Modell von einer Gruppe Geschäftsmänner und ein Außenstehender.

Geschichte der Arbeit

Arbeiten, um zu leben?

Wir definieren uns über unseren Beruf, ein Leben ganz ohne einen Job kann sich kaum jemand vorstellen. Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Arbeit unser Leben bestimmt. Und ohne Arbeit wird man schnell zum gesellschaftlichen Außenseiter.

Von Katharina Bueß

Die Firma als Familie

Für die meisten Menschen in Deutschland ist die Arbeit die Grundlage ihrer Existenz. Darüber hinaus gibt uns unsere Arbeit Wertschätzung, Selbstverwirklichung, Bestätigung und das Gefühl, dazuzugehören. Aber Arbeit kann auch belasten und krank machen.

Firmen suchen heute in der Regel nach hoch motivierten und flexiblen Mitarbeitern – und finden sie. Manager treiben ihre Teams zu Höchstleistungen an, es profitieren meist die Aktionäre. Die Unternehmenskultur ist zunehmend emotional geprägt.

Große Konzerne statten ihre Büros aus wie Abenteuerspielplätze. Man darf in Sofaecken entspannen, Fitnesskurse buchen oder sich mal eben den Nacken massieren lassen.

Für viele Mitarbeiter wird das Unternehmen zum Familienersatz und Sinnstifter, dem sie gerne ihre Zeit opfern. Mit flexiblen Arbeitszeiten und Home-Office-Tagen kommen die Chefs ihren Mitarbeitern zusätzlich entgegen.

Die Innenaustattung eines ICE 3 der Deutschen Bahn, mit Laptop auf einem der Tische

Flexibel arbeiten – möglich durch Laptops

Mehr Freiheit, weniger Sicherheit

Besonders im Kreativ-Bereich brauchen viele Selbstständige gar kein eigenes Büro mehr. Sie haben ihren Laptop immer dabei und sind von unterwegs aus einsatzbereit. Und sie hangeln sich von Projekt zu Projekt, von Auftrag zu Auftrag.

Die neuen Arbeitsmodelle versprechen neue Freiheiten, aber kaum noch Sicherheit. Hatten vor etwa 20 Jahren noch rund acht Prozent der um die 30-Jährigen einen befristeten Arbeitsvertrag, so sind es heute mehr als doppelt so viele. Bei Neuanstellungen ist heute fast jeder zweite Vertrag befristet.

Das Schreckgespenst der Arbeitslosigkeit ist allgegenwärtig. In Zeiten der Globalisierung und internationalen Konkurrenz rutschen viele in die altbekannten Mühlen des Billiglohnsektors. Die Folge: Viele Menschen benötigen gleich mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen.

In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Zahl der Nebenjobber hierzulande verdreifacht. Mehr als drei Millionen Menschen verdienen sich neben dem Hauptjob noch etwas dazu.

Wachsender Leistungsdruck

Dazu kommt, dass in vielen Firmen immer weniger Mitarbeiter immer mehr Arbeit leisten sollen. Zeit- und Leistungsdruck, Stress, Entfremdung, E-Mails rund um die Uhr und Anrufe vom Chef auch nach Feierabend: All das kann auf Dauer krank machen, psychisch und physisch.

Besonders, wenn es zugleich an Wertschätzung mangelt. Der Verbrauch an Antidepressiva hat sich in Deutschland seit dem Jahr 2000 verdoppelt.

Auch Arbeitslosigkeit ist ein Risiko für die Gesundheit und kann einsam, krank und depressiv machen.

Sogar auf Kinder ist der Leistungsdruck hoch: Kitas bieten Mandarin-Kurse an, Grundschulen vermitteln "Social Skills": Schon die Kleinsten werden auf die Arbeitsgesellschaft vorbereitet. Vollgepackte Wochenpläne sollen sicherstellen, dass sie später zu den Gewinnern auf dem Arbeitsmarkt gehören.

Zwei Erzieherinnen studieren mit einer Kita-Gruppe einen traditionell chinesischen Tanz ein

Auch Kinder sind vom wachsenden Leistungsdruck betroffen

Jeder zweite träumt vom Sabbatjahr

Die Mehrheit der Arbeitnehmer ist Umfragen zufolge ganz und gar nicht hochmotiviert und macht im Job nur das Nötigste, also Dienst nach Vorschrift. Jeder sechste hat sogar innerlich schon gekündigt und kann sich überhaupt nicht mit seiner Firma identifizieren.

Rund die Hälfte der Arbeitnehmer träumt von einem Sabbatjahr, von einem Ausstieg aus dem Job auf Zeit. Um Gutes zu tun, Zeit für die Familie zu haben oder zu reisen. Selbstbestimmte Zeit ist in der modernen Arbeitswelt zum Luxusgut geworden.

Raus aus dem Hamsterrad

Viele Menschen versuchen, etwas zu ändern und aus dem Hamsterrad auszusteigen. Sie arbeiten in Teilzeit, um sich mehr um die Familie zu kümmern oder um in der freien Zeit etwas zu tun, was sie sinnvoll finden.

In Städten blühen Tauschringe oder Treffen, bei denen man lernt, kaputte Geräte selbst zu reparieren. Dinge selber machen, statt dafür zu bezahlen, wird in manchen Kreisen zunehmend beliebt.

In Hausprojekten und sogar selbst gegründeten Dörfern finden sich Gleichgesinnte, die anders arbeiten und zusammen leben wollen. Besonders der sogenannten Generation Y, die zwischen 1980 und 1995 geboren wurde, wird nachgesagt, vieles anders machen zu wollen: Sie wollen arbeiten, aber für Ziele, an die sie glauben.

Von ihren Chefs fordern sie mehr freie Zeit, für Freunde und Familie. Denn die sind ihnen laut Umfragen wichtiger als die Karriere, ihnen bedeutet Glück mehr als Geld. Ein Wandel in der Arbeitskultur wäre für viele Menschen wünschenswert.

Eine Familie sitzt am Tisch und spielt ein Brettspiel.

Teilzeit tut dem Familienleben gut

Quelle: SWR | Stand: 12.04.2019, 08:00 Uhr

Darstellung: