
Organverpflanzung
Religiöse Positionen zur Organspende
Oft nennen Menschen religiöse Gründe, warum sie der Organspende kritisch gegenüber stehen. Doch was sagen die Religionen zu diesem Thema? Dreh- und Angelpunkt ist meist der Aspekt der Nächstenliebe und die Skepsis gegenüber der Hirntod-Definition.
Von Christiane Gorse
Christentum
Die christlichen Kirchen haben zur Organspende positiv Stellung genommen und sagen: Organspende ist ein Akt der Nächstenliebe, der jedem Christen gut zu Gesicht steht. Sich zu Lebzeiten für die Organspende bereit zu erklären und als Angehöriger der Organentnahme zuzustimmen, bewerten die christlichen Kirchen als moralisch verantwortliches Handeln.
Papst Benedikt XVI. ging schon in den 1970er-Jahren mit gutem Beispiel voran und trug lange Zeit einen Spenderausweis bei sich. Erst mit der Wahl zum Papst sei der Spenderausweis ungültig geworden, erklärte der Vatikan 2011, da der Körper des Papstes auch nach seinem Tod intakt bleiben müsse.

Benedikt XVI befürwortete schon früh die Organspende
Islam
Da es im Islam verschiedene Glaubensrichtungen gibt, herrscht kein einheitliches Meinungsbild zum Thema. Traditionell geprägte islamische Würdenträger sind noch heute gegen die postmortale Organspende, da der Körper ihrer Auffassung nach Allah gehört und nicht verletzt werden darf.
Der moderne Islam dagegen erlaubt die Organspende und sieht sie als Zeichen der Nächstenliebe, sofern die Organspende die einzig lebensrettende Maßnahme für den Empfänger bedeutet. Die religiösen Gesetzestexte von verschiedenen islamischen Ländern verlangen wie im deutschen Transplantationsgesetz den festgestellten Tod und die Zustimmung des Spenders oder der Angehörigen.
Auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland hat 1997 zur Organspende Stellung genommen. Demnach ist die Organspende für in Deutschland lebende Muslime mit dem islamischen Prinzip vereinbar.

Der moderne Islam sieht die Organspende als Zeichen der Nächsteliebe
Judentum
Hier kommt es darauf an, ob es sich um liberale oder orthodoxe Juden handelt. Liberale Juden bewerten das Leben höher als die Unversehrtheit des Leichnams. Die Orthodoxen legen dagegen Wert auf einen heilen Leichnam. Ende der 1980er-Jahre gab es eine Änderung in der Lehrmeinung in Bezug auf das Hirntodkriterium.
Gemäß der Halacha, dem rechtlichen Teil der Überlieferung des Judentums war bis dahin das Hirntodkriterium zur Feststellung des Todes nicht ausreichend. Ein Mensch gilt demnach erst als tot, wenn Atmung und Herzschlag ausgesetzt haben. Zwar ist eines der wichtigsten Gebote des Judentums, Leben zu retten, doch nicht auf Kosten eines anderen.
Seit Israels Chefrabbinat die postmortale Organspende Ende der 1980er-Jahre akzeptierte, sind Juden sogar durch ein religiöses Gebot dazu aufgerufen, ihre Organe zu spenden. Selbst einige ultraorthodoxe Juden tolerieren seitdem die Organtransplantation. Auch die Lebendspende, die Blut-, Haut- oder Knochenmarksspende, ist akzeptiert, da dadurch Leben gerettet werden kann.

Das Judentum ist geteilter Meinung
Buddhismus
Der Buddhismus betrachtet den menschlichen Körper als unzertrennbare Einheit aus Körper und Seele. Diese Einheit wird durch den Todesprozess aufgehoben. Gemäß dem buddhistischen Glauben dauert der Todesprozess allerdings länger als äußerlich sichtbar. Vor allem die tibetisch-buddhistischen Anhänger stehen deshalb der Organspende kritisch gegenüber.
Der Tod als prozesshafter Vorgang steht im Widerspruch zu einem festgestellten Todeszeitpunkt bei der Hirntoddiagnostik. Dennoch ist Lebendspende und postmortale Spende von Organen erlaubt.
Denn zu den Grundsätzen des Buddhismus und zu den Voraussetzungen zur Erlangung des Nirwana gehören Mitgefühl, Geben, Teilen und Solidarität. Betont wird dabei, dass der Mensch sich nicht mit seinem Körper identifizieren und sich nicht an ihn klammern soll.

Buddhisten glauben, dass sich der Mensch nicht an seinen Körper klammern sollte
Hinduismus
Die Seele des Verstorbenen wird in einem anderen Lebewesen wiedergeboren. Obwohl im Hinduismus Körper und Seele klar getrennt wahrgenommen werden, herrscht die Meinung vor, dass der Leichnam unversehrt bleiben muss.
Andererseits gibt es eine große Tradition, Leidenden zu helfen. Es gibt aber keine religiösen Bestimmungen zur Organspende. Generell ist dies eine individuelle Entscheidung.

Im Hindusmus ist jedem selbst überlassen, ob er Organe spenden will
Shintoismus
Der Shintoismus und sein zentraler Wert, die Reinheit, prägen die ethische Identität der Japaner. Organentnahmen bei Verstorbenen werden abgelehnt, da sie als Schändung des Leichnams gelten. Nur ein unversehrter Leichnam ermöglicht die Wiedergeburt der Seele.
Darüber hinaus glauben die Japaner, die Zustimmung zur Organentnahme würde der Familie Unglück bringen. Obwohl ein toter Körper Inbegriff der Unreinheit ist und schnell "entsorgt" werden muss, wird der Geist des Toten durch die Ahnenverehrung vergöttlicht. Bezweifelt wird außerdem, dass der Hirntod der tatsächliche Tod des Menschen sei, da nur der Ausfall der Gehirnfunktionen gemessen werde.

Shintoisten lehnen die Organentnahme bei Verstorbenen ab
Konfuzianismus
Im Konfuzianismus, der chinesischen Staatsreligion, steht die gesellschaftliche Bedeutung eines Menschen im Vordergrund. Wenn das Leben eines Menschen seine jeweilige existenzielle Bedeutung für die Gesellschaft verliert, verliert auch der Mensch an Bedeutung. Der Nutzen einer medizinischen Behandlung für den Einzelnen wird mit dem Nutzen für die Gemeinschaft abgewogen.
Die Bereitschaft zur Organspende ist jedoch gering. Denn nach dem Tod ist die Unversehrtheit des Leichnams anzustreben, damit er als "Ganzes" in der Verbrennung dem Himmel übergeben werden kann. Nur bei demjenigen, dessen Verbrechen auch durch den Tod nicht gesühnt werden können, werden Organe entnommen.

Nach der Lehre von Konfuzius muss der Leichnam unversehrt bleiben
Quelle: SWR | Stand: 08.01.2019, 10:06 Uhr