Tom Simpson auf seinem Rad während der Tour de France im Juli 1967.

Doping

Berühmte Dopingfälle

Ob im Radsport, der Leichtathletik oder im Skilanglauf: In fast jeder Disziplin gibt es Athleten, die dank Dopings große Erfolge erzielen – bis der Betrug auffliegt. Vor allem der Radsport sticht mit vielen Doping-Fällen hervor.

Von Kerstin Eva Dreher und Melanie Kuss

Tom Simpson – Tod bei der Tour de France

Der Berg ruft, und bei der Tour de France folgen diesem Ruf jedes Jahr die besten Radfahrer der Welt. 1967 gehört der Engländer Tom Simpson dazu, im Glutofen der Sonne Südfrankreichs kämpft er sich den Mont Ventoux hinauf – und wird es nicht überleben. In seinem Blut befindet sich ein gefährlicher Drogencocktail.

Beim Aufstieg zum Mont Ventoux am 13. Juli 1967 braucht Tom Simpson auf den letzten vier Kilometern zunächst die volle Breite der Straße, fährt Zickzackkurven wie ein Betrunkener – und fällt schließlich wie in Zeitlupe aus dem Rennsattel. Der englische Radrennfahrer stirbt vor laufenden Kameras.

Ärzte finden später in seinem Blut eine fatale Mischung aus Alkohol und Amphetaminen. Tom Simpson ist der erste Dopingtote der Tour de France. Mit ihm stirbt die Illusion von Männern, die sich mit bloßer Muskelkraft über die Berge kämpfen und mit ihm beginnt die Doping-Karriere des Radsports.

Festina – ein gesamtes Radsportteam wird überführt

Falls das berühmteste Etappen-Radrennen zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch von einem Mythos umweht ist – bei der Frankreich-Rundfahrt 1998 wird er endgültig zerstört. Bei der Tour de France 1998 gehen die französischen Justizbehörden gegen das Festina-Team vor. Kapitän Richard Virenque, Axel Zülle, Christophe Moreau und andere Fahrer werden festgenommen.

Insgesamt befinden sich 19 Mitglieder des Festina-Teams in Polizeigewahrsam. Der Grund: Ermittler haben in einem Mannschaftshotel diverse Doping-Präparate gefunden, darunter das Hormon Erythropoietin (EPO).

Später finden Reporter im Müllcontainer eines anderen Hotels ein ganzes Bündel gebrauchter Medikamentenpackungen. Das Festina-Team wird von der Rundfahrt ausgeschlossen, und die Tour de France 1998 macht endgültig klar: Die Benutzung leistungsfördernder Mittel ist ein integraler Bestandteil des Radsports und bringt immer wieder seine gefeierten Helden zu Fall.

Jan Ullrich – bitterer Abschied

2002 gerät Jan Ullrich, Gewinner der Tour de France von 1997, ins Visier der Dopingfahnder. Während er in einer Reha-Klinik eine Knieverletzung behandeln lässt, taucht er ins Nachtleben ein und nimmt in einer Diskothek zwei Tabletten, allem Anschein nach sogenannte Partydrogen, die ihm jemand zugesteckt hatte.

Bei einer Doping-Kontrolle werden Ullrich aufputschende Amphetamine nachgewiesen. Das Bundessportgericht des Bundes Deutscher Radfahrer sperrt ihn für sechs Monate.

Die weitaus schlimmeren Dopingvorwürfe folgen aber vier Jahre später: Kurz vor dem Start der Tour de France 2006 werden Ullrich und 19 weitere Fahrer von der Rundfahrt ausgeschlossen.

Der Grund sind Hinweise, dass Ullrich in den Dopingskandal um den spanischen Arzt Eufemiano Fuentes verstrickt sein soll. Fuentes soll angeblich in einem europaweiten Netzwerk Hunderte Radsportler, Tennis- und Fußballspieler gedopt haben.

2007 erklärt Ullrich seine Radsportkarriere für beendet. Erst 2012 wird der Doping-Vorwurf gegen ihn rechtskräftig. Er wird vom Internationalen Sportsgerichtshof (CAS) schuldig gesprochen und seine Erfolge ab Mai 2005 werden ihm abgesprochen. Erst im Juni 2013 räumt Ullrich zum ersten Mal öffentlich ein, dass er mit Hilfe von Fuentes gedopt hat.

Lance Armstrong und Jan Ullrich auf ihren Rädern bei der Tour de France 2000

Lance Armstrong (Mitte) und Jan Ullrich (rechts) bei der Tour 2000

Lance Armstrong – der Fall des Radsportgotts

Positive Doping-Kontrollen und belastende Zeugenaussagen hatte es immer wieder im Fall Lance Armstrongs gegeben. Doch erst 2012 wird es offiziell: Die Anti-Doping Agency der USA (USADA) klagt Armstrong wegen Dopings an, alle seine Wettkampfergebnisse ab 1998 werden ihm aberkannt und eine lebenslange Sperre verkündet.

Doch Armstrong dementiert weiterhin. Erst im Januar 2013 beichtet der einstige Radgott seine große Sünde – medienwirksam in einem dreistündigen Interview mit der US-Talkerin Oprah Winfrey. Aus der Ikone des Radsports ist einer der größten Betrüger des Spitzensports geworden.

Armstrongs Erfolgsgeschichte war zu gut, um wahr zu sein: Anfang der 1990er Jahre gilt er als einer der Besten bei Eintagesrennen, wird mit 21 jüngster Profi-Straßenweltmeister aller Zeiten.

Bei der Tour de France 1993 gewinnt er zwar eine Etappe, gibt dann aber vorzeitig auf. 1995 erlangt er erneut einen Etappensieg und fährt die Tour zu Ende, als potenzieller Sieger der Bergtour wird er jedoch nie gehandelt.

