Im Aufschmelzprozess bildet das Rohstoffgemenge einen Schaum mit großen Blasen, der wie ein Teppich oben auf liegt.

Werkstoffe

Glas

Seit mehr als 5000 Jahren kann der Mensch Glas herstellen. Doch auch davor gab es schon Glas: Es entsteht auf natürliche Weise, wenn durch große Hitze Quarzsand geschmolzen wird, zum Beispiel durch Vulkane oder Blitzeinschläge über sandigen Gebieten.

Von Bärbel Heidenreich

Das älteste menschengemachte Glas

Obsidiane und Tektite heißen solche natürlich entstandenen glasigen Gesteine. Der Steinzeitmensch benutzte sie schon als Schneidewerkzeug.

Wann Glas zum ersten Mal vom Menschen hergestellt wurde, ist nicht genau bekannt. Die frühesten Funde stammen aus der Zeit um 3500 vor Christus aus dem Vorderen Orient. Im zweiten Jahrtausend vor Christus entwickelte sich die Glasproduktion unabhängig voneinander im griechischen Mykene, in Ägypten, in China und in Nordtirol.

Vermutungen legen nahe, dass Glas zufällig beim Brennen der Töpferwaren entstand. War zum Beispiel der Sand besonders kalkhaltig, vielleicht auch ein bisschen Salz im Gemenge und der Töpferofen zu heiß, entstand ein glasartiger Überzug (Glasur) auf der Keramik.

Antike gallisch-römische Glasarbeiten

Antike Glaswaren

Erste Gefäße aus Glas

Um 1500 vor Christus gelang es schließlich, Glas unabhängig von einer keramischen Unterlage herzustellen. Dafür musste das flüssige Glas von 1400 auf etwa 900 Grad Celsius abkühlen. Dann modellierte der Glasmacher das zähflüssige Glas um einen festen Sandkern herum.

Dazu hatte er eine lange Stange, mit der er durch Drehen die Form schuf. Das war eine Kunst, die nur wenige beherrschten. Dünnwandige Formen ließen sich auf diese Weise natürlich noch nicht herstellen, denn Glas zu blasen, war damals noch unbekannt.

Rohstoffe und Schmelzprozess

Die Zusammensetzung der Rohstoffe für die Glasherstellung hinterließ der assyrische König Ashurbanipal auf einer Tontafelbibliothek um 650 vor Christus: "Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen, 5 Teile Kreide – und du erhältst Glas." Sand, Kalk, Soda und Pottasche hieß die Rezeptur später.

Die chemischen Bestandteile waren im Prinzip gleich. Bei 1400 Grad Celsius schmelzen sie zu Glas. Beim Aufschmelzen des sogenannten Gemenges entwickelt sich Schaum mit großen Blasen, der einen Teppich bildet. Danach wird die Masse "geläutert". Das heißt, dass jetzt die restlichen Gase in Form von kleinen Bläschen heraustreten.

Am Ende ist das Glas größtenteils frei von Einschlüssen und Blasen. Bei welcher Temperatur diese verschiedenen Phasen passieren, hängt von den jeweils beigemengten Rohstoffen ab. Heute werden etwa 60 Prozent der rund 90 auf der Erde vorkommenden Elemente bei der Herstellung von Glas eingesetzt.

Technische Neuerungen

Eine technische Revolution war um 200 vor Christus die Erfindung der Glasmacherpfeife in Syrien. Damit ließen sich nun die aufwändigsten Formen gestalten.

Die Pfeife ist ein ein bis eineinhalb Meter langes Eisenrohr mit einem hitzeisolierten Mundstück und einer kleinen Erweiterung am andere Ende, damit die Glasmasse hängen bleibt.

Die Römer verbesserten die Brennöfen, so dass die gute Glasqualität dünnwandige extravagant gefärbte Gefäße und Zwischenvergoldungen möglich machte. Doch mit dem Untergang des Römischen Reiches um 400 nach Christus ging viel technisches Wissen verloren.

Ein Glasbläser formt das Glas mit einer Glasmacherpfeife

Die Glasmacherpfeife brachte den Durchbruch

Im 10. Jahrhundert wurden dann die venezianischen Glaswaren berühmt: reinstes Kristallglas mit unnachahmlichen Glanz. Das Holz, das die Schmelzöfen befeuerte, kam auf Flößen aus den nahe gelegenen Dolomiten.

Die Rezeptur für das überall begehrte Glas wollte man geheimhalten. Deshalb verlegte man die Glashütten nach Murano, einer Insel vor Venedig. Damit hatte man auch das Problem der Feuergefahr für Venedig gelöst.

Außerdem schien die Insel spionagesicher zu sein. Wer die Geheimnisse der Glaskunst verraten würde, sollte mit dem Tode bestraft werden. Das Geheimnis der venezianischen Glaskunst ließ sich aber trotz aller Drohungen nicht lange verheimlichen. So mancher Glasmacher aus Murano floh und versuchte sein Glück jenseits der Alpen, gründete eine Glashütte und arbeitete weiter im venezianischen Stil.

So erklärt sich auch die Tatsache, dass venezianische Motive später zum Beispiel im böhmischen Glas auftauchten. Die Blütezeit des venezianischen Glases ging damit langsam zu Ende.

Vasen, Gläser und Karaffen aus Murano-Glas

Murano-Glas – die höchste Kunst der Glasproduktion

Wanderglashütten und Pottasche

Deutsche Glasmacher ließen sich in den Waldgebieten der Mittelgebirge nieder. Im Spessart, im Thüringer Wald, im Schwarzwald, im Bayerischen Wald, im Fichtelgebirge, Böhmerwald, Erzgebirge und Riesengebirge. Dort fanden sie genügend Brennholz für die Schmelzöfen.

Das Glas war meist grünlich, nicht gefärbt. Das lag an den Rohstoffen, dem Sand und der Pottasche. Buchen- und Eichenstämme wurden verbrannt und die Asche in Gefäßen, den "Pötten" ausgelaugt. Das ergab die Pottasche (Kaliumcarbonat).

War die Gegend abgeholzt, zog man mit der Schmelzanlage weiter. Erst im 17. und 18. Jahrhundert wurden die Glasmacher sesshaft. Glas wurde dekoriert und veredelt. Es bekam Hitzeeffekte, Farbstoffe und Edelmetallauflagen, wurde geschnitten, sandgestrahlt, geätzt und metallhinterlegt.

Schwarzweiß-Holzstich einer alten Glashütte.

Im 17. Jahrhundert wurden Glasbläser sesshaft

Brille kommt von Beryll

Es heißt, der römische Kaiser Nero sei sehr kurzsichtig gewesen. So habe er einen geschliffenen Smaragd als Augenglas benutzt, um die Gladiatorenkämpfe besser beobachten zu können. Das war aber eher ein Einzelstück.

Linsen aus dem Mineral Beryll zu schleifen, war dagegen üblich. Aus der Bezeichnung für dieses Mineralgestein entstand dann das Wort Brille.

Die ersten gläsernen Brillen stellte man in Venedig im 13. Jahrhundert her. Ob die ersten Brillen wirklich die Sicht verbessert haben, ist zu bezweifeln. So gab es noch im 15. und 16. Jahrhundert die Redewendung "jemanden eine Brille verkaufen" oder "jemanden brillen".

Gemeint war damit, jemanden nach Strich und Faden zu betrügen. Ein Brillenverkäufer war der, der jemanden an der Nase herumführte. Wenn Ehefrauen um 1500 ihre Gatten betrogen, "hörnten" sie ihn nicht, sondern sie "brillten" ihn.

Das Glas der Brillen hatte Schlieren, Einschlüsse und Blasen. Optisch einwandfreie Gläser konnte erst 1884 der Chemiker Otto Schott vorweisen, weil er es wagte, alte Glasmacherrezepturen in Frage zu stellen. Er experimentierte mit neuen Rohstoffen und war erfolgreich.

(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 04.12.2018)

Quelle: WDR

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