Schwertwal, auch Orca oder Killerwal (Orcinus orca): Ein Kalb schwimmt neben seiner Mutter.

Wale und Delfine

Sozialverhalten und Intelligenz von Walen

Die meisten Wale sind soziale Tiere und leben in festen Gruppen. Vor allem Zahnwale, aber auch etliche Bartenwale ziehen zusammen mit Artgenossen durchs Meer. Sowohl die Jagd als auch die Aufzucht der Jungen hält die Herden zusammen.

Von Tobias Schlößer

Das soziale Leben der Wale

Nur männliche Tiere durchstreifen außerhalb der Paarungszeiten allein die Weltmeere. Ein fantastisches Kommunikationssystem macht die Verständigung zwischen den Tieren über große Distanzen möglich. Klicklaute, Töne, sogar richtige Gesänge gehören zum Repertoire der Meeressäuger. Vor allem Zahnwale wie die Delfine sind zudem sehr kontaktfreudig. Viele Menschen halten Delfine deshalb auch für sehr klug.

Das Leben in der Gruppe bietet einige Vorteile, aber auch Nachteile. Problematisch ist für große Tiere, dass sie sich das Futter teilen müssen. Doch für die meisten Walarten überwiegen die Vorteile.

Angriffe sind angesichts der Größe der Tiere nicht allzu häufig. Und viele Wale helfen sich bei Bedrohung gegenseitig. Pottwale und andere Zahnwale teilen sich zudem die Aufsicht über den Nachwuchs. "Tanten" bleiben mit den Jungen an der Oberfläche, während Mütter in der Tiefe auf die Jagd gehen und umgekehrt.

Pottwal im Meer.

Pottwale helfen sich gegenseitig

Einige Arten veranstalten mit raffinierten Techniken regelrechte Treibjagden. Neben mehreren Zahnwalen ist dieses Verhalten auch bei Buckelwalen zu beobachten.

Sie schließen sich zu losen Gruppen von zehn bis 15 Tieren zusammen, tauchen unter Fischschwärme und halten diese durch einen Schleier aus Luftblasen zusammen. Ist beispielsweise ein Makrelenschwarm dann auf engstem Raum zusammengetrieben, ist das Fressen für die Meeresgiganten nur noch ein Kinderspiel.

Belugas: "Kanarienvögel der Meere"

Ob oder inwieweit sich Wale bei der gemeinsamen Jagd verständigen, ist noch unklar. Wale verfügen auf jeden Fall über vielfältige Kommunikationsmittel. Sie verständigen sich vor allen Dingen über Geräusche, die sie selbst hervorbringen oder durch Flossenschläge auf die Wasseroberfläche.

Zahnwale produzieren zwei verschiedene Arten von Tönen: Pfeiflaute und Klicks im Ultraschallbereich. Sie dienen nicht nur zur Verständigung, sondern auch zur Orientierung mittels Echoortung. Speziell die Belugas sind für ihre variantenreichen Schrei-, Zirp- und Quietschtöne bekannt, weswegen sie auch als "Kanarienvögel der Meere" bezeichnet werden.

Wale kommunizieren über Tausende von Kilometern

Bartenwale stoßen andere, wesentlich tiefere Töne aus als die meisten Zahnwale. Die Rufe der ganz großen Bartenwale liegen für den Menschen im unhörbaren Infraschallbereich. Die Rufe der Grönland-, Finn- und Blauwale können im Wasser an die 180 Dezibel Lautstärke erreichen.

Mit diesen lauten Rufen können sich die Tiere über Tausende von Kilometern verständigen. Das ist angesichts der weiten Meeresgebiete, die die Tiere durchwandern, auch sinnvoll.

Einige Forscher glauben, dass die großen Bartenwale früher über den gesamten Globus miteinander kommunizieren konnten, bevor sie durch den immer lauter werdenden Lärm der Menschen gestört wurden.

Walgesang nur für Weibchen?

Buckelwale stoßen nicht nur kurze Laute aus, sondern kommunizieren auch über zusammenhängende, bis zu mehrere Stunden andauernde Melodien.

Diese "Gesänge" gehören zu den komplexesten Kommunikationsformen im Tierreich. Die Gesänge bestehen aus mehreren variierenden Teilstrophen, Strophen und größeren Themen. Alles zusammen ergibt ein Lied, das die Buckelwale mehrmals wiederholen.

