechs- bis achtgeschossigen Lagerhäuser erfolgt in einem rasanten Tempo. Wenige Jahre nach Baubeginn im Jahr 1883 lagern bereits Kaffee, Tee, Gewürze oder Teppiche in den roten Backsteingebäuden.

Die Speicherstadt repräsentiert wie kaum ein anderer Gebäudekomplex in Hamburg die reiche Handelsgeschichte der hanseatischen Kaufleute. Die trutzigen Lagerhäuser überstehen sogar die Bombardements im Zweiten Weltkrieg nahezu unbeschadet.

Die Einführung des Containers Ende der 1960er-Jahre macht sie jedoch zunehmend überflüssig. Heute beherbergen die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude zahlreiche Theater, Künstlerprojekte und Museen, darunter auch die Geschichts-Geisterbahn "Hamburg Dungeon", die größte Modellbauanlage der Welt, ein Spielzeugmuseum, das Deutsche Zollmuseum und das Speicherstadtmuseum.

 Häuserzeilen in der Speicherstadt, die durch zwei Kanäle getrennt werden

Der größte Lagerhauskomplex der Welt

Der Hafen expandiert

Doch nicht nur die Speicherstadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt. Als 1968 mit der "American Lancer" das erste Vollcontainerschiff im Hamburger Hafen einläuft, läutet es ein neues Zeitalter ein. Die Einführung der genormten Container, die mit ihrem gesamten Inhalt auf Lkws oder Züge verladen werden, revolutioniert den Güterverkehr. In allen Häfen der Welt steigt der Anteil des Containerverkehrs rasant an, so auch in Hamburg.

Die alten Hafenanlagen können dieses hohe Güteraufkommen jedoch nicht mehr bewältigen. Dazu kommt, dass der alte Elbtunnel mit einer Tiefe von zwölf Metern unter dem Pegel den immer größer werdenden und tiefer im Wasser liegenden Containerschiffen im Weg ist. Deshalb müssen neue gigantische Terminals am westlichen Hafenausgang gebaut werden. Mit dieser Verlagerung werden die alten Hafenanlagen überflüssig.

Blick über Container auf drei Schiffe, die an einem Terminal entladen werden

Modernes Containerterminal am Burchardkai

Hafenarbeit im Wandel

Nicht nur die alten Hafenanlagen werden mit dem steigenden Containeraufkommen nicht mehr gebraucht. Auch die Arbeit im Hafen sieht sich gewaltigen Veränderungen ausgesetzt. Noch kurz nach dem Zweiten Weltkrieg löschen Tausende von Hafenarbeitern mit Sackkarren und purer Muskelkraft die Ladung der Schiffe.

Mit Einführung des Gabelstaplers in den 1950er-Jahren fallen die ersten Arbeitsplätze weg. Viel einschneidender ist jedoch die Entwicklung auf dem Containermarkt. Kräne und computergesteuerte Maschinen übernehmen das Verladen der Waren. Der neue Hamburger Hafen lebt von der Geschwindigkeit. Immer mehr Güter müssen in immer kürzerer Zeit abgewickelt und weiterverladen werden.

Voll automatisierte Prozesse ersetzen zum großen Teil die menschliche Arbeitskraft. Aus den traditionellen Hafenberufen der Quartiers-, Tally- oder Schauerleute ist der Hafenfacharbeiter geworden. Waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch mehr als 25.000 Arbeiter im Güterumschlag beschäftigt, so ist es heute nur noch gut ein Zehntel davon.

Schwarzweiß-Bild:  Kohlenträger auf einem Schiff im Hamburger Hafen

Ein Bild aus vergangenen Tagen

Aus alt macht neu

1997 beschließt der Hamburger Senat, die alten Anlagen abzutragen und einer neuen Nutzung zuzuführen. Das Konzept der Hafencity ist geboren.

Bis 2025 sollen auf insgesamt 155 Hektar 5500 Wohnungen, Büros mit 40.000 Arbeitsplätzen, Restaurants, Geschäfte, Kultur- und Freizeiteinrichtungen direkt am Wasser entstehen. Renommierte Architekten aus aller Welt sollen Ideen entwerfen, den neuen Raum zu gestalten. Das gesamte Areal wird zu einer Spielwiese der modernen Architektur.

2003 erfolgt der erste Spatenstich, 2009 ist der erste Teilabschnitt am Dalmann- und Sandtorkai fertiggestellt. Alle Häuser sind sehr individuell gebaut, was Kritiker der Hafenneugestaltung bemängeln. Die angrenzende Speicherstadt und die Innenstadt Hamburgs sind eher durch blockartige, gleichförmige Bebauung gekennzeichnet.

Der Hafen verliere so seinen einheitlichen, über Jahrhunderte gewachsenen Charakter. Befürworter der Neubebauung schwärmen hingegen von dem innovativen und kreativen Ambiente, das Architekten aus aller Welt hier erschaffen.

Gebäude der Hamburger Hafencity an einem Hafenbecken

2009 wurde der erste Abschnitt fertiggestellt

Kühne Vision oder Größenwahn?

Architektonisches Flaggschiff und Aushängeschild der Hafencity ist der Neubau der Elbphilharmonie. In der Kühnheit seines Entwurfs wurde das Bauwerk mit dem Opernhaus in Sydney verglichen. Kern des Gebäudes ist der Backsteinkubus eines alten Speicherhauses.

Auf den Kubus wurde eine wellenförmige Konstruktion aus Glas und Stahl gesetzt, die sich am höchsten Punkt bis auf 110 Meter erhebt. Damit ist die Elbphilharmonie das höchste bewohnte Gebäude der Stadt. Doch nicht nur die Architektur ist wegweisend, auch die beiden Konzertsäle sollen die besten der Welt werden.

Anfangs zeigen sich die Hamburger begeistert von dem Mammutprojekt. Doch nach dem Spatenstich 2007 wird aus der anfänglichen Euphorie große Skepsis. Das liegt vor allem an den enorm in die Höhe geschnellten Baukosten sowie der ständigen Verschiebung der Fertigstellung. Eröffnet wird die Elbphilharmonie schließlich im Januar 2017.

Elbphilharmonie vom Wasser aus gesehen

Die Elbphilharmonie spaltet die Gemüter

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 13.05.2020)

Quelle: WDR

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