Eine Patientin in einem Schlaflabor. In ihrem Gesicht kleben Elektroden.

Schlafstörungen

Polysomnographie – was der Körper im Schlaf preisgibt

Grundlage einer jeden Untersuchung im Schlaflabor ist die sogenannte Polysomnographie. Was dabei gemessen wird und was sich aus den Daten alles ableiten lässt, erklärt im Gespräch mit Planet Wissen Dr. Alfred Wiater, Vorstandsreferent der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM).

Von Frank Drescher

Hirnströme, Augenbewegung und Muskelspannung

Bis zu 14 verschiedene Körperfunktionen können bei der Polysomnographie im Schlaf erfasst werden. Dazu gehören zwei auch aus anderen medizinischen Fachrichtungen bekannte Untersuchungen, nämlich die Hirnstrommessung (Elektroenzephalogramm, kurz EEG) und die Messung der Herzströme (Elektrokardiogramm, kurz EKG).

Andere Messungen dagegen sind eine Spezialität der Schlafmedizin. Hinzu kommen Bild- und Tonaufzeichnungen. Mit ihnen lässt sich dokumentieren, ob die Patienten schnarchen und ob sie sich ständig wälzen oder ihre Füße nicht stillhalten können. Letzteres kann ein Hinweis auf eine schlafbezogene Erkrankung sein.

Das aus der Neurologie bekannte EEG liefert Schlafmedizinern Anhaltspunkte für die Schlafphase, in der sich der Patient gerade befindet. Die Hirnstromfrequenzen verraten, ob sich jemand gerade in der Leichtschlaf-, Tiefschlaf- oder REM-Schlafphase befindet, also jener Phase, die durch schnelle Augenbewegungen (Englisch: „Rapid Eye Movement“) gekennzeichnet ist.

"Das EEG allein würde aber nur ein unvollständiges Bild ergeben", sagt Alfred Wiater. Deswegen wird im Schlaflabor zusätzlich ein EOG erstellt, ein "Elektrookulogramm", also eine Messung der Augenbewegungen, die durch zwei seitlich der Augen angeklebte Sensoren erfolgt.

Fehlt noch eine dritte wesentliche Komponente zur Schlafbestimmung: das Elektromyogramm (EMG), das Aufschluss über die auch Tonus genannte Muskelspannung gibt. Hierbei zeichnen Hautelektroden die Nervenimpulse an der Muskulatur des Kinns und der Unterschenkel auf.

"Die Muskultur muss ja unter Nervenimpulsen stehen, damit sie die Spannung hält. Wenn die Impulse nachlassen, wird der Muskel schlaff", erläutert Alfred Wiater. Mit zunehmender Schlaftiefe schwächt sich der Muskeltonus immer weiter ab, bis er in der REM-Schlafphase völlig erschlafft ist.

"Das bedeutet, dass wir unsere Träume nicht ausagieren können, weil wir wie gelähmt sind", erklärt er. Wobei das nur für die sogenannte Willkürmuskulatur gilt. Unwillkürlich tätige Muskeln wie das Herz oder die für die Atmung zuständigen Muskeln sind von dieser Lähmung natürlich ausgenommen.

Ein Mann liegt schlafend in einem Bett. Er trägt eine Sauerstoffmaske auf der Nase und mehrere Kabel im Gesicht.

In der REM-Schlafphase erschlafft die Muskulatur völlig

Schon bei diesen drei Messgrößen können Somnologen, wie sich Schlafmediziner auch nennen, Ungewöhnliches entdecken: "Bei manchen Menschen hält diese Lähmung über diese Schlafphase an, und dann sprechen wir vom Phänomen einer Schlafparalyse", sagt Alfred Wiater. Betroffene erleben das als bedrohlich, weil sie kurzzeitig die Kontrolle über ihren Körper verlieren.

Eine bedrohliche Situation können aber auch Atemaussetzer im Schlaf hervorrufen. Ebenso gibt es den umgekehrten Fall: Patienten, bei denen sich die Muskelspannung in der REM-Schlafphase nicht reduziert, sind diejenigen, die im Traum um sich schlagen und schlimmstenfalls sich und andere unwillkürlich verletzen.

Das EMG hilft den Somnologen auch, einem sogenannten "Restless-Legs-Syndrom" auf die Spur zu kommen. Von diesem Krankheitsbild Betroffene leiden unter Taubheitsgefühlen, Kribbeln oder Schmerzen in Beinen und seltener auch Armen. Auslöser des Restless-Legs-Syndroms ist eine Störung des Dopaminstoffwechsels im Gehirn.

