Der Dreißigjährige Krieg

Planet Wissen 28.03.2023 02:57 Min. UT Verfügbar bis 21.01.2027 WDR

Neuzeit

Dreißigjähriger Krieg

1618 begann mit dem Prager Fenstersturz einer der längsten und blutigsten Kriege in Europa. Dabei ging es nur vordergründig um den Kampf zwischen Protestanten und Katholiken.

Von Horst Basting

Europas Machtverhältnisse vor dem Krieg

Am 23. Mai 1618 stürmen protestantische Adlige die Burg von Prag, Sitz des Königs von Böhmen, und werfen kurzerhand die königlichen Statthalter aus dem Fenster. In diesem Anschlag entlädt sich die aufgestaute Wut über die permanente Einschränkung der Religionsfreiheit und die Unterdrückung durch die katholischen Machthaber.

Eine Tat mit weitreichenden Folgen. Zwar kommen die armen Beamten des Königs dank eines Misthaufens unter dem Fenster glimpflich davon, für Europa jedoch führt dieser Sturz zu einem überaus langen und blutigen Krieg.

Denn obwohl zu dieser Zeit eigentlich Frieden im Heiligen Römischen Reich herrscht, gibt es genügend kleinere Konflikte in Europa, die in ihrer Gesamtheit diesen Frieden ernsthaft bedrohen. Das zeigt ein Blick auf die Machtverhältnisse in Europa vor 1618.

Historische Landkarte von Europa nach dem Tod von Kaiser Karl IV, 1378

Jahrhundertelang ist Europa in viele kleine Staaten zersplittert

Das Königreich Spanien etwa ist damit beschäftigt, die abtrünnige Provinz Niederlande zurückzuerobern. Dazu benötigen die Spanier einen Nachschubweg im Westen des Heiligen Römischen Reiches. Für Frankreich bedeutet dies eine große Bedrohung, da die französische Regierung immer noch mit den spanischen Machthabern um die Vorherrschaft in Europa ringt.

Im Ostseeraum wird die traditionelle Vormacht Dänemarks immer mehr vom aufstrebenden Königreich Schweden bedroht.

Ein weiterer Krisenherd besteht in dem immer noch schwelenden Konfessionsstreit im Reich. Seit der Reformation 1517 stehen sich auf einmal zwei Konfessionen gegenüber: Katholiken und Protestanten.

Zunächst regelt der Augsburger Religionsfrieden 1555 die Verhältnisse der Konfessionen. Er wird auch von einer ersten Generation von Fürsten akzeptiert. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts kommt aber eine zweite Generation an die Macht, die ihre Konfession sehr eng auslegt und sehr konfliktbereit ist.

Der Konfessionsstreit bekommt eine neue Dynamik, der alte Frieden gerät immer mehr in Gefahr. Anfang des 17. Jahrhunderts kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen.

Friedensgemaelde von 1655: Augsburger Religionsfrieden zwischen Lutheranern und Katholiken

Der Augsburger Religionsfrieden von 1555

Der Prager Fenstersturz

In Böhmen eskalieren diese Auseinandersetzungen zwischen Protestanten und katholischen Machthabern im Frühjahr 1618. Böhmen ist zu 90 Prozent protestantisch und der Adel will die ungeliebte katholische Herrschaft sowieso loswerden.

Als dann die habsburgische Landesherrschaft die Religionsfreiheit der Protestanten rückgängig macht, die im sogenannten Majestätsbrief zugesichert ist, ist das der Funkenschlag, der den Krieg auslöst. Die Adligen demütigen den böhmischen König Ferdinand II., der gleichzeitig habsburgischer Kaiser ist, indem sie seine Statthalter aus dem Fenster werfen.

Kupferstich: Prager Fenstersturz, 23. Mai 1618

Ein Sturz mit verheerenden Folgen

Für den Kaiser wäre der Verlust Böhmens dramatisch. Seit langem werden die Kaiser von den sieben Kurfürsten gewählt. Dieses Kolleg ist seit der Reformation aber konfessionell gespalten. Brandenburg, Sachsen und die Rheinpfalz gehören zur protestantischen Partei. Auf katholischer Seite stehen drei geistliche Fürsten, die Erzbischöfe von Köln, Trier und Mainz.

Den Ausschlag bei einer Kaiserwahl gibt damit die Stimme Böhmens, das bisher zur katholischen Partei gehört. Würde Böhmen nun protestantisch, wäre die nächste Kaiserwahl verloren. So bleibt dem Kaiser gar nichts anderes übrig, als den Aufstand in Böhmen niederzuschlagen.

Ferdinand II. braucht jedoch Unterstützung, da er finanziell nicht in der Lage ist, diesen Krieg zu führen. Die Spanier und Bayernherzog Maximilian helfen dem Kaiser; in der Schlacht am Weißen Berg 1620 erobern sie Böhmen zurück.

Das Ölgemälde zeigt die Schlacht am Weißen Berg 1620

Nach der Schlacht am Weißen Berg 1620 gehört Böhmen wieder den Habsburgern

Die Ausweitung des Krieges

Die Abhängigkeit des Kaisers von anderen Machthabern führt schließlich dazu, dass sich der Krieg auf Europa ausweitet. Denn natürlich stellen die siegreichen Helfer Forderungen.

Herzog Maximilian von Bayern ist ein radikaler Katholik, ökonomisch geschickt und ein machtpolitisch denkender Mensch. Er fordert vom Kaiser die pfälzische Kurwürde, denn damit bleibt die katholische Mehrheit bei den sieben Kurfürsten gewahrt. Das wiederum bedeutet eine unermessliche Bedrohung für die Protestanten, die eine derartige Machtverschiebung im Reich niemals hinnehmen können.

Der spanische König Philipp IV. verlangt für seine Dienste einen Teil der Pfalz, um sich seinen Nachschubweg in die Niederlande zu sichern. Frankreich kann aber keinesfalls akzeptieren, dass sich die Spanier an ihrer Ostgrenze festsetzen.

Die Lage in Europa verschärft sich, das katholische Lager ist nach der Schlacht am Weißen Berg deutlich gestärkt und die Protestanten wenden sich in ihrer Not an König Christian IV. von Dänemark. Er ist mit seinen immensen Geldmitteln in der Lage, einen Krieg gegen das katholische Lager zu führen. 1629 muss er sich aber geschlagen aus dem Krieg zurückziehen.

Das ist die Gelegenheit für Gustav Adolf von Schweden, 1630 in das Geschehen einzugreifen. Auch die Schweden wollten ein starkes katholisches Lager verhindern, sie hätten aber niemals an der Seite Dänemarks gekämpft.

Frankreich, eigentlich katholisch, schlägt sich aus staatspolitischen Gründen auf die Seite der Protestanten. Der französische König hält sich lange aktiv aus dem Geschehen heraus, unterstützt aber finanziell die Protestanten. Frankreich greift dann 1635 auch aktiv in den Krieg ein.

Grafik: Gustav-Adolf-Gedenkstätte in Lützen

Denkmal für Gustav Adolf von Schweden, der 1632 im Krieg fällt

Die Ausbeutung der Bevölkerung

Dieser Krieg kostet alle beteiligten Nationen viel Geld. Da Kaiser Ferdinand II. an notorischer Geldnot leidet, muss er eine passende Form der Finanzierung finden. Und da kommt ihm Albrecht von Wallenstein sehr gelegen.

Als Christian IV. von Dänemark in den Krieg eintritt, nimmt der Kaiser Wallensteins Angebot an, auf eigene Kosten eine Armee aufzustellen. Wallenstein hat seine eigene Art der Finanzierung. Er führt das sogenannte System der Kontributionen ein.

Wallenstein zwingt alle Bewohner der Gebiete, durch die seine Armee kommt, zur Kasse. Egal ob katholisch, evangelisch, kaiserfreundlich oder kaiserfeindlich: Die Bevölkerung muss zahlen und zwar mit Bargeld.

