
Geschichte der Arbeit
Arbeit 4.0
Intelligente Roboter in der Fabrik, smarte Technik im Büro: Die Digitalisierung verändert die Arbeitswelt in einem nie gekannten Tempo. Vieles, was heute noch von Menschen erledigt wird, übernehmen morgen Maschinen. Feste Arbeitsplätze und -zeiten verlieren an Bedeutung.
Von Kerstin Deppe
Strukturwandel durch Digitalisierung
Diese Entwicklung bietet neue Chancen, birgt aber auch Risiken. Und stellt Beschäftigte und Unternehmen vor ganz neue Herausforderungen: Wer mit dem rasanten Wandel Schritt halten will, muss sich ständig weiterentwickeln und auf geänderte Anforderungen reagieren.
Grundlage und Antreiber dieser Entwicklung ist der technologische Fortschritt. Die Rechner sind schneller und leistungsfähiger geworden, immer mehr Daten können gespeichert und für neue Geschäftsmodelle genutzt werden.
Die Bandbreite der Datenübertragung hat sich vervielfacht. Mobile Geräte wie Tablets oder Smartphones machen es möglich, von überall auf Informationen zuzugreifen.
Durch die stärkere Vernetzung können künftig alle Akteure einer Wertschöpfungskette – vom Rohstofflieferanten über Zulieferer, Fabrik und Handel bis zum Endkunden – direkt miteinander verbunden sein. Gleichzeitig machen moderne Verfahren wie der 3D-Druck manche herkömmlichen Fertigungsmethoden überflüssig.
Von der Industrie 1.0 zur Industrie 4.0
Das Schlagwort für diese Entwicklung lautet "Arbeit 4.0". Es nimmt Bezug auf die Industriegeschichte und die ersten drei Revolutionen, die die Arbeitswelt und die Gesellschaft nachhaltig verändert haben.
Industrie 1.0
Mit der Dampfmaschine startet Ende des 18. Jahrhunderts die erste industrielle Revolution. Sie geht von Großbritannien aus und erfasst später ganz Europa. Maschinen ersetzen zunehmend die menschliche Arbeit; die durch Kolben erzeugte mechanische Energie wird zum Antrieb für Lokomotiven und die beginnende Textilindustrie. Da für die Verbrennung viel Kohle benötigt wird, wird auch der Bergbau immer wichtiger.

Die Dampfmaschine ermöglichte die erste industrielle Revolution
Industrie 2.0
Anfang des 20. Jahrhunderts beginnt mithilfe elektrischer Energie die arbeitsteilige Massenproduktion. 1913 startet Henry Ford mit der Fließbandfertigung von Automobilen und der Unterteilung der Produktion in einzelne, spezialisierte Arbeitsschritte. Zu Beginn wird noch von Hand montiert, später werden aus Kostengründen immer mehr Prozesse automatisiert.

Zu Beginn der Massenproduktion wird noch von Hand montiert
Industrie 3.0
Ende der 1970er Jahre revolutioniert der Computer die Arbeitswelt. Erfunden hatte ihn Konrad Zuse schon 1938, doch zunächst war er als teures Spielzeug verlacht worden. Jetzt beginnt der Siegeszug der Elektronischen Datenverarbeitung, kurz EDV.
Banken und Versicherungen setzen Textverarbeitungssysteme ein und nutzen Computer für Berechnungen, in die Werkshallen ziehen computergestützte Roboter ein. Schwierige und gefährliche Arbeiten wie Stanzen oder Schweißen werden seitdem von Automaten erledigt, mit einer für Menschen unmöglichen Präzision.

Roboter übernehmen die Arbeit von Menschen
Industrie 4.0
Kernelement der vierten, zur Zeit laufenden industriellen Revolution ist eine Verknüpfung von Produkten und Prozessen über das Internet. Anders als früher werden jetzt nicht mehr nur Systeme innerhalb einer Produktionsstätte miteinander vernetzt, sondern entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Vergleichbar mit sozialen Netzwerken tauschen intelligente Maschinen und Fertigungsteile untereinander und mit Menschen Informationen aus, um sich selbstständig zu organisieren und Abläufe und Termine zu koordinieren.
Kollege Roboter
Roboter gehören in vielen Branchen längst zum Alltag. In der Automobilindustrie beispielsweise lag der Automatisierungsgrad im Karosseriebau bereits 2013 bei 98 Prozent.
Doch mit der Arbeit 4.0 ändert sich das Verhältnis von Mensch und Maschine: Die moderne Generation von Robotern ist klein und wendig, sie reagiert auf ihre Umgebung und ist sogar lernfähig. Anders als früher müssen diese stählernen Kollegen nicht mehr hinter Gitter, sie arbeiten mit dem Menschen Hand in Hand.
Das eröffnet ihnen neue Einsatzfelder und macht den Menschen an vielen Stellen überflüssig, etwa da, wo der Roboter ihm körperlich anstrengende oder monotone Arbeiten abnimmt. Der Mensch wird vom Arbeiter immer mehr zum Erfahrungsträger und Entscheider, der die Produktionsabläufe steuert und überwacht.
Flexibilisierung der Arbeitsabläufe
Nicht nur in der Fabrik ändert sich die Arbeit. Die Digitalisierung hat längst alle Branchen erreicht. Beispiel Büro: Durch die digitalen Kommunikations- und Informationstechnologien können Beschäftigte zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten arbeiten, auch zusammen in einem Team oder an einem Projekt.
Arbeitszeiten und Arbeitsorte werden flexibler. Das kann es zum Beispiel für Eltern einfacher machen, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Es besteht aber auch die Gefahr, dass die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit immer weiter verschwimmen und es aufgrund der ständigen Erreichbarkeit kaum noch Erholungs- und Ruhephasen gibt.

Die Grenzen zwischen Beruf und Freizeit können immer weiter verschwimmen
Lebenslanges Lernen
Kostet die Digitalisierung Arbeitsplätze – oder schafft sie neue? Das lässt sich heute noch nicht absehen. Experten gehen jedoch davon aus, dass es erhebliche Verschiebungen geben wird.
Vor allem leichte Arbeiten werden wegfallen, während es in Bereichen, die eine höhere Qualifikation erfordern, einen steigenden Bedarf an Fachkräften geben wird. Das betrifft zum Beispiel die Programmierung oder die Überwachung von Maschinen.
Fest steht: Wer sich auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft behaupten will, muss bereit sein, sich ständig weiterzuentwickeln und auf neue Anforderungen einzustellen.
Arbeit 4.0 bedeutet lebenslanges Lernen – wenn es sein muss, bis ins hohe Alter: Weil die Arbeit körperlich weniger anstrengend ist und virtuelle Assistenzsysteme wie Datenbrillen geistige Arbeit unterstützen, können Menschen künftig länger im Berufsleben stehen als heute.
Quelle: SWR | Stand: 09.04.2019, 07:50 Uhr