Frau liegt schlaflos im Bett.

Träume

Interview: Erholsames Schlafen trainieren

Viele Schlafgestörte haben verlernt, sich nachts richtig zu erholen. So hat es unser Studiogast, die Wiener Psychologin Dr. Brigitte Holzinger, beobachtet. Im Interview mit Planet Wissen erzählt sie, wie ein Schlafcoaching in ihrem Institut abläuft.

Von Frank Drescher

Planet Wissen: Was genau ist denn Schlafcoaching, wie Sie es Ihren Klienten anbieten?

Dr. Brigitte Holzinger: Schlafcoaching ist ein Ansatz zur Bewältigung von Schlafstörungen und Schlafproblemen, ohne Medikamente zu verwenden. Auf Basis der gestalttherapeutischen Ideen, integriert unser Ansatz vier Aspekte. Eine Grundannahme gestalttherapeutischen Arbeitens ist, dass unser Denken unsere Emotionen und unser Verhalten bestimmt und wie wir letzten Endes auch körperlich reagieren. Der Erste ist Aufklärung: Wie laufen die Schlafstadien ab, in welchen Rhythmen ist Schlaf optimal und was passiert dabei hormonell. Wir vermitteln also Hintergrundwissen. Unsere Überlegung: Man kann sich am besten selbst helfen, wenn man gut Bescheid weiß.

Dramaturgie der Nacht

Planet Wissen 11.01.2023 02:52 Min. UT Verfügbar bis 10.07.2024 WDR

In welchen Fällen empfehlen Sie ein Schlafcoaching?

Zunächst bei einer Aus- und Durchschlafstörung. Aber wir haben auch schon gesehen, dass zum Beispiel Episoden von "Restless Legs", also der unruhigen Beine, ein bisschen weniger werden, wenn Menschen Schlafcoaching machen. Dann sind Leute zu mir gekommen, die sehr häufig schlafwandeln oder auch Leute, die etwa im Schlaf gegen die Bettkante treten, weil sie die Bewegungen, die sie träumen, auch ausführen – anders, als es normalerweise der Fall ist. Auch da sehen wir, dass sich die Vorfälle verringern, auch wenn wir die Ursachen nicht beseitigen können.

Wie geht es nach der theoretischen Unterweisung weiter?

Mit Training. Das kommt aus der kognitiven Verhaltenstherapie. Die Forschung hat gezeigt, dass die kognitive Verhaltenstherapie hocheffektiv bei Ein- und Durchschlafstörungen ist. Schlaf ist etwas, das ich mir angewöhnt habe oder auch abgewöhnt, wenn ich nicht mehr gut schlafe. Daher kann man sich Schlaf auch wieder antrainieren, etwa durch Schlafbeschränkung. Wir sagen unseren Klienten, dass sie für ein paar Tage die Zeit im Bett auf sieben Stunden reduzieren oder siebeneinhalb statt neun. Wenn man nur siebeneinhalb Stunden im Bett ist, dann erhöht man den "Schlafdruck" und damit auch die Chance auf guten Schlaf.

Heißt das: Jemandem, der immer zu einer festen Zeit aufstehen muss, würden Sie raten, später ins Bett zu gehen?

Genau. Ich habe einmal eine Klientin gehabt, die konnte erst um ein Uhr nachts einschlafen, und sie musste immer um halb acht aufstehen. Sie ging aber schon um 21 Uhr zu Bett. Da fragte ich sie: Warum machen Sie denn das? Sagt sie: Damit ich dann schon da bin, wenn er denn kommt, der Schlaf. Und da kommt er natürlich nicht. Man sollte erst dann schlafen gehen, wenn man müde ist.

Wäre dann auch tabu, dass man im Bett einen Roman liest? Also natürlich nicht auf dem Tablet oder Smartphone wegen des schlafhindernden Bildschirmlichts, sondern auch nicht als Buch aus Papier?

Das kommt drauf an: Viele genießen es, mit einem Buch sich hinzulegen, lesen zwei, drei Seiten und schlummern dann wunderbar ein. Dann sage ich: Bitte, behalten Sie dieses Einschlafritual unbedingt bei. Aber dann gibt es Menschen, die sich so in den Roman einlassen, dass es sie am Einschlafen hindert.

Aber das Training ist noch nicht alles?

Der dritte Faktor wäre die Entspannung. Das ist ja auch die Theorie der Schlafmedizin, dass hinter der Ein- und Durchschlafstörung ein hyper-arousal steckt, also eine durchgehende Angespanntheit. Man hat verlernt, sich zu entspannen und loszulassen. Und dieses Loslassen, die Entspannung, wird geübt. Auch da suchen wir nach den Vorlieben. Der eine meditiert lieber, der andere macht progressive Muskelentspannung, jemand anderer läuft gern, ein vierter mag Massagen.

Abends zur Entspannung noch Sport treiben?

Ja, aber nicht zu spät. Gerade Joggen sollte man nicht zu spät, außer es ist ein gemächliches Joggen. Prinzipiell ist es so, dass Sport auch den Tiefschlaf verbessert – auch, wenn man tagsüber eine halbe Stunde laufen geht.

Und der vierte Faktor?

Das ist die Traumarbeit in allen ihren Facetten. Also: ein Traumtagebuch zu führen, sich aufs Träumen zu freuen, sich mit den Träumen zu beschäftigen, zum Beispiel, wenn man aufgewacht ist in der Nacht und nicht mehr einschlafen kann, vielleicht erinnert man einen Traum von davor und versucht, sich auf diesen Traum einzulassen. Sobald man in diese Welt der Bilder eingetaucht ist, ist man ja eigentlich schon eingeschlafen. Das geht bis hin zur Albtraumbewältigung.

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Planet Wissen 11.01.2023 02:34 Min. UT Verfügbar bis 08.02.2027 WDR

Ist die Traumarbeit beim Schlafcoaching unverzichtbar? Denn manchen Klienten könnte doch schon mit den ersten drei Elementen bis zum Entspannungstraining geholfen sein.

Ganz genau. Uns ist unser gestalttherapeutischer Ansatz wichtig, weil wir uns immer als Partner unserer Klienten fühlen. Wir machen Vorschläge, und der Klient wählt.

Wie lange dauert so ein Schlafcoaching?

Üblicherweise sind nach fünf, sechs Sitzungen Verbesserungen schon da. Wenn nicht, müsste man sich vielleicht einen anderen Ansatz überlegen. Es geht darum, dass man eine Verbesserung auch würdigt als Erfolg, den Teufelskreis, in dem der Klient steckt, zu durchbrechen.

Und die Sitzungen sind dann wöchentlich?

Auch das ist individuell. Aber alle zwei, drei Wochen auf jeden Fall, damit man im Prozess bleiben kann. Meistens sage ich den Klienten einiges in der ersten Sitzung, und dann schlage ich vor, dass sie bis zu drei Wochen anwenden, was man vereinbart hat, und man dann schaut: Was hat geholfen, wo gibt‘s Fragen?

Zahlt das die Krankenkasse?

Das Schlafcoaching ist leider Gottes so etwas wie eine Dienstleistung, die hier in Österreich der Gewerbeordnung unterliegt, daher muss man‘s leider selber zahlen. Es sei denn, man findet einen Psychotherapeuten, der Schlafcoaching anbietet und das im Rahmen der Psychotherapie mit der Kasse abrechnen kann.

Quelle: SWR | Stand: 04.07.2019, 09:00 Uhr

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