Querdenker-Demonstranten mit einem Plakat auf dem ein Mädchen abgebildet ist.

Verschwörungstheorien

Verschwörungstheorien und ihre Anhänger

Verschwörungstheorien betreffen nicht nur Esoteriker und Spinner. Während der Flüchtlingskrise und der Corona-Pandemie erreichten sie die Mitte der Gesellschaft.

Von Martina Frietsch

Ein Virus macht Verschwörungs-Karriere

Die Corona-Pandemie traf Anfang 2020 die Welt mit Wucht und verunsicherte die Bevölkerung rund um den Globus – der ideale Nährboden für Verschwörungstheorien, die nicht lange auf sich warten ließen.

Die Anhänger solcher Theorien witterten eine Verschwörung (von sämtlichen Regierungen), sie fanden einen Bösewicht (China, wo das Virus herkommen soll), sie lieferten Beweise (Aussagen von Wissenschaftlern und Ärzten, die nichts mit Covid 19 zu tun hatten), sie fanden die Absicht hinter der Verschwörung (Bill Gates will alle chippen und die Weltherrschaft erlangen; die Regierungen wollen alle kontrollieren).

Mann trägt ein weißes T-Shirt auf dem "Gib Gates keine Chance" steht

Eine Verschwörungstheorie besagt: Bill Gates strebt nach der Weltherrschaft

Anstatt sich gegen das Coronavirus zu schützen, protestierten die Menschen zu Tausenden gegen die Schutzmaßnahmen und ab 2021 gegen die Impfungen. Manche unterstellten eine Verschwörung, manche verbreiteten schlicht falsche Informationen – diejenigen, die zu Demonstrationen gegen Maßnahmen und Regierungen aufriefen, hatten leichtes Spiel.

Bereits im März 2020 waren 32 Prozent aller Befragten in 28 Ländern weltweit der Meinung, das Coronavirus sei durch eine ausländische Macht oder eine andere Kraft absichtlich verbreitet worden. Dies ergab eine Umfrage des Gallup-Instituts. Treibende Kraft bei den Demonstrationen waren in Deutschland häufig rechtsgerichtete Parteien oder Gruppierungen.

Bundesweit aktiv wurde die sogenannte „Querdenken“-Bewegung, die der Verfassungsschutz wegen demokratiefeindlicher Bestrebungen unter Beobachtung stellte.  

Krisen machen anfällig für Verschwörungstheorien

Doch warum glauben manche Menschen an eine Verschwörung und andere nicht? Persönliche Krisen, Unsicherheit und das Gefühl der sozialen Ausgeschlossenheit bringt Menschen dazu, an Verschwörungen zu glauben, so eine Studie der Universität Princeton.

Und je stärker Menschen in Zirkeln von Verschwörungsideologen auf Sinnsuche gehen, desto mehr verlieren sie ihre bisherigen sozialen Kontakte zu Familie und Freunden – ein Teufelskreis entsteht.

Das europäische Forschungsnetzwerk COMPACT befasst sich ebenfalls mit den Ursachen: Verschwörungstheorien bieten einfache Erklärungen für komplexe Entwicklungen; sie schließen Zufälligkeiten aus und beseitigen scheinbar Unklarheiten, so das Fazit der Wissenschaftler.

Ebenso finden sie Sündenböcke für Entwicklungen und entlasten gleichzeitig die Verschwörungsgläubigen von jeder Verantwortung. Anfällig für solche Verschwörungstheorien, so das Netzwerk, sind Menschen, die lieber an eine Verschwörung glauben wollen, als zu akzeptieren, dass Dinge eben passieren, ohne geplant zu sein.

Elvis Presley.

Nach einem Verschwörungsmythos soll Elvis Presley nie gestorben sein

Dazu zählt auch, dass beispielsweise der Tod von prominenten Personen nicht akzeptiert wird. So ranken sich Verschwörungstheorien um den Tod von John F. Kennedy, Lady Diana, Marilyn Monroe, Lech Kaczyński; und Elvis soll nie gestorben sein.

Doch die Verschwörungstheorien bieten den Anhängern konstruierter Zusammenhänge noch mehr: Sie fühlen sich einer Gemeinschaft zugehörig und wollen sich mit ihrem "Wissen" von der Masse abheben. Und so wurden schnell nach Beginn der Corona-Pandemie Videos und Texte vermeintlicher Experten geteilt von Leuten, die sich damit rühmten, Spezialwissen zu besitzen.

Medizinisches Wissen wird angezweifelt

Viele Verschwörungstheorien sind eher harmlos. Wer glaubt, dass Elvis noch lebt, oder bezweifelt, dass die Amerikaner je auf dem Mond gelandet sind, richtet mit seiner Meinung selten Schaden an. Gefährlich wird es im medizinischen Bereich: Wer behauptet, das Corona-Virus sei harmlos oder nicht existent, kann Menschen schaden.

Ebenso verhält es sich mit Impfgegnern, die Falschmeldungen zu Nebenwirkungen verbreiten oder der Pharmaindustrie böse Absichten unterstellen. Solche Verdächtigungen kursieren noch lange, nachdem sie widerlegt wurden und werden weiter geglaubt.

