Deutschland-Fan schläft auf eienr Parkbank

Fußball-Weltmeisterschaft 2006

Wirtschaftsbilanz nach der Fußball-WM 2006

Viele Wirtschaftsforscher waren sich vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 sicher, dass die deutsche Wirtschaft dadurch einen Aufschwung erleben werde. Neue Arbeitsplätze und ein Umsatzplus für alle Branchen wurden erwartet. Doch die Bilanz fiel etwas anders aus.

Von Marika Liebsch

Fazit Nr. 1: Der WM-Fan konsumierte kaum

Gewinn, Gewinn und noch einmal Gewinn! Der Einzelhandel und die Tourismusbranche freuten sich euphorisch auf das Umsatzplus durch die Fußball-Weltmeisterschaft (WM) 2006 in Deutschland. Ladenöffnungszeiten wurden ausgeweitet und begleitende Kulturveranstaltungen geplant.

Ein Jahr später kamen allerdings die Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig und Florian Hagn von der Universität Hamburg zu dem Ergebnis, dass kein allgemeines Wirtschaftswachstum durch die WM zu verzeichnen war.

Nicht einmal der Einzelhandel konnte profitieren. Die Wissenschaftler verglichen die zwölf WM-Austragungsorte mit 62 deutschen spielfreien Städten. Ihre Erkenntnis: Es gab keine wesentlichen Abweichungen der Arbeitsplatz- und Einkommenssituation und keinerlei Effekte auf die gesamtwirtschaftliche Situation. Im Gegenteil: Manche Betriebe machten in den WM-Monaten Juni und Juli sogar Umsatzverluste.

Zwar kamen rund 1,3 Millionen WM-Touristen nach Deutschland; zudem verzichteten viele Deutsche 2006 auf ihren Urlaub und investierten in die WM zu Hause. Allerdings gab es auch den sogenannten "Couch Potato Effect", der die heimischen Fans hauptsächlich zu Hause vor dem Fernseher hielt und große Investitionen und erhöhten Umsatz verhinderte.

Ein Fußballfan mit roter Mütze steht an einem Verkaufsständer mit Deutschlandfahnen. Dahinter Blick in eine Kölner Einkaufsstraße, auf der sich Fußballfans drängen.

Der erwartete Kaufrausch der Fußballfans blieb aus

Viele regelmäßige Deutschland-Touristen kamen auch gerade wegen der WM nicht. Zahlreiche übliche Sommergeschäfte und Kulturbetriebe machten ein Minus.

Die begleitenden Kulturveranstaltungen zur WM erwiesen sich als Flop, weil sich niemand für die Veranstaltungen interessierte. Auch die Hotels, die mit einer hundertprozentigen Auslastung während der gesamten Weltmeisterschaft gerechnet hatten, stellten fest, dass während spielfreier Tage viele Betten ungenutzt blieben.

Klare Gewinner waren vor allem viele Brauereien und Textilhersteller. Gerade mit dem großem Konsum der schwarz-rot-goldenen Stoffe hatten die wenigsten gerechnet.

Das war bei der vorangegangenen WM in Deutschland 1974 noch anders gewesen. Auch damals hatte Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig die Effekte auf die wirtschaftliche Entwicklung untersucht und einen positiven Effekt auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum festgestellt. Langfristige Arbeitsplätze wurden allerdings auch 1974 nicht geschaffen.

Fahnenmeet aus Schwarz-Rot-Gold

Schwarz-Rot-Gold war im Sommer 2006 gefragt wie nie zuvor

Fazit Nr. 2: Neue Arbeitsplätze gab es nur kurzfristig während der WM

Anfang 2006 präsentierten verschiedene Institutionen aktuelle Studien, die Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze durch die Fußball-WM voraussagten. So auch der "Deutsche Industrie- und Handelskammertag" (DIHK). DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun rechnete damals mit rund 60.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und einem Zusatzwachstum von einem Drittel Prozentpunkt im WM-Jahr.

Die meisten Jobs sollten im Gastgewerbe, in der Sicherheits- und Werbewirtschaft sowie bei Zeit- und Leiharbeitsfirmen entstehen. Jeder dritte der 60.000 neuen Arbeitsplätze sollte der Studie zufolge auch nach der WM bestehen bleiben.

Für die Untersuchung befragte der DIHK mehr als 20.000 Unternehmen aus allen Branchen. Danach erwartete fast jedes sechste Unternehmen in Deutschland (15 Prozent) positive Auswirkungen der WM auf sein eigenes Geschäft. In den Regionen der zwölf Spielstätten war es sogar jedes fünfte.

Nur zwei Prozent der befragten Betriebe befürchteten negative Effekte. Die Bilanz ein Jahr später zeigte, dass es zwar zur WM rund 38.000 saisonale neue Jobs gab. Es wurden allerdings keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, die auch nach der WM bestehen blieben.

Fazit Nr. 3: Es gab auch große Gewinner

Der Kassensturz beim Deutschen Fußballbund (DFB) sorgte für ein Jubelfest. Nach dem überraschenden sportlichen und emotionalen Erfolg konnte auch ein gewaltiges Umsatzplus von 135 Millionen Euro Überschuss gefeiert werden.

Nutznießer waren nicht nur die Verbände selbst, sondern auch alle Austragungsorte und Stadionbetreiber, die anteilig finanziell beteiligt wurden. Zudem profitierten die Städte von nachhaltigen WM-Sanierungsmaßnahmen, wie zum Beispiel Gelsenkirchen vom neuen Hauptbahnhof oder Berlin vom sanierten Olympiastadion.

Blick in das gefüllte Berliner Olympiastadion

Das Berliner Olympiastadion wurde für 242 Millionen Euro saniert

Für den Hauptsponsor Adidas war das Megaereignis ebenfalls ein großer Erfolg. Im WM-Fieber kauften die Fans Trikots, Bälle und Turnschuhe. So füllten sie die Kassen des Sportartikelherstellers. Der Gewinn stieg 2006 um 26 Prozent auf über 480 Millionen Euro.

Besonders erfreulich war, dass auch Bedürftige zu den Gewinnern zählten. Der Weltfußballverband "FIFA" und der "Deutsche Fußball-Bund" (DFB) organisierten anlässlich der WM 2006 eine ganz besondere Spendenaktion: Für jeden Kontinent sollte ein neues SOS-Kinderdorf gebaut werden. Das war die bisher größte Spendenaktion in der Geschichte der SOS-Kinderdörfer.

Darüber hinaus flossen reichlich Spendengelder in die unterschiedlichsten Projekte. Ob durch die Versteigerung des Elfmeter-Spickzettels von Torwart Jens Lehmann für eine Million Euro, die kassierten Strafgelder aller WM-Spiele oder andere Aktionen: Mehrere Millionen Euro kamen in Not geratenen Familien und behinderten Menschen zugute.

Jens Lehmann schaut auf einen Zettel, neben ihm Torwarttrainer Andi Köpke

Der berühmte Zettel von Jens Lehmann wurde für eine Million Euro versteigert

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 12.06.2018)

Quelle: WDR

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