Tatort

Von Ingo Neumayer (WDR)

Wie realistisch ist die Krimiserie?

Wie arbeiten Kommissare? Das Bild, das die meisten Menschen von diesem Beruf haben, ist durch TV-Serien wie "Tatort" geprägt. Allerdings: Was dort geschieht, hat zum Teil wenig mit der Wirklichkeit zu tun. Zum Beispiel die typische Szene, dass der Rechtsmediziner schon neben der Leiche auf den Kommissar wartet. Der Normalfall ist umgekehrt: Der ermittelnde Kommissar begutachtet den Tatort und fordert dann bei Bedarf einen Rechtsmediziner an.

Dass ein Rechtsmediziner als "zweiter Kommissar" ermittelt und Verdächtigen hinterherspürt wie im "Tatort" aus Münster, gehört ebenfalls ins Reich der Legenden. Die meiste Zeit verbringt ein Rechtsmediziner in seinem Labor...

...und das im Gegensatz zur Darstellung im Film auch meist nicht allein. Denn die Strafprozessordnung schreibt in §87 vor: "Die Leichenöffnung wird von zwei Ärzten vorgenommen."

Im "Tatort" dient der Schreibtisch meist nur zum Kaffeeabstellen, bevor der Kommissar ins Auto springt. Die Realität sieht anders aus. Etwa 70 Prozent der Polizeiarbeit finden im Präsidium statt: Aussagen werden aufgenommen und verglichen, Protokolle und Berichte geschrieben, Akten gewälzt.

Und selbst wenn die Ermittler mal dorthin fahren, wo es brenzlig wird: dass die Kommissare als Erste auftauchen, um einen Verdächtigen zu stellen, kommt so gut wie nie vor. Stattdessen wird per Funk ein Streifenwagen in der Nähe alarmiert, der in der Regel vorher an Ort und Stelle ist.

Mit gezückter Pistole in die Fabrikhalle schleichen, wo sich ein bewaffneter Mörder versteckt hält? Normalerweise überlassen das die Kommissare den Spezialeinsatzkommandos, die auf solche Einsätze trainiert und entsprechend ausgerüstet und geschützt sind.

Am Tatort trägt man Schutzkleidung, um selbst keine Spuren zu hinterlassen. Das gilt nicht nur für Rechtsmediziner und Ermittler der Spurensicherung, sondern natürlich auch für Kommissare. Mit offenen langen Haaren und einem Wollpullover, wie ihn Charlotte Lindholm trägt, würde sich kein Polizist neben eine Leiche knien.

Die Oldtimer und Sportwagen, die der Kölner Kommissar Freddy Schenk gerne fährt, machen sich gut im Fernsehen. Aber auch nur dort. Im echten Ermittleralltag fahren Kommissare Allerweltsautos – man will ja nicht unnötig auffallen...

Eine Szene, die man immer wieder sieht: Ein Kommissar befragt die Zeugen, sein Kollege stöbert unterdessen im Nebenraum in den Schränken und Schubladen. Rein rechtlich ist das unzulässig, wenn kein Durchsuchungsbeschluss vorliegt. Beweise, die man so erhält, werden vor Gericht nicht anerkannt. Und selbst wenn ein Beschluss vorliegt: Oft sammeln die Beamten belastendes Material nur ein und legen es versiegelt der Staatsanwaltschaft vor.

Ein Verdächtiger muss sofort nach der Verhaftung über seine Rechte aufgeklärt werden. Ihm muss mitgeteilt werden, was man ihm vorwirft, wann und wo er die Tat begangen haben soll und dass er die Wahl hat, ob er sich zur Sache äußern will oder nicht. Außerdem muss er jederzeit einen Anwalt benachrichtigen dürfen. Wenn diese Rechte verweigert werden, dürfen mögliche Aussagen des Beschuldigten vor Gericht nicht verwendet werden.

"Halten Sie sich die nächsten Tage zu unserer Verfügung, Sie dürfen die Stadt nicht verlassen." Ein Satz, den "Tatort"-Kommissare gerne mal sagen. Allerdings: Ein Polizist kann eine solche Anordnung gar nicht erlassen. Höchstens ein Richter, und auch nur in Form eines Haftbefehls gegen einen Tatverdächtigen. Zeugen dürfen sich dagegen immer frei bewegen.

Im "Tatort" ist immer mal wieder von den 48 Stunden die Rede, die ein Verdächtiger ohne Haftbefehl festgehalten werden kann. In der Strafprozessordnung heißt es aber: "Der Festgenommene ist (…) unverzüglich, spätestens am Tag nach der Festnahme, dem Richter vorzuführen." Die 48-Stunden-Grenze wird also nur fast erreicht. Wenn etwa eine Verhaftung am Montag um 0.01 Uhr erfolgt und man einen Richter findet, der am Dienstag um Mitternacht noch arbeitet. Und selbst das ist ein höchst konstruierter Fall, der in der Praxis so gut wie nie eintritt.

Beim Film ist Teamwork gefragt. 30 bis 40 Personen sind während eines Drehtags im Einsatz. Alle haben ihre festen Aufgaben und die müssen gut untereinander koordiniert sein. Aber wer macht was beim Film und mit wem? Wie all diese Arbeiten zusammenhängen, zeigen wir Euch hier.

Stand: 04.02.2020, 15:40 Uhr

Darstellung: