Misshandelter Sklave aus den Südstaaten, 1863

Sklaverei

Sklaven für Amerika

Im 16. Jahrhundert entstand ein Handelsnetz, mit dessen Hilfe europäische Staaten systematisch Millionen von Menschen versklavten und zur Arbeit in den amerikanischen Kolonien zwangen.

Von Gregor Delvaux de Fenffe

Sklaverei in der Neuen Welt

Der Handel mit Sklaven und ihr Transport über den Atlantik begann noch vor der eigentlichen Eroberung Amerikas 1492. Bereits 1441 und 1444 verschleppten Menschenhändler mit portugiesischen Schiffen zum ersten Mal Berber und andere Afrikaner nach Südportugal. Damit begann eine der größten Völkerverschleppungen aller Zeiten.

Als die Entdecker und Eroberer dann in Amerika landeten, trafen sie nicht auf unbewohntes Land. Auf dem amerikanischen Kontinent lebte die indigene indianische Bevölkerung.

Zahllose Indianer wurden von den Europäern in den folgenden Jahrhunderten versklavt. Viele starben unter den katastrophalen Bedingungen der Zwangsarbeit in den Minen oder auf den Feldern oder fielen den von den Eroberern eingeschleppten Krankheiten wie Masern, Pocken und Typhus zum Opfer.

Die Todeszahlen waren so hoch, dass in manchen amerikanischen und karibischen Regionen kaum ein Mensch überlebte und ganze Landstriche entvölkert wurden. Im Jahr 1501 erteilten die spanischen Könige Ferdinand von Aragon und Isabella von Kastilien daraufhin den Siedlern der Neuen Welt die Erlaubnis, schwarze Sklaven aus Afrika für die Zwangsarbeit nach Amerika zu verschleppen.

Schnell breitete sich diese Praxis auf sämtliche europäische Kolonien und Inseln in Südamerika, Mittelamerika und in der Karibik aus. Der Verkauf von Menschen wurde ein wichtiges und gewinnbringendes Geschäft.

Zeichnung: Afrikanische Kinder an Bord eines Sklavenschiffes

Afrikanische Kinder an Bord eines Sklavenschiffes

Der Dreieckshandel

Über den Atlantik hinweg entwickelte sich in der Folge ein Handelsverkehr von gewaltigen Ausmaßen im Dreieck von Europa, Westafrika und der Karibik.

Die europäischen Großmächte rüsteten Schiffe aus, beladen mit Waffen, Pulver, Textilien, Pferden, Alkohol, Silber, Tabak, Zucker und Manufakturwaren. Die Schiffe fuhren die westafrikanischen Küsten an, wo sie mit Stammesfürsten die mitgebrachten Waren gegen Sklaven eintauschten.

In einer zweiten Etappe steuerten die mit Sklaven beladenen Schiffe Amerika an, wo die Sklaven in der Neuen Welt zu höchstmöglichen Preisen verkauft wurden.

Die ersten schwarzen Sklaven aus Afrika treffen in Nordamerika ein (im August 1619)

WDR ZeitZeichen 20.08.2014 Verfügbar bis 17.08.2054 WDR 5


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Danach beluden die Kaufleute erneut ihre Schiffe, diesmal mit den begehrten Rohstoffen aus den Kolonien: Tee, Kaffee, Zucker, Baumwolle, Tabak, Gewürze und Edelmetalle. Dann steuerten die Händler wieder den Heimathafen in Europa an.

Dieser transatlantische Sklavenhandel war zugleich ein transnationales Geschäft. Bevor Nationen entstanden, waren es die mächtigen europäischen Monarchien, die das profitable Geschäft mit den Sklaven systematisch förderten: Portugal, Großbritannien, die Niederlande, Frankreich, Spanien, Dänemark, Brandenburg-Preußen und Schweden.

Ausmaße des Sklaventransfers

Der transatlantische Sklavenhandel erstreckte sich über einen Zeitraum von 350 bis 400 Jahren. Trotz des britischen Verbotes 1808 und der Bestätigung dieses Verbotes durch den Wiener Kongress 1815 dauerte er noch bis etwa 1870.

In den fast 400 Jahren der atlantischen Sklaverei kamen etwa zehn bis zwölf Millionen verschleppte Afrikaner lebend in Amerika an.

Vier bis fünf Millionen Sklaven wurden auf die Inseln der Karibik gebracht, 3,5 bis fünf Millionen gelangten nach Brasilien und eine halbe Million Sklaven wurde in die USA verkauft. Doch die Dunkelziffer der systematischen Deportation ist erheblich höher.

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 40 Millionen Afrikaner verschleppt und versklavt wurden. Aber nur jeder Vierte überlebte die Gefangennahme in Afrika, die Torturen der Verschleppung vom Inneren Afrikas an die Küsten und schließlich die grausamen Strapazen der Überfahrt.

Lageplan eines Schiffes mit Ober- und Unterdeck, in dem in Reihen Menschen eingezeichnet sind

Die Sklaven wurden auf den Schiffen eingepfercht

Die verschleppten und verkauften Menschen wurden während der Überfahrt auf den Schiffen auf engstem Raum buchstäblich wie Fracht gestapelt.

Neben psychischen Belastungen litten die Menschen unter medizinischer Unterversorgung, Seekrankheit, Hunger und Durst. Die Sklaven wurden angekettet und geschlagen und mussten in ihren Exkrementen kauern.