Das Volk ist derartige Belastungen nicht gewohnt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist es üblich, dass die Kriegsherren die Lasten des Krieges tragen. Die Bevölkerung musste bislang Naturalien liefern, was zumeist schon eine große Belastung bedeutete.

Anfänglich funktioniert das neue System. Je länger der Krieg aber dauert, desto brutaler wird die Ausbeutung, zumal die anderen Kriegsparteien dieses System kopieren. Die Bevölkerung wird ausgepresst wie eine Zitrone; und wenn in einem Gebiet nichts mehr zu holen ist, muss die Armee weiterziehen.

Deshalb sind die Soldaten auch ständig unterwegs. Riesige Karawanen ziehen zum Schrecken der Bevölkerung durch die Lande.

Zeichnung von Jacques Callot: Überfall auf einen Bauernhof

Gräueltaten an der Bevölkerung

Die Schäden des Krieges

Die Folge dieser brutalen Finanzierungsmethode ist unendliches Leid. Die Bevölkerungszahl der Deutschen geht um ein Drittel zurück und erst im 18. Jahrhundert erreicht Deutschland wieder den Bevölkerungsstand von 1618. Deutschland verödet, in manchen Regionen ist die bäuerliche Bevölkerung praktisch ausgestorben.

Allerdings sind nicht alle Regionen gleich betroffen. Besonders trifft es die Regionen, durch die die Armeen ziehen, wie zum Beispiel Norddeutschland, Niedersachsen, Mitteldeutschland, das Gebiet des heutigen Hessen und Bayern. Es gibt aber auch Gebiete an der Peripherie, wie Österreich oder auch Hamburg, die verschont bleiben.

Der Westfälische Friede

1643 endlich kommen Gesandte aus den kriegsführenden Ländern in Münster und Osnabrück zusammen, um einen Frieden auszuhandeln. Doch es wird fünf lange Jahre dauern, bis der Frieden zwischen den vielen verschiedenen Kriegsparteien endlich ausgehandelt ist. Zu Beginn glaubt niemand wirklich an einen Erfolg.

Die Bedingungen sind denkbar ungünstig: Gesandte unterschiedlichster Nationalitäten sitzen zusammen, es muss eine gemeinsame Sprache gefunden werden und das geht über die Mediatoren, die alles übersetzen und dann weitergeben.

Der Krieg geht zwischenzeitlich auch weiter. Das bedeutet: Was heute verhandelt wird, kann morgen schon Makulatur sein, weil sich die Kriegslage komplett geändert hat.

In einem beispiellosen Akt kommt der Friede aber zustande. Dem größten Krieg folgt der größte Friede, denn zum ersten Mal haben die Regierungen gelernt, wie man Friedenskongresse machen kann. Sie haben die Kunst des Friedensschließens gelernt und die europäischen Streitfragen gelöst. Es entsteht eine neue Epoche der Diplomatie.

Holzstich: Der Westfälische Friedensschluss

Ein beispielloser Kraftakt führt zum Frieden

Im Ergebnis bringt der Westfälische Friede das Ende des Krieges und schafft eine Ordnung, in der die Konfessionen in Deutschland wieder zusammenleben können. In Europa wird eine Friedensordnung auf der Grundlage gleichberechtigter Staaten geschaffen. Die Niederlande und die Schweiz bekommen ihre Unabhängigkeit.

Die Position des Habsburger Kaisers wird hingegen geschwächt, er bleibt aber Kaiser. Die Macht der Stände wird gestärkt und Deutschland bekommt eine andere Struktur mit einer langen Dauerhaftigkeit.

Spanien verliert seine Machtposition; die Gewinner dieses Krieges sind Frankreich und Schweden. Schweden bekommt Teile des Reiches im Norden und Frankreich Bistümer in Lothringen. Für Frankreich ist der Friede die Basis für seinen späteren Aufstieg.

Der Friedensvertrag von Münster – das Exemplar des Kurfürsten von Sachsen

Der Friedensvertrag von Münster: 30 Jahre und fünf Monate Krieg sind vorbei

Quelle: SWR | Stand: 09.04.2020, 11:20 Uhr

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