Warum die Buckelwale singen, ist bis jetzt ein Rätsel. Da die Gesänge ausschließlich von Männchen zur Paarungszeit stammen, glauben Forscher, dass sie damit vielleicht Weibchen anlocken oder sich mit Konkurrenten abstimmen.

Unterwasseraufnahme eines Buckelwals

Warum Buckelwale singen, ist ein Rätsel

Orcas mit Karateschlag

Einige Walarten scheinen ihren Nachwuchs nicht nur aufzupäppeln, sondern auch regelrecht zu erziehen. Vor der australischen Küste schützen einige Delfine ihre Jungen beim Wühlen am Grund zunächst mit einem Schwamm vor der Schnauze vor den Stacheln von Seeigeln. Danach bringen Delfin-Mütter ihren Jungen bei, wie sie den Schwamm selbst richtig verwenden müssen.

Ganz erstaunliche Lehrstunden konnte die neuseeländische Meeresbiologin Ingrid Visser bei Schwertwalen (Orcas) beobachten. Um eine Robbe von einer Eisscholle zu holen, setzen die Orcas eine raffinierte Technik ein: Ein Tier hält die Scholle in Position, während mehrere andere Orcas parallel darauf zu schwimmen.

Dabei erzeugen sie eine derart kräftige Welle, dass die Scholle ins Schwanken gerät und die Robbe von der Eisscholle gespült wird. Junge Schwertwale lernen diese Tricks von den Erwachsenen.

Die Orcas schrecken auch vor Haien nicht zurück. Regelmäßig erbeuten sie auch große, ausgewachsene Exemplare. Dazu heben sie ihre Schwanzflosse aus dem Wasser und stoßen – wie bei einem Karateschlag – mit der flachen Seite voran von oben mitten auf den Hai, der danach bewusstlos oder zumindest orientierungslos im Wasser treibt.

Auch diese Jagdtechnik lassen die älteren Schwertwale ihre Jungen schon früh an hilflosen, bewusstlosen Haien trainieren.

Dressur: Lernfähige Delfine

Wale geben nicht nur ihr Wissen oder Können in der Gruppe weiter, sondern lassen sich auch hervorragend dressieren. Besonders Delfine können ganz erstaunliche Kunststücke lernen. In Shows schwimmen sie durch Reifen, tanzen, winken und produzieren sogar Luftringe unter Wasser.

Die Tiere scheinen die Kunststücke zumindest nicht völlig unwillig vorzuführen. Einige wild lebende Delfine in Australien laufen nämlich mittlerweile freiwillig auf der Schwanzflosse über das Wasser. Den Trick haben sie von ihrem Artgenossen "Billie" gelernt, der drei Wochen lang zusammen mit dressierten Delfinen in Gefangenschaft verbracht hat.

Auch die US-amerikanische Marine profitiert von der Lernfähigkeit der Delfine. Seit den 1960er-Jahren trainiert sie Delfine und Seelöwen für ganz spezielle Aufgaben. Die Tiere werden darauf abgerichtet, fremde Kampfschwimmer, Taucher und Unterwasserminen aufzuspüren. Im Irakkrieg wurden Delfine sogar schon einmal im Ernstfall zur Minenräumung eingesetzt.

Delfin schaut aus dem Wasser.

Delfine sind sehr lernfähig

Wale und Delfine sind nicht klüger als andere Tiere

Waltiere besitzen außergewöhnlich große Gehirne, der Pottwal sogar das schwerste im ganzen Tierreich. Trotzdem konnten wissenschaftliche Untersuchungen die sprichwörtliche Klugheit von Walen und Delfinen bisher nicht bestätigen. Ihre Riesenhirne sind weniger vernetzt und einfacher aufgebaut als die von Landtieren.

Wale und besonders Delfine können zwar sehr gut dressiert werden. In Tests zum Abstraktionsvermögen – der Basis intelligenten Verhaltens – schnitten sie aber nicht so gut ab. In keinem Bereich waren ihre Leistungen besser als die von Tauben oder Ratten.

Obwohl Wale und Delfine ganz erstaunliche Verhaltensweisen an den Tag legen, sind sie also nicht deutlich klüger einzustufen als andere Tiere. Aber zumindest Delfine scheinen sich ihrer selbst bewusst zu sein, wie ihre Reaktionen auf das eigene Spiegelbild verdeutlichten.

Quelle: SWR | Stand: 25.03.2020, 11:47 Uhr

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