Viele von ihnen wurden krank und überlebten die Qualen der Überfahrt nicht. Im ernsten Krankheitsfall oder bei Ansteckungsgefahr wurden sie von der Besatzung oft einfach über Bord geworfen.

Karte, die das Ausmaß der Sklavenverschleppung auf den amerikanischen Kontinent zeigt.

Sklaventransfer in die Neue Welt

Leben in der Sklaverei

Wenn die Sklaven die Überfahrt überlebten, erwartete sie ein ungewisses Schicksal auf den Zuckerrohrfeldern der Karibik, auf den Tabakplantagen Virginias oder den Reisfeldern South Carolinas. Wenn die Sklavenschiffe die amerikanischen Kolonien und Stützpunkte erreichten, wurden die Sklaven durch den Schiffsarzt "aufgefrischt".

Den Sklaven wurde vitaminreiche Kost zugeteilt, Haare und Bart geschnitten und die Körper mit Palmöl eingerieben. Wunden und körperliche Makel wurden übermalt – ein Vorgang, den man "Bleiche" nannte.

Grundsätzlich gab es drei Arbeitsbereiche, in die Sklaven meistbietend verkauft wurden: erstens die rurale Sklaverei, das heißt Sklaven, die in der Landwirtschaft und Plantagenbewirtschaftung eingesetzt wurden. Zweitens die urbane Sklaverei, das heißt Sklaven für den Haushalt, für Handwerksberufe, Hafenwesen und Transportgewerbe. Ein drittes Arbeitsfeld war der Bergbau.

Unwürdige Lebensbedingungen

Die Lebensbedingungen der Sklaven unterschieden sich oft erheblich, sie hingen von Zeit und Ort der Sklaverei sowie vom jeweiligen Herren oder der Herrin ab. Generell stellte die Plantagensklaverei auf den Zuckerrohr- und Baumwollfeldern oft die härteste Erscheinung der Versklavung dar.

Allerdings existierte auf den Plantagen wiederum die fortgeschrittenste Arbeitsorganisation. Zuweilen gab es einen "criollero" – eine Art Kindergarten für Sklavenkinder. Es gab eine medizinische Grundversorgung wie etwa Pockenschutzimpfungen und auch Möglichkeiten der Weiterbildung für treue Sklaven wurden mitunter angeboten.

Doch Gewalt war die Grundvoraussetzung einer Gesellschaft, die zwischen Sklaven und Nichtsklaven unterschied. Sklaven wurden bis zur Erschöpfung ausgebeutet, Misshandlungen und Bestrafungen waren allgemein üblich.

Markieren mit dem Brenneisen, Auspeitschen, Fesselung, Hunger, Durst und Verstümmelung – die Rechtlosigkeit der Sklaven öffnete der Misshandlung Tür und Tor.

Ob und mit wem Sklaven als Paar zusammenleben durften oder mussten, entschied ihr Besitzer. Der hatte grundsätzlich ein ökonomisches Interesse daran, dass seine Sklaven sich "reproduzierten", da in die Sklaverei geborene Kinder automatisch in seinen Besitz übergingen.

Besitzer konnten ihre verdienten und treuen Sklaven aber auch freilassen. Und manchmal gelang es einem Sklaven auch, einen Beruf oder ein Handwerk zu erlernen und mit der Billigung seines Besitzers Geld zur Seite zu legen, um sich eines Tages freizukaufen.

Zeichnung um 1834: Drei schwarze Sklaven treiben eine Zuckerrohrmühle an und walzen damit Zuckerrohr.

Sklaven bedienen eine Zuckerrohrmühle in Brasilien

Afrikanische Sklavenhändler

Wenn die europäischen Sklavenhändler die westafrikanischen Küsten anliefen, dann nahmen sie die Sklaven nicht selbst gefangen. Sie wurden ihnen zugeführt, etwa von afrikanischen Stammesfürsten oder adligen Familien, die vom Sklavenhandel profitierten und das afrikanische Hinterland kontrollierten.

Tatsächlich war die Existenz von Sklaverei, Sklavenhandel und Kriegen in Afrika vor dem Erscheinen der Europäer die Voraussetzung für den atlantischen Sklavenhandel. Keine der europäischen Mächte hätte ohne afrikanische Eliten Zugang zu Sklaven aus dem Inneren Afrikas gehabt oder Sklavenhandel betreiben können.

Bis heute wirkt bei den Menschen in Afrika das Trauma der 400 Jahre dauernden millionenfachen Deportation nach. Durch die Kolonialzeit wurden zuvor vorhandene gesellschaftliche Strukturen zerstört und beispielsweise willkürlich Grenzen gezogen, die dann das Entstehen von korrupten Regimen und Diktaturen erleichtert haben.

Die demografischen und ethnischen Folgen für den leidgeprüften, seiner Menschen beraubten afrikanischen Kontinent sind komplex und Gegenstand der aktuellen historischen und soziologischen Forschung.

Radierung um 1820: Ein afrikanischer Stammesfürst verkauft einem weißen Sklavenhändler eine Gruppe gefangener schwarzer Sklaven.

Sklavenhandel an der Westküste Afrikas

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 23.03.2023)

Quelle: WDR

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