Dann ein einschneidendes persönliches Erlebnis: Mitte der 1990er Jahre wird bei dem Texaner Hodenkrebs mit einer dreiprozentigen Überlebenschance diagnostiziert. Armstrong kämpft erfolgreich gegen den Krebs und scheint seither übermenschlich.

1999 gewinnt er zum ersten Mal die Tour de France, weitere sechs Siege folgen. Selbst nachdem Mitte der 2000er Jahre die ersten Doping-Vorwürfe gegen ihn laut werden, fährt der Texaner weiterhin auf Erfolgskurs.

Ein ehemals Todgeweihter ist glaubwürdig, wenn er sagt: "Warum sollte ich mich dopen und mein Leben riskieren? Das ist verrückt." Und so bleibt der Texaner noch eine Weile länger die Zentralgestalt des Radsports und ist weit über die Radsportszene hinaus beliebt.

Seine Biografie wird ein Bestseller und die gelben Sympathie-Armbänder für seine Stiftung "Livestrong" verkaufen sich 70 Millionen Mal. Krebskranke hoffen, etwas von seiner Überlebensenergie abzubekommen.

Ein Mensch mit solch einer positiven Energie kann unbeobachtet im Dunkeln agieren: Laut USADA soll Armstrong nicht nur gedopt haben, sondern auch Teamkollegen zu Doping angehalten haben.

Lance Armstrong im Sportdress.

Lance Armstrong bei der Kalifornien-Rundfahrt 2010

Ben Johnson – der schnellste Mann der Welt

Auch unter den schnellsten Läufern der Welt sind einige, die ihren Topleistungen mit verbotenen Mitteln auf die Sprünge helfen. Nur 9,79 Sekunden benötigt der Sprinter Ben Johnson 1988 in Seoul für die 100 Meter. Dem größten Dopingskandal der olympischen Geschichte kann er trotz Weltrekordzeit nicht davonlaufen.

Als der Kanadier zur Siegerehrung aufs Podest steigt, beginnt bereits sein Abstieg. Zwei Tage nach seinem Olympiasieg wird ihm die Einnahme des anabolen Steroids Stanozolol nachgewiesen – ein klarer Fall von Hormondoping.

1989 erklärt sein Trainer, dass Johnson bereits seit 1981 dopt, im selben Jahr gesteht auch der Sportler. 1990 wird die lebenslängliche Sperre gegen Ben Johnson aufgehoben.

Der Sprinter startet 1992 bei den Spielen in Barcelona und scheidet im Halbfinale aus. Im Folgejahr erweist sich Ben Johnson als Wiederholungstäter: 1993 wird er positiv auf Testosteron getestet – und deshalb endgültig lebenslänglich gesperrt.

Der kanadische Sprinter Ben Johnson

Der schnellste Mann der Welt – ein Doping-Wiederholungstäter

Dieter Baumann – rätselhafte Zahnpasta

In den 1990er Jahren ist Dieter Baumann einer der populärsten Leichtathleten weltweit – nicht nur wegen seiner Erfolge, sondern auch wegen seiner Persönlichkeit und seines Engagements gegen Doping.

Umso größer ist die Überraschung, als bei ihm im Herbst 1999 bei Trainingskontrollen 19-NOR-Androstendion nachgewiesen wird, ein Vorläufer des anabolen Steroids Nandrolon. Dieter Baumann macht den Fall öffentlich, startet selbst die Tätersuche und will beweisen, dass ihm ein unbekannter Täter das Mittel in die Zahnpastatube injiziert hat.

Im Juli 2000 spricht ihn ein unabhängiges Schiedsgericht frei, weil es sich um einen Kriminal- und nicht um einen Dopingfall handele. Der Weltverband IAAF sieht das anders, sperrt Baumann mit Verweis auf die positiven Dopingproben für zwei Jahre und verlängert die Sperre um ein weiteres Jahr, nachdem Baumann 2001 bei den deutschen Hallenmeisterschaften startete und dort den Titel über 3000 Meter holte.

Im Januar 2002 ist die Sperre abgelaufen, Dieter Baumann läuft noch bis 2003. Der potenzielle Zahnpastatuben-Attentäter ist bis heute nicht gefunden.

Dieter Baumann beim Zieleinlauf

Olympiasieger 1992: Dieter Baumann

Johann Mühlegg – Gold für Spanien

Er lief und lief und lief – und siegte. Konkurrenten: weit und breit keiner in Sicht. Johann Mühlegg, gebürtiger Allgäuer und nach Differenzen mit deutschen Funktionären für Spanien startend, war in seiner Disziplin der überragende Athlet der Olympischen Winterspiele 2002.

In Salt Lake City gewann er im Skilanglauf das Verfolgungsrennen, die 30-Kilometer-Strecke und war auch über 50 Kilometer nicht zu schlagen.

Nach der dritten Goldmedaille über die lange Distanz wurde er allerdings des Blutdopings überführt. Man konnte Mühlegg den Wirkstoff Darbepoetin nachweisen. Dieser wird gewöhnlich bei Nierenkranken eingesetzt, fördert die Vermehrung roter Blutkörperchen und kann so die Ausdauerleistung erhöhen.

Nach der positiven B-Probe wurde Mühlegg am letzten Wettkampftag von den Spielen ausgeschlossen. Neben dieser symbolischen Strafe wurde er vom Internationalen Skiverband FIS für zwei Jahre gesperrt, die Goldmedaillen wurden ihm aberkannt.

Johann Mühlegg stützt sich erschöpft auf seine Skistöcke

Ausgedopt: Johann Mühlegg

(Erstveröffentlichung 2003, letzte Aktualisierung 16.05.2017)

Mehr bei "Planet Wissen"

Quelle: WDR

Darstellung: