Alexander Gerst mit Raumanzug.

Weltraumforschung

Traumjob Astronaut – Der Weg des Alexander Gerst

Viele träumen davon,  Astronaut zu werden und ins Weltall zu fliegen. Aber nur für wenige wird der Traum auch wahr. Sigmund Jähn war der erste, Alexander Gerst ist bis heute der letzte in der Reihe von insgesamt elf deutschen Astronauten.

Von Dr. Michael Hänel

Neugier und Entdeckergeist

Neben Mut und körperlicher Fitness sind auch technisches Verständnis, naturwissenschaftliches Fachwissen und Teamgeist gefragt. Alexander Gerst bringt all diese Qualitäten und Eigenschaften mit.

1976 wird er in Künzelsau geboren. Schon als Kind ist er immer neugierig, natur- und technikbegeistert. Sein Großvater ist Weltraumfan. Kein Wunder, dass der kleine Alexander ihm schnell nacheifert. Bücher seiner Eltern über Vulkane und die Planeten des Sonnensystems wecken früh seinen Entdeckergeist.

Nach dem Abitur studiert Alexander Gerst Geophysik in Karlsruhe und Geowissenschaften in Wellington, Neuseeland. An der Universität Hamburg schreibt er dann von 2005 bis 2010 seine Doktorarbeit über die Eruptionsdynamik des antarktischen Vulkans "Mount Erebus".

Mehrere Expeditionen in extreme Landschaftsbereiche der Erde zeigen schnell, dass Alexander Gerst auch unter entbehrungsreichen und schwierigen Bedingungen arbeiten und leben kann. Grundvoraussetzungen für einen zukünftigen Astronauten.

Alexander Gerst am Antarktis-Vulkan "Mount Erebus".

Alexander Gerst am Antarktis-Vulkan "Mount Erebus" , 2007

Vom Vulkanologen zum Astronautenanwärter

Noch während Alexander Gerst seine Doktorarbeit schreibt, kommt die große Chance. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA sucht neue Astronauten. Im Mai 2008 bewirbt sich Alexander zusammen mit 8412 anderen Interessenten für die Astronauten-Ausbildung. Und dann beginnt ein knapp einjähriges Ausleseverfahren der ESA.

Alle Bewerber müssen zahlreiche fachspezifische Wissenstests, darüber hinaus physiologische, psychologische und medizinische Tests absolvieren. Ein zukünftiger Astronaut sollte heute vor allem auch teamfähig sein und mit Belastungen in extremen Situationen umgehen können.

Alexander Gerst übersteht das Ausleseverfahren und wird im Mai 2009 zusammen mit fünf weiteren Kandidaten der Öffentlichkeit als Astronautenanwärter vorgestellt.

Training und Ausbildung: der lange Weg zum Astronauten

Richtig los geht es dann im September 2009. 15 Monate dauert die Astronauten-Ausbildung. Zunächst im ESA-Astronauten-Zentrum in Köln, dann im "Sternenstädtchen" bei Moskau, schließlich am Johnson Space Center der NASA. 

Auf dem Programm steht Theorieunterricht in Raumfahrttechnik. Der Umgang mit technischen Systemen wie sie an Bord der ISS, des Space Shuttle oder der Sojus-Raumschiffe vorkommen. Daneben auch Sprachunterricht, vor allem Russisch, aber auch Überlebenstraining für eventuell unplanmäßige Landungen weitab von der Zivilisation.

Für die Mission auf der ISS muss Alexander Gerst medizinische Grundkenntnisse erwerben. Die Überwachung der eigenen Körperfunktionen sowie der Umgang mit eventuellen Notsituationen gehören zum Standardprogramm.

In riesigen Schwimmbecken wird unter Wasser die Schwerelosigkeit simuliert. Die Astronauten-Anwärter trainieren in Raumanzügen typische Arbeitsvorgänge, die bei Außenbordeinsätzen im Weltraum vorkommen können.

Es folgen noch zwei weitere Jahre Ausbildung – missionsspezifisch. In der Zeit bis zum Start muss sich Alexander Gerst mit den auf der ISS durchzuführenden wissenschaftlichen Experimenten vertraut machen. Dabei lernt er auch das Trainingscenter der japanischen Raumfahrtagentur JAXA kennen. Am Ende wird Alexander Gerst als Bordingenieur über 160 wissenschaftliche Experimente betreuen.

Alltag auf der ISS

Am 28. Mai 2014 ist es soweit. Sojus TMA-13M bringt in knapp sechs Stunden Alexander Gerst und seine beiden Kollegen Maxim Surajew und Reid Wiseman zur ISS. Schnell wird dort der streng durchgetaktete Arbeitsalltag zur Routine. Früh morgens um 6 Uhr beginnt der Tag auf ISS mit Körperpflege und Frühstück. Dann geht es zu den verschiedenen Arbeitsplätzen.

Das "Forschungslabor ISS" ist ungefähr so groß wie ein Fußballfeld. Da bekommt er die Kollegen oft stundenlang nicht mehr zu sehen. Fester Programmpunkt im Tagesablauf: Fitnesstraining – oft zwei bis drei Stunden lang, um Knochen- und Muskelabbau entgegenzuwirken.

Viel Freizeit gibt es nicht – die letzten Tagesstunden verbringt Alexander Gerst gerne allein in der Cupula, einem Beobachtungsposten, der ihm einen fantastischen Blick auf die Erde ermöglicht. Von dort schießt er die vielen Fotos, mit denen er große und kleine Weltraumfans auf der Erde begeistert.

Außerdem hält er über die sozialen Netzwerke Kontakt zu ihnen. In Sachen Öffentlichkeitsarbeit setzt er für die ESA neue Maßstäbe. Höhepunkt  seiner ISS-Mission: der Außenbordeinsatz. Am 7. Oktober 2014 verlässt er für sechs Stunden in seinem Raumanzug die ISS, um notwendige Reparaturen durchzuführen. Für ihn ein unvergessliches Erlebnis.

Nach 166 Tagen im All und etwa 2500 Erdumrundungen endet am 10. November 2014 die ISS-Mission von Alexander Gerst. Er landet mit einer Sojus-Kapsel wieder wohlbehalten in der Steppe Kasachstans.  

Als Kommandant zurück zur ISS

Wie viele Missionen ein Astronaut absolvieren kann, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Art, Dauer und spezielle Anforderungen der Mission spielen eine Rolle. Ebenso das Alter der Astronauten und ihre physische Verfassung. Im Prinzip kann man auch mit 70 Jahren noch ins All starten.

Es gibt allerdings noch eine ganze Reihe offener Fragen, die gerade vor Langzeit-Missionen zu klären sind. Wie reagiert der Mensch auf kosmische Strahlung? Steigt das Krebsrisiko? Kommt es durch Daueraufenthalte im All zu Veränderungen im Nervensystem, wird zum Beispiel die Augenfunktion beeinträchtigt? Wie reagiert das Immunsystem? Wie überlebt man längere Zeit auf dem Mars?

Orion-Raumkapsel

Mit der neuen Orion-Raumkapsel zum Mars?

Eine Mars-Mission birgt viele Risiken. Aber der Umgang mit Gefahren gehört zum Alltag eines Astronauten. Und für Alexander Gerst ist die Sache klar: Er möchte zum Mars! So schnell wie möglich. Ob und wann es vielleicht klappen könnte, ist zurzeit allerdings völlig offen.

Und bis dahin? Warten auf den nächsten Einsatz auf der ISS. Im Juni 2018 brach er zu seinem zweiten Flug zur Raumstation auf – dieses Mal als Kommandant. Dort führte er etwa 80 Experimente durch, die laut DLR "zu Lösungen für die globalen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Gesundheit, Umwelt und Klimawandel sowie Digitalisierung, Industrie 4.0, Energie und Mobilität von Morgen beitragen" sollten. Mitte Dezember 2018 landete er wohlbehalten wieder auf der Erde.

Quelle: SWR | Stand: 11.07.2019, 13:00 Uhr

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