Paprika wird mit Stethoskop untersucht

Landwirtschaft in der Stadt

Faktencheck: Was bringt Stadtgemüse?

Wie stark belasten Blei, Chrom und andere Schadstoffe in der Stadt gezogenes Gemüse? Kann der Stadtacker beim Klimaschutz punkten? Und hat urbane Landwirtschaft das Zeug, den traditionellen Anbau zu ersetzen?

Von Leonie Schmid

Wie biologisch ist Gemüse aus der Stadt?

Gärtnern ohne Gift – diesen Traum hegen viele Menschen beim "Urban Farming", also dem städtischen Obst- und Gemüseanbau. Bio boomt bei den Stadtbauern. Denn viele sind der Meinung: Eine liebevoll mit natürlicher Düngung gepäppelte Tomate ist gesünder als eine, die mit Pestiziden großgezogen wurde. Das klingt zwar logisch, trifft aber nicht immer zu.

Städtische Frischkost muss sich gegen allerlei Feinde wie Blei, Zink, Chrom und Kupfer zur Wehr setzen. Studenten der Technischen Universität Berlin haben untersucht, wie stark Stadtgemüse mit Schadstoffen belastet ist, und präsentieren interessante Ergebnisse.

Demnach kann die viel zitierte gute Berliner Luft unter bestimmten Voraussetzungen äußerst schädlich sein für Gemüse. Denn je näher Beete an stark befahrenen Straßen liegen, desto mehr sind sie durch Schwermetalle belastet.

Also besser Finger weg von Grünzeug, das direkt an einer Straße wächst. Oder wenigstens auf schützendes Gestrüpp zwischen Radieschen und Autos achten.

Wie kann man sich helfen?

Vorbildlich ackern zum Beispiel die Hobbygärtner im Berliner Prinzessinnengarten. Gewissenhaft bemühen sie sich, die abgasgeschwängerte Luft der verkehrsreichen Umgebung von der Gartenidylle abzuschirmen. Acht Meter Freifläche und eine dichte Hecke trennen die Straße von der Stadtoase.

Ratsam im Kampf gegen die Schadstoffe sind außerdem: Hochbeete, Pflanzfolien, Rindenmulch oder das Ausweichen auf robuste Gemüsesorten wie Kürbis, Gurken und Tomaten.

Und vor allem: keine Panik! Englische Forscher und auch manche Stadtbauern hierzulande sehen die Lage sowieso entspannter. Für sie wiegt die Freude am Gärtnern in frischer Luft eventuelle Belastungen mit Schadstoffen auf.

Schützt Stadtgemüse das Klima?

Gemüsebeete, Beerensträucher, Obstbäume, biologisch gesät und geerntet, und das alles mitten in der Stadt. Saisonale Lebensmittel ohne aufwendige Verpackung sparen Ressourcen und schützen das Klima.

Denn durch geringe Entfernungen vom städtischen Garten in die heimische Küche entfallen lange Strecken für den Transport. Je weiter die Reise zum häuslichen Herd, desto höher ist der Ausstoß des klimaschädigenden Kohlendioxids (CO2).

Wegen der kurzen Wege bringt es regionale Frischkost im Schnitt auf 230 Gramm CO2 pro Kilogramm. Bei Früchten und Gemüse, die per Schiff aus Übersee anreisen, ist die Belastung bereits mehr als doppelt so hoch.

Gigantisch ist der Wert für dieselbe Menge Obst und Gemüse, die uns auf dem Luftweg erreicht: Sie setzt durchschnittlich 11.000 Gramm CO2 pro Kilogramm frei, berichtet das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

Zwar scheinen diese Zahlen eine eindeutige Sprache zu sprechen, doch eins ist dabei im Auge zu behalten: Ein Apfel, der in Neuseeland seine Schiffsreise nach Deutschland antritt, kann unterm Strich trotzdem weniger schädlich fürs Klima sein als sein regionaler Artgenosse. Denn dieser braucht bis zu seinem Verzehr oft eine monatelange Kühlung in energieintensiven Kühlhäusern.

Äpfel in Kisten in einem Kühlhaus

Problematisch für die Klimabilanz: Äpfel im Kühlhaus

Macht Gemüse aus der Stadt alle Menschen satt?

Mit den Erträgen von urbanen Äckern eine ganze Stadt ernähren zu wollen, klingt utopisch. Es könnten jedoch deutlich mehr Menschen mit erntefrischer Stadtkost versorgt werden, wenn es nach den Plänen einiger ehrgeiziger Wissenschaftler ginge.

Ihre Vision: vertikale Stadtfarmen in Wolkenkratzern, in denen Gewächshäuser Stockwerk um Stockwerk in schwindelnde Höhen wachsen, bis unters Dach prall gefüllt mit frischen kulinarischen Köstlichkeiten. Doch wegen schwindelerregend hoher Baupreise bleibt diese Idee bisher ein Wunschtraum.

Gemüseanbau vor Wolkenkratzern in Hangzhou, China

Gemüseanbau bald in Hochhäusern statt davor?

Auch ein anderes Projekt ist noch nicht umgesetzt. Auf den Dächern von Büros und Firmen möchte das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) Farmen zwischen Himmel und Erde errichten. Rund 30.000 Hektar dieser Dachflächen stünden laut dem Institut in Deutschland zur Verfügung. Zu wenig Fläche, um alle Stadtbewohner zu ernähren.

Das verdeutlicht ein Vergleich. Denn rund zwölf Millionen Hektar Bodenfläche auf dem Land beackerten deutsche Bauern im Jahr 2012, berichtet das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

Bei der Landwirtschaft in der Stadt steht hierzulande momentan die Freude am gemeinsamen Säen und Ernten im Mittelpunkt. Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

International halten Wissenschaftler urbane Landwirtschaft für eine Möglichkeit, um den steigenden Bedarf an Lebensmitteln zu decken. Denn im Jahr 2050 müssen geschätzt zehn Milliarden Menschen auf der Welt mit Nahrung versorgt werden.

Freiwillige arbeiten auf einem städtischen Bauernhof, der D-town Farm in Detroit

Im Mittelpunkt: das Miteinander beim gemeinsamen Arbeiten

Quelle: SWR | Stand: 23.05.2019, 11:30 Uhr

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