Reiterin auf einem Pferd

Sport

Reiten

Sich auf dem Rücken eines Pferdes fortzubewegen, im Einklang mit der Natur, abseits von vorgegebenen Wegen – auf viele Menschen übt das Reiten eine große Faszination aus.

Von Alexandra Stober

Die ersten Reiter der Geschichte

"Der Reiter erscheint auf dem Schauplatz der Geschichte sozusagen als eine neue Menschenrasse von gewaltiger Überlegenheit: Mit einer Scheitelhöhe von über zwei Metern und einer Bewegungsgeschwindigkeit, welche die des Fußgängers um ein Mehrfaches übertrifft." So beschreibt der Sozialwissenschafter und Ökonom Alexander Rüstow, wie die ersten Reiter vermutlich auf ihre Umwelt gewirkt haben müssen.

Wann und wo die Menschen begannen, sich auf dem Rücken eines Pferdes fortzubewegen, ist wissenschaftlich umstritten. Der älteste Beweis für das Reiten – eine Ritzzeichnung – stammt aus dem Orient und wird auf das Jahr 2800 vor Christus datiert. Einige Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass bereits um 3500 vor Christus Menschen Pferde zum Reiten nutzten.

Wirklich bedeutsam wurde das Reiten um 800 vor Christus: Zu diesem Zeitpunkt begannen die Völker der europäisch-asiatischen Steppe, Pferde als Fortbewegungsmittel im Krieg einzusetzen. Diese frühen Reitervölker – allesamt Nomaden – züchteten Pferde und bildeten kampfbereite Reitertruppen. Die reitenden Krieger waren viel beweglicher als Streitwagen-Krieger und diesen deshalb überlegen.

In den folgenden Jahrhunderten bewegten sich im europäischen und asiatischen Raum die Reitervölker – beispielsweise Skythen, Goten und Assyrer – kriegerisch hin und her.

Frühe Reitvorschriften

Die Idee, das Pferd gezielt zum Reiten auszubilden, entwickelte sich allerdings erst in der griechischen Antike: Der Reiterführer Xenophon, Sohn einer wohlhabenden athenischen Familie, schuf um etwa 370 vor Christus die vollständig erhaltene Reitvorschrift "Über die Reitkunst" ("Peri hippikes"). Ihre ethischen Leitlinien sind noch immer gültig – und das, obwohl sich Xenophons Werk auf die Ausbildung von Kriegspferden bezieht.

Beispielsweise ist es Xenophon wichtig, dass Harmonie zwischen Reiter und Pferd herrscht, welches er als Individuum ansieht. Denn: "Was unter Zwang erreicht wurde, wurde ohne Verständnis erreicht".

Neben dem Krieg begann das Reiten auch im sportlichen Wettkampf eine Rolle zu spielen: So gab es bei den 71. Olympischen Spielen (496 vor Christus) der Antike ein Wettrennen auf Stuten. Auch im Römischen Reich war der Einsatz von Pferden bei den Spielen zur Belustigung des Volkes beliebt.

Gemälde zeigt Wagenrennen bei den Olympischen Spielen der Antike

Pferde wurden bald nicht mehr nur im Krieg eingesetzt

Ritter als neue Oberschicht

Bei den Germanen – deren Hochzeit von etwa 100 vor bis 500 nach Christus datiert – galten Pferde als heilige Wesen. Allerdings gab es bei ihnen keine klassische Reitkunst wie im alten Griechenland oder im antiken Rom. Das Pferd war für die Germanen "ein unentbehrliches Gebrauchstier für den Kampf, für die Fortbewegung, für das ganze Leben", schreibt der Autor Anton Mayer in "Das Reiterbuch".

Im frühen Mittelalter standen sich dann zwei verschiedene Arten des Reitens gegenüber: die leichte Reiterei der Reitervölker, die es in dieser Form inzwischen seit vielen hundert Jahren gab, sowie die schwere Panzer-Reiterei. Deren Ursprung ist in der Regierungszeit des Frankenkönigs Karls des Großen anzusiedeln, der Reiter in gepanzerter Montur im Krieg einsetzte. Diese Krieger wurden als Ritter bezeichnet.

Durch den Einsatz in den mittelalterlichen Kreuzzügen steigerten die Ritter ihr gesellschaftliches Ansehen enorm, es entstand eine neue Oberschicht. Die Bezeichnung Ritter wurde im 12. Jahrhundert zu einer Qualitätsbezeichnung adeliger Personen.

Während dieser Blütezeit des Rittertums war das Turnier ein wichtiges Ereignis. Im 13. Jahrhundert setzte sich die Form des Kampfes durch, die man heute mit Ritterturnieren assoziiert: Die Gegner ritten im Galopp aufeinander zu und versuchten, sich gegenseitig mit Lanzen vom Pferd zu stoßen.

Nachgestellte Szene eines Ritterzweikampfes mit Pferd und Lanze

Turniere waren im Mittelalter ein wichtiges Ereignis

Reitkunst auf dem Vormarsch

Erst im 16. Jahrhundert entwickelte sich die Form des Reitens weiter, wie sie Xenophon propagiert hatte: die Reitkunst. Ausgangspunkt war Neapel, wo sich viele Kunstreiter niedergelassen hatten. Von dort breitete sich die schulmäßige Reitkunst über ganz Italien aus. Es wurden Akademien gegründet, und die Reitkunst bekam einen festen Platz in der Ausbildung adeliger junger Männer.

Der bekannteste Reitmeister dieser Zeit war Federico Grisone, der seine Akademie 1532 in Neapel gründete und rund 2000 Jahre nach Xenophon das zweite grundlegende Werk über die Reitkunst veröffentlichte, in dem es um die Ausbildung von Pferd und Reiter geht. Dieses Lehrwerk, das nicht gerade einen sanften Umgang mit den Tieren propagiert, brachte Grisone den Titel "Vater der Reitkunst" ein.

Sanfterer Umgang mit Pferden

Eine grundlegende Wende in der Reitkunst brachte das 18. Jahrhundert mit sich: Die rohen Methoden im Umgang mit den Pferden wurden endgültig verworfen.

Grundlegend an der Reform in der Reitkunst beteiligt war der Hofstallmeister des französischen Königs, François Robichon de la Guérinière. Er gab 1733 eine methodisch aufgebaute Reitlehre heraus, die noch heute als Grundlage für das Dressurreiten dient.

Der Franzose beeinflusste mit seiner Lehre auch die deutsche Reitkunst: Besonders Ludwig Hünersdorf, Stallmeister und Reitlehrer des württembergischen Königs, griff ab 1791 die Lehren Guérinières auf.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zeigte sich, dass die Reitkunst zu Repräsentationszwecken am Hof keine Zukunft mehr hatte, sondern sich das Reiten an den Bedürfnissen des Militärs orientieren musste.

So wurde der Reitkunst im 19. Jahrhundert ein wenig von ihrer Kunst genommen: Das Militär verlangte vielseitige, geländetaugliche Pferde, sodass bei der Ausbildung besonderes Augenmerk darauf gelegt wurde – und eben nicht darauf, dass sich das Pferd grazil bewegte oder anmutig sprang.

Gemälde: Wilhelm I., Bismarck und andere zu Pferde

Die Ausbildung der Pferde zu militärischen Zwecken wurd immer wichtiger

Das erste deutsche Turnier 1895

Die entscheidenden Impulse zur Weiterentwicklung des Reitens in Richtung des modernen Pferdesports kamen Ende des 19. Jahrhunderts aus England und Irland, wo sich das Bürgertum mehr und mehr für Fuchsjagden und Pferderennen interessierte. An der "Royal Dublin Society" gab es die erste Pferdeschau mit den Disziplinen Springen, Dressur und Military.

In Deutschland entwickelte sich der Turniersport ab dem Jahr 1895, als die "Bayerische Campagne-Reiter-Gesellschaft" ihren ersten Wettkampf veranstaltete. Zwei Jahre später wurde in Berlin der "Deutsche Sportverein" gegründet, der den Pferdesport voranbrachte.

Der Pferde-Turniersport, wie man ihn heute kennt, entstand, als das Reiten Disziplin bei den Olympischen Spielen der Moderne wurde: 1912 gab es die ersten olympischen Reiter-Wettbewerbe – Dressur, Jagdspringen und Military (heute: Vielseitigkeit).

Reiten als Hobbysport

Bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die Turniere von Reitern aus dem Militär dominiert – in der Vielseitigkeit waren beispielsweise nur aktive Offiziere zugelassen. Ab 1945 wurde der Pferdesport dann mehr und mehr von zivilen Reitern beherrscht. Angeregt durch den Turniersport wurde das Reiten in Deutschland auch als Freizeitvergnügen beliebt.

Seit 1973 werden die Interessen der Freizeitreiter von der "Vereinigung der Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland" vertreten, die Lobbyarbeit leistet und sich für den artgerechten Umgang mit den Pferden einsetzt. Der Verein ist nach der "Deutschen Reiterlichen Vereinigung", dem Dachverband für die klassische Dressur- und Springreiterei, der zweitgrößte deutsche Reiterverband.

Frau reitet mit Hund durch blühende Wiese

Für Viele ist Reiten das schönste Hobby der Welt

(Erstveröffentlichung 2009. Letzte Aktualisierung 01.10.2019)

Quelle: WDR

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