Historische Innenstadt von Lauf

Landleben

Flächenverbrauch und Ortskernsanierung

In Deutschland geht die Einwohnerzahl zurück, vor allem auf dem Land. Doch obwohl es in fast allen Dörfern leer stehende und baufällige Gebäude gibt, entstehen täglich neue Wohn- und Gewerbegebiete.

Von Kerstin Deppe

Bevölkerungsrückgang auf dem Land

2019 lebten in Deutschland 83,2 Millionen Menschen. Doch die Zahl der Einwohner nimmt ab: Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass es 2040 2,5 Millionen weniger sein werden, 2050 sogar neun Millionen. Besonders vom Schrumpfen betroffen ist der ländliche Raum.

Experten rechnen damit, dass in 15 Jahren rund 800.000 Menschen weniger auf dem Land wohnen werden als heute. Vor allem in strukturschwachen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, aber auch in Nordhessen, der Eifel oder der Oberpfalz gehen die Bevölkerungszahlen stark zurück.

Neubau trotz Leerstands

Eine Folge: In den meisten Dörfern stehen schon heute viele Gebäude leer. Wohngebäude, alte Bauernhäuser, aber auch ehemalige Schulen, Gasthöfe oder Dorfläden werden nicht mehr genutzt und verfallen. Viele Dorfkerne veröden.

Trotzdem werden auch auf dem Land jeden Tag neue Siedlungs- und Verkehrsflächen ausgewiesen. Dadurch gehen ökologisch wertvolle Flächen verloren. Insgesamt liegt der Flächenverbrauch in Deutschland bei rund 58 Hektar pro Tag (Stand 2017) . Das entspricht einer Fläche von 82 Fußballfeldern.

leer stehender Dorfladen.

Viele Dorfkerne veröden

Flächenverbrauch: Was ist das?

Fläche verbrauchen: Im eigentlichen Wortsinn geht das nicht. Fläche steht uns in einer bestimmten Menge zur Verfügung, in Deutschland sind es knapp 36 Millionen Hektar. Doch immer mehr dieser Fläche wird für menschliche Zwecke in Anspruch genommen, etwa für die Forst- und Landwirtschaft oder Siedlungen und Verkehr.

Diese Inanspruchnahme wird Flächenverbrauch genannt. Und der ist ein Problem, weil jede Flächennutzung Auswirkungen auf die Umwelt hat. Boden ist eine endliche Ressource, mit der der Mensch sparsam umgehen muss, wenn er seine Lebensgrundlage dauerhaft erhalten will.

Die Bundesregierung will deshalb die Fläche, die jeden Tag neu für Siedlungen und Verkehr beansprucht wird, bis zum Jahr 2030 auf 30 Hektar reduzieren. Dieses sogenannte 30-Hektar-Ziel hat sie in ihrer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie von 2002 festgelegt.

Experten bezweifeln jedoch, dass dieses Ziel erreicht wird – auch wenn der Flächenverbrauch für Siedlungen und Verkehr seit Ende der 1990er-Jahre von 130 auf rund 58 Hektar pro Tag gesunken ist.

Flusslandschaft in Niedersachsen.

Freie Flächen werden für die Landwirtschaft genutzt

Problem: Versiegelung der Böden

Die Ausweitung der Siedlungs- und Verkehrsflächen geht vor allem zu Lasten der land- und forstwirtschaftlichen Flächen. Oft ist damit auch eine Versiegelung der Böden verbunden: Die Flächen werden mit Gebäuden oder Anlagen bebaut oder für Straßen, Parkplätze und Gehwege asphaltiert, betoniert, gepflastert oder anderweitig befestigt.

Die Folgen: Auf den Böden kann kein Wasser mehr versickern; dadurch erhöht sich zum Beispiel bei Starkregen das Risiko von Überflutungen.

Die versiegelten Flächen verlieren auch ihre Funktionen für das Kleinklima und können im Sommer keinen Beitrag zur Milderung der Überhitzung in den Städten leisten.

Außerdem zerstört die Versiegelung die natürliche Bodenfruchtbarkeit, die sich erst in langen Zeiträumen wieder herstellen lässt. Für den Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln, aber auch von Energiepflanzen und nachwachsenden Rohstoffen sind fruchtbare Böden jedoch unverzichtbar.

Luftaufnahme einer Dorfsiedlung.

Flächenverbrauch durch Gebäude und Verkehrswege

Infrastrukturen werden weniger rentabel

Eine weitere Folge des Flächenverbrauchs ist die zunehmende Zersiedelung ländlicher Gegenden. Wenn ständig neue Gewerbe- und Neubaugebiete entstehen, braucht man auch immer neue Infrastrukturen, um diese zu erreichen und zu versorgen.

Aber je geringer die Siedlungsdichte, desto weniger sind diese Strukturen ausgelastet und umso höher ist der Aufwand, der pro Einwohner zum Erhalt von Versorgungsleitungen, Kanalisation, Verkehrswegen et cetera betrieben werden muss.

Durch die demographische Entwicklung wird diese Entwicklung zusätzlich verstärkt. Der Flächenverbrauch schadet also nicht nur der Umwelt, er ist auch nicht effizient.

Ortskernsanierung: "Innen vor Außen"

Immer mehr Siedlungs- und Verkehrsfläche für immer weniger Menschen: Um diesen Trend zu stoppen und damit den Flächenverbrauch zu reduzieren, setzt die Politik zunehmend auf eine nachhaltige Siedlungsentwicklung nach dem Prinzip "Innen vor Außen".

Das bedeutet: Statt auf der grünen Wiese neu zu bauen, nutzen die Kommunen ihre bestehenden Flächen besser und schöpfen die Möglichkeiten aus, die Brachflächen, Baulücken und Leerstände im Ortskern bieten.

Das entspricht auch dem Wunsch vieler Bürgermeister und Ortsvorsteher, wieder mehr Leben in ihr Dorf zu bringen. Seit einigen Jahren gibt es überall im Land Projekte und Initiativen, die die Ortskerne aufwerten und aktivieren sollen.

leerstehendes Haus.

Immer mehr Leerstand in der Ortsmitte

Viele Projekte und Modelle

Ein Beispiel: Die Verbandsgemeinde Wallmerod im Westerwald weist seit 2004 keine Neubaugebiete aus und versucht, mit dem Modell "Leben im Dorf – Leben mittendrin" Bauwillige für das Bauen und Renovieren im Ortskern zu begeistern.

Als Anreiz gibt es Zinszuschüsse und eine kostenlose Erstberatung durch Architekten.  Interessierte können in einer Internet-Dorfbörse nach geeigneten Objekten Ausschau halten. Mehr als 150 Familien hat das Angebot bislang überzeugt, inzwischen hat das Modell bundesweit Nachahmer gefunden.

Und auch das Bundeslandwirtschaftsministerium unterstützt die Innenentwicklung von Dörfern und Gemeinden. Im Rahmen des Wettbewerbs "Kerniges Dorf! Umbau gestalten" prämiert es zukunftsweisende Ideen für die Nutzung und Belebung von Ortskernen.

Quelle: SWR | Stand: 18.03.2020, 16:25 Uhr

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