Vereinnahmung durch Rechtsgerichtete

Gefährlich kann auch die politische Vereinnahmung werden: Die Verunsicherung vieler Bürger angesichts der Flüchtlinge, die 2014 und 2015 nach Deutschland kamen, machten sich vor allem rechte Gruppierungen und Politiker zunutze. Rechtsextremisten sahen eine Verschwörung zur Vernichtung des deutschen Volks, demokratische Politiker wurden als Völkermörder bezeichnet.

Die Folge von Hetze und Unterstellung waren tätliche Angriffe auf Asylbewerber und Unterkünfte ebenso wie auf Politiker. Geschürt werden solche Verschwörungstheorien durch Politiker, wie sie beispielsweise in der AfD vertreten sind. Hier sprach der Vorsitzende Chrupalla von der "Umvolkung" – ein Begriff, den der Verfassungsschutz der Nazi-Sprache zuordnet.

Die ehemalige Tagesschau-Sprecherin Eva Herman, die aufgrund ihrer Bekanntheit ein großes Publikum erreicht, veröffentlichte einen Text, in dem sie einen Plan hinter dem Flüchtlingszustrom vermutete und einen Feind, zu dem "die Politiker" gehören. Die Anschuldigungen blieben vage, die Verschwörungstheorie war in die Welt gesetzt.

Populistische Parteien griffen häufig zu Verschwörungsrhetorik und ihre Anhänger seien besonders empfänglich dafür, stellt das Forschungsnetzwerk COMPACT fest. Dies lasse sich damit erklären, dass sowohl Populismus als auch Verschwörungstheorien auf Vereinfachungen zurückgriffen.

Menschen bei einer Demonstration; einer hält ein selbstgeschriebenes Blatt Papier mit der Aufschrift 'We are Q" in die Luft.

Die QAnon-Bewegung erreicht auch deutsche Verschwörungsideologen

Auch in den USA ist das rechte Spektrum im Verschwörungsgeschäft aktiv: Nach dem erfundenen "Pizzagate"-Skandal, der in der Wahl 2016 den Demokraten schaden sollte, waren ähnliche Gerüchte auch bei der Präsidentenwahl 2020 wieder im Umlauf, nun mit dem Absender "QAnon" im Internet.

Bisher ist unbekannt, welche Person oder Gruppe dahintersteckt. Klar ist allerdings, dass QAnon unverblümt nicht nur rechte Verschwörungstheorien verbreitet, sondern auch offen Donald Trump unterstützt.

Prominente verbreiten Verschwörungstheorien

Es gibt nur wenige Prominente, die öffentlich Verschwörungstheorien propagieren, aber sie tun dies lautstark. Zu den bekanntesten gehörte einige Zeit der Sänger Xavier Naidoo, der behauptete, die Erde sei eine Scheibe und Kinder würden gefangen gehalten, um aus ihrem Blut Adrenochrom zu gewinnen. In einer Videobotschaft nach Beginn des Ukraine-Kriegs entschuldigte sich Naidoo 2022 dann für seine Äußerungen: Er habe sich in Verschwörungserzählungen verrannt.

Auch Rapper Sido verbreitete die Mär von den entführten Kindern. Vegan-Koch Attila Hildmann und Schlagersänger Michael Wendler polterten gegen angebliche Zwangsimpfungen und gegen sämtliche Corona-Schutzmaßnahmen.

Sozialpsychologin Pia Lamberty hält die Prominenten, die solche Verschwörungstheorien verbreiten, für gefährlich. Denn sie können für besonders schnelle Verbreitung sorgen und Menschen erreichen, die sonst nicht mit den Verschwörungstheorien in Berührung kommen.

Der Umgang mit Anhängern von Verschwörungstheorien

Anhänger von Verschwörungstheorien haben inzwischen viele Menschen auch in der eigenen Familie oder im Freundeskreis. Für den Umgang mit ihnen gibt es nur wenige Tipps. Wer mit Argumenten und Sachlichkeit versucht, eine Verschwörungstheorie zu widerlegen, wird meist scheitern, meint Experte Michael Butter. Denn Studien zeigten, dass Gegenbeweise die Verschwörungs-Gläubigen noch in ihren Ansichten bestärkten.

Helfen könne eine Stärkung der Medienkompetenz – wenn Menschen also lernen, mit Medien umzugehen und Quellen zu beurteilen –, damit Menschen gar nicht erst auf Verschwörungstheorien hereinfallen. Wer diskutieren möchte, ob die Bundesrepublik eine GmbH ist, Angela Merkel ein Reptil und ob Bill Gates uns alle chippen will, sollte nach übereinstimmender Meinung von Experten die innere Logik der jeweiligen Behauptungen hinterfragen.

Wie fanatisch manche Verschwörungsgläubige von ihren Vorstellungen überzeugt sind, zeigt das Beispiel der Bielefeld-Verschwörung: 1994 stellte der damalige Student Achim Held aus Jux einen Text im Stil einer Verschwörungstheorie ins Netz, in dem er "beweist", dass es die Stadt nicht gibt. Der Text sprach sich herum, und immer wildere Mythen rund um Bielefeld kamen dazu.

Dass alles nur ein Ulk war, wollten die Verschwörungsgläubigen einfach nicht wahrhaben. Schließlich wurde es der Stadt zu bunt. 2019 beendete sie den Bielefeld-Jux-Mythos offiziell, da sich niemand fand, der die Nicht-Existenz der Stadt beweisen konnte. Nicht einmal für eine Million Euro.

(Erstveröffentlichung 2010. Letzte Aktualisierung 29.01.2024)

Quelle: SWR

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