Spekulation wirkt undurchsichtig – und ist es oft auch
In der Regel sind Spekulationen hochkomplexe Geschäfte, bei denen oft die eine Spekulation die andere absichert. Auf Außenstehende wirkt dieses Vorgehen oft unlogisch und verwirrend. Aus Sicht von Spekulanten können sich widersprechende Geschäfte jedoch sinnvoll sein