Gefährliche Atemaussetzer

Bei der Herzfrequenz interessiert Schlafmediziner unter anderem, wie sie sich im Zusammenspiel mit Atmungsbewegungen und Atemfluss verhält – zwei weiteren Körperfunktionen, die im Schlaflabor gemessen werden.

Häufig unterziehen Ärzte ihre Patienten einer Polysomnographie, um herauszufinden, ob sie unter gefährlichen Atemaussetzern im Schlaf leiden, der sogenannten Schlafapnoe. Wer davon betroffen ist, merkt das nämlich oft nicht, obwohl er oder sie davon bis zu 100 Mal kurz wach wird. Manche Patienten, bei denen die Ärzte einen Verdacht auf Schlafapnoe hegen, leiden aber an Herzrhythmus-Störungen, was durch das EKG im Schlaflabor auffällt.

Zur Schlafapnoe-Untersuchung gehört darüber hinaus auch die Messung des Sauerstoffgehalts im Blut. "Beim typischen Verlauf bei Schlafapnoepatienten kann man dann sehr deutlich diese Atempausen sehen, und der Sauerstoffgehalt des Blutes geht dabei kräftig herunter", sagt Alfred Wiater.

Zudem kann die Polysomnographie auch die Frage nach den Ursachen der Atemaussetzer beantworten; im Wesentlichen kommen zwei in Betracht: Liegt es daran, dass der Atemreiz vom Hirnstamm aussetzt? Oder liegt es daran, dass die Atemwege verschlossen sind, aber das Gehirn weiter ordnungsgemäß die Atemmuskulatur zu ihrer Arbeit anregt?

Im letzteren Fall, so Alfred Wiater, "sehen Sie in den Aufzeichnungen dann einen Stillstand im Nasen-Mund-Luftfluss bei fortgesetzten Atmungsbewegungen." Bis zu anderthalb, sogar zwei Minuten kann so ein Atemaussetzer andauern, bis eine Alarmreaktion des Körpers den Betroffenen aufweckt und so den Verschluss der Atemwege löst.

Nahaufnahme: Bei einer Patientin wird der Blutdruck gemessen

Eine Schlafapnoe erhöht das Risiko für Bluthochdruck

Eine Schlafapnoe steht oft auch im Zusammenhang mit Bluthochdruck: "Wir wissen, dass Patienten mit Schlafapnoe ein sehr hohes Risiko für Bluthochdruck haben. Umgekehrt ist bei vielen Patienten mit Bluthochdruck, der medikamentös nicht einstellbar ist, die Ursache dafür eine Schlafapnoe.“ In der Polysomnographie zeigt sich bei solchen Patienten, wie Alfred Wiater beobachtet hat, die erfolgreiche Behandlung einer Schlafapnoe auch durch abnehmende Blutdruckwerte.

Freuds Trugschluss über Erektionen im Schlaf

Sogar die Funktion der Geschlechtsorgane lässt sich mit einer Polysomnographie prüfen. Erektionen etwa, die übrigens auch Frauen im Schlaf ereilen können (und sich durch eine stärkere Durchblutung der Klitoris äußern). Die Erektionen treten während der REM-Schlafphase auf, jener Schlafphase, in der wir auch träumen.

Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hatte einst erotische Träume als Ursache ausgemacht. "Das hält neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen aber bei weitem nicht mehr stand", sagt Alfred Wiater: "Der REM-Schlaf dient dazu, dass der Körper alle vegetativen Funktionen überprüft. Klappt das mit der Herzregulation? Wie ist es mit der Atmung? Wie ist es mit der Sauerstoffversorgung? Und genauso: Wie ist es mit den sexuellen Funktionen?"

Ein erotischer Traum wäre demnach eher ein zufälliges Begleitphänomen dieses Funktionstests. Ursache und Wirkung wären demnach also genau andersherum, als Freud vermutete.

So lässt sich im Schlaflabor auch herausfinden, ob Impotenz bei Männern körperliche oder seelische Ursachen hat. Denn wenn die Erektion auch im Schlaf ausbleibt, deutet das auf eine körperliche Ursache hin.

Quelle: SWR | Stand: 09.07.2019, 15:00 Uhr

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