Frauenhand mit Füller schreibt einen Brief

Werkstoffe

Papier

Die Erfindung des Papiers hatte einen enormen Einfluss auf die Geschichte der Menschheit. Dabei wandelte sich das Papier vom Luxusartikel über ein billiges Massenprodukt bis hin zum Umweltproblem.

Von Vladimir Rydl

Der lange Weg zum Papier

Bevor sich die Kunst der Papierherstellung in Europa verbreitete, wurden Texte vor allem auf Pergament niedergeschrieben. Es bestand aus den enthaarten Häuten von Tieren. Diese wurden gespannt, intensiv geschabt und geschliffen, bis eine beschreibbare Oberfläche entstand.

Durch Abschleifen mit Bimsstein konnte Pergament sogar mehrfach beschrieben werden. Trotzdem war es extrem wertvoll und vor allem religiösen Texten vorbehalten.

Wesentlich preisgünstiger als Tierhäute sind Pflanzenfasern. In China war schon zur Zeit der frühen Han-Dynastie (180 bis 50 vor Christus) die Herstellung von Papier aus Hanf bekannt. Später konnte Papier auch aus Bambusfasern hergestellt werden und Stärke wurde als Leim verwendet, so dass sehr feine Papiersorten geschaffen werden konnten.

Papier gewann in China eine große Verbreitung, da die Nachfrage aus der Verwaltung und aus dem Bereich der Künste sehr groß war. Die Chinesen hielten die Kunst der Papierherstellung bis ins 7. Jahrhundert vor Außenstehenden geheim. Erst dann verbreitete sie sich nach Korea und Japan.

Papier in Europa

Nach Europa gelangte die Papierherstellung durch die Araber, die ihr Reich im 8. Jahrhundert bis nach Spanien ausbreiteten. Zunächst wurde Papier von ihnen nach Europa exportiert, doch im 12. Jahrhundert begannen die Araber mit der Papierherstellung auf spanischem Boden.

Später verbreitete sich die Kunst über Italien auf die anderen europäischen Länder. Auf deutschem Gebiet wurde im Jahre 1390 die erste Papiermühle in Nürnberg eingerichtet und damit eine wichtige Voraussetzung für die Massenproduktion gedruckter Bücher geschaffen.

In Europa musste man mit den hier verfügbaren Materialien auskommen. So bestand Papier bis Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem aus den Fasern von Leinen, Hanf und Flachs (Hadern). Da die wertvollen Rohstoffe zunächst zu Kleidung verarbeitet wurden, entwickelte sich eine erste Recyclingkultur, die der Lumpensammler.

Holzschnitt: Papiermühle in Nürnberg

In Nürnberg entstand die erste deutsche Papiermühle

Nachfragesteigerung durch den Buchdruck

Während des gesamten Mittelalters konnte außer den Priestern und Mönchen kaum jemand in Europa lesen und schreiben. Selbst viele Könige waren Analphabeten. Das umfangreiche Wissen der Antike, das von den Arabern überliefert worden war, blieb nur in wenigen Büchern erhalten.

Diese wurden in Klöstern handschriftlich vervielfältigt und mit kunstvollen Illustrationen versehen. So konnten wenigstens Bruchstücke des Wissens die unruhigen Zeiten überdauern.

Doch die Handschriften waren unermesslich teuer. Wie in Umberto Ecos Roman "Der Name der Rose" eindringlich geschildert, konnte durch den Brand einer einzigen Bibliothek das Wissen einer ganzen Forschergeneration vernichtet werden.

Erst als Johannes Gutenberg etwa um 1445 den Buchdruck mit beweglichen Lettern entwickelte und 1446 der Kupferstich folgte, konnten Schriften auch in größeren Stückzahlen erzeugt werden. Dies erhöhte natürlich auch die Nachfrage nach Papier. So stieg die Zahl der Papiermühlen in Deutschland zwischen 1500 und 1600 von 60 auf 200 an.

Gemälde: Gutenberg und Mitarbeiter in einer Werkstatt

Der Buchdruck veränderte die Welt

Papier als Massenware

Bis ins 19. Jahrhundert blieb die Verwendung von Papier jedoch überwiegend auf Bücher und auf Schreibmaterial beschränkt. Der Verbrauch pro Kopf lag um 1800 in Deutschland bei etwa einem halben Kilogramm.

Dies lag nicht zuletzt auch an dem immer knapper werdenden Rohstoff Lumpen, der eine größere Produktionsmenge gar nicht zuließ. Die Industrielle Revolution konnte erst dann die Papierproduktion ansteigen lassen, als ein alternativer Rohstoff genutzt werden konnte: Holz. Grundlage hierfür war die Erfindung des Sachsen Gottlob Keller. Ihm gelang es 1843, Papier aus Nadelholzfasern herzustellen.

Mit zunehmendem Bildungsgrad der Bevölkerung stieg auch der Papierverbrauch. Zeitungen, Zeitschriften und schließlich auch Verpackungsmaterial ließen den Verbrauch ansteigen. Wissen ist dadurch für jeden erschwinglich und zugänglich geworden. Trotzdem hat der Papierhunger unserer Gesellschaft auch Probleme geschaffen, vor allem für die Umwelt.

Papiermaschine in einer Produktionshalle

Maschinen produzieren heute tonnenweise Papier

Steigende Papierproduktion

1974 betrug der weltweite Papierverbrauch 8,7 Millionen Tonnen, 2018 alleine in Deutschland der Verbrauch von Papier mehr als 20 Millionen Tonnen.

Ein deutsches Kind verbraucht in seinem ersten Lebensjahr bereits so viel Papier wie manch ein Bewohner der Dritten Welt sein ganzes Leben lang nicht. Dieser Vergleich lässt erahnen, wie stark die weltweite Papierproduktion noch ansteigen wird, wenn es Schwellen- und Entwicklungsländer erst gelingt, wirtschaftlich zu uns aufzuschließen.

Trotz umfangreicher Altpapiersammlung ist es nicht möglich, unsere Papierproduktion alleine durch Recycling zu bestreiten. Da die Fasern beim Recyceln immer kürzer werden, muss vor allem bei hochwertigen Papieren, zum Beispiel für Hochglanz-Zeitschriften und grafische Papiere, rund 80 bis 85 Prozent Zellstoff zugegeben werden.

Für die Herstellung von einer Tonne Zellstoff werden aber bis zu 2,5 Tonnen Holz benötigt. Diese stammen in Deutschland zumeist aus skandinavischen und weltweit zumeist aus nordamerikanischen Nadelwäldern. Die in diesen Ländern abgeholzten, teilweise sehr alten Urwälder sind zwar auf immer verloren, werden aber zumindest durch junge Bäume wieder aufgeforstet.

Ein großer, bunt gestrichener Container für Altpapier, Dosen, Weiß- und Buntglas.

Altpapier kann die steigende Papierproduktion nicht aufhalten

Auswege aus dem Überfluss?

Die Holzvorräte der Taiga werden seit dem Zusammenbruch der UdSSR dagegen rücksichtslos ausgebeutet. Ursache für die durch Korruption ermöglichte Vernichtung der Ressourcen: Armut und wirtschaftliche Not stehen ausländischem Gewinnstreben gegenüber. Die abgeholzten Bäume treiben die Flüsse hinab zu den fernöstlichen Märkten.

Ökologisch notwendig ist eine Senkung des Papierverbrauchs. Technische Alternativen gibt es schon länger. Jüngere Entwicklungen wie das E-Book wirken dem schon entgegen. Flächendeckend wird dennoch zu viel Papier verbraucht. Bis zu einer möglichst umfangreichen Digitsalisierung von Daten sollte jeder sein Bestes tun, Papier sparsam zu verbrauchen.

Auslage in einem Zeitungskiosk mitHochglanzzeitschriften

Magazine bestehen nur zu wenigen Prozent aus Altpapier

(Erstveröffentlichung 2003. Letzte Aktualisierung 03.06.2020)

Quelle: WDR

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