
Kosmetik
Mehr als nur Pflege – was bringt Anti-Aging?
Magnesium soll die Haut glätten, Vitamine die Regeneration ankurbeln, Pflanzenhormone verjüngen. Auch chinesische Heilkräuter sollen überraschende Anti-Aging-Wirkungen für die Haut haben. Viele Kosmetikhersteller begeben sich mit ihren Cremes und Lotionen sogar an die Grenze zur Medizin. Aber wie soll der Verbraucher wissen, ob die Werbung hält, was sie verspricht?
Von Andrea Wengel
Der Alterungsprozess lässt sich etwas verlangsamen
Die schlechte Nachricht zuerst: Altern ist ein biologischer Prozess – und nichts kann ihn aufhalten. Schon gar nicht Cremes, mögen sie auch noch so teuer sein. Auch wenn wir das nicht gerne hören wollen. Die Formel "Schlecht leben, aber dafür eine gute Anti-Faltencreme benutzen" funktioniert leider nicht.
Allerdings lassen sich mit einer geeigneten Pflege, die zum Hauttyp passt, im Zusammenspiel mit einer vernünftigen Lebensweise die Alterungsprozesse etwas verlangsamen.
Immerhin! Doch wie viel genau dieses "Etwas" ist, lässt sich leider nicht sagen. Denn woher soll der Anwender von Kosmetikprodukten schon wissen, wie er oder sie aussehen würde, hätte er sich nicht so gut gepflegt?
In den USA gab es hierzu Untersuchungen mit eineiigen Zwillingen. Jeweils eine der beiden Frauen durfte ihrer Haut ein ausgiebiges Anti-Aging-Programm gönnen. Von Vitamincremes über Fruchtsäuren bis Botox. Ihre Schwester begnügte sich mit dem Basisprogramm, das kaum über eine ordentliche Gesichtsreinigung hinaus ging.
Der Effekt war tatsächlich deutlich sichtbar. Die regelmäßige umfangreiche Pflege bewirkte, dass das Gesicht der einen Schwester frischer aussah und etwas weniger Falten hatte.
Was ist dran an dem, was drin ist?
Schönheit aus der Natur liegt voll im Trend – ob Extrakte aus Aprikose, Ginseng, Shiitake-Pilzen oder Traubenkernen, ob aus Algen oder Pflanzenwasser aus Ingwer, Reis und Bambus, grünem oder weißem Tee.
Viele Cremes enthalten einen ganzen Cocktail an Substanzen. Es ist daher schwierig zu sagen, in welcher Weise die einzelnen Inhaltsstoffe der Hautalterung entgegen wirken.
Um die Effekte einzelner Substanzen zu untersuchen, werden sie Probanden täglich in Cremes aufgetragen. Über sechs Wochen wird der Fett- und Feuchtigkeitsgehalt der Haut gemessen, außerdem werden die Elastizität und die Faltentiefe bestimmt.
Unterm Strich schneiden die Radikalfänger dabei recht gut ab. Gut untersucht sind die Effekte von Vitamin C und E, die in frischen Früchten und in Gemüse zu finden sind.
Diese Substanzen sind in der Lage, die negativen Effekte der UV-Strahlung auf die Haut abzumildern. In Kombination mit Lichtschutzpräparaten schützen sie im Unterhautfettgewebe das Kollagen und das Elastin des Bindegewebes. Außerdem können sie die verstärkte Pigmentierung günstig beeinflussen.
Grüntee – nicht nur zum Trinken
Auch die Wirkung der Inhaltsstoffe aus dem Grüntee ist in Laborexperimenten gut untersucht. Es gibt Hinweise darauf, dass sowohl Radikalfängereigenschaften vorhanden sind als auch günstige Effekte auf das Immunsystem.
Das ist besonders bei intensiver UV-Strahlung vorteilhaft, da sie unser Immunsystem stresst. Außerdem wirken die Polyphenole aus dem grünen Tee entzündungshemmend.

Grüner Tee hat günstige Effekte auf das Immunsystem
Auch Algen haben ihren eigenen Sonnenschutz, das Enzym Photolyase. In Algenextrakten soll das Enzym auch unsere Haut vor Sonnenstrahlung schützen. Die Photolyase ist in der Lage, Schädigungen an der DNA, unserem Erbgut, zu reparieren.
Die Traube ist nicht nur Lieferant für Phytoöstrogene, sondern auch eines sehr starken Radikalfängers. In ihren Kernen befindet OPC, die vielgepriesenen "Oligomere Procyanidine".
Zwar können all diese Stoffe auch in Cremes ihre positiven Effekte entfalten. Allerdings ist es bei einigen dieser Substanzen schwierig, sie in einer Form einzuarbeiten, in der sie auch noch in der Haut wirken können.
Die Vitamine C und E zum Beispiel reagieren beide stark mit Sauerstoff, sind also extrem instabil. Vitamin E wird deshalb in winzige Kapseln verpackt, die sich erst in der Haut auflösen. Auch Vitamin C schafft den Weg in die Haut nur, wenn es mit einer Art chemischem U-Boot befördert wird.
Kampfansage an die kleinen Knitterfältchen
Mittlerweile gelingt es auch, Vitamin A, das sogenannte Retinol, stabil in Cremes einzuarbeiten. Retinol soll den kleinen Knitterfältchen entgegenwirken. Und tatsächlich konnte bei regelmäßiger Anwendung von Retinol und Retinaldehyden eine hautglättende Wirkung gezeigt werden.
Die Substanzen wirken sich positiv auf Kollagen und Bindegewebe aus. Manche Kritiker halten aber die Retinol-Konzentration in den meisten Cremes für zu gering, um die Haut zu glätten. Eine Gratwanderung, denn Retinol und Retinaldehyden reizen in höherer Konzentration die Haut.
Pflanzliche Hormone nutzlos bei Hormonersatztherapie
Die sogenannte Phytohormone sollen die Neubildung von Kollagen ankurbeln. In Tests zeigt sich tatsächlich eine messbare und sichtbare Besserung der Haut: Sie wird straffer und dicker. So haben Phytoöstrogene einen sehr guten Effekt auf Unterhautgewebe, Kollagen-Neubildung und Bindegewebssubstanzen-Neubildung.
Allerdings sind Hormoncremes nicht für jeden geeignet. Die Phytoöstrogene binden an die gleichen Rezeptoren auf der Oberfläche unserer Hautzellen wie die natürlichen Hormone. Wenn diese Rezeptoren zum Beispiel durch eine Hormonersatztherapie schon besetzt sind, können die Phytoöstrogene aus der Creme die gewünschte Wirkung nicht entfalten.
Fruchtsäuren
Fruchtsäuren haben die Eigenschaft, ganz leichte Schwellungen auf der Haut hervorzurufen. Die Haut wirkt dadurch faltenfreier. Nicht zu verwechseln mit einer Fruchtsäurebehandlung ist: Hierbei wird mit einem starken Peeling mittels Fruchtsäure die obere Hautschicht abgetragen. Die neue Haut darunter ist jugendlicher und zarter.
Anti-Aging – alles zu seiner Zeit
Trotz aller wissenschaftlichen Erkenntnisse über Inhaltsstoffe und ihre Wirkung: Falten lassen sich nicht wegzaubern. Spezielle Cremes können aber das Unterhautgewebe stimulieren und vermehren.
Dadurch werden die obere Hautschicht gestrafft und die Falten optisch gemildert. Das Ergebnis ist ein frischeres Aussehen. Diese Wirkung bleibt aber nur, solange wir uns regelmäßig pflegen, und hält höchstens drei Tage an.
Die optimale Pflege sollte auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmt sein. Es macht auch wenig Sinn, die Haut zu früh mit Anti-Aging-Produkten zu bombardieren. Denn die Haut verändert sich und hat mit zunehmendem Alter unterschiedliche Bedürfnisse.
Hier kann der Fachmann helfen und genau bestimmen, was die Haut gerade braucht. Und das muss in der Regel nicht das Teuerste sein, was der Markt zu bieten hat.
Stand: 21.10.2018, 11:00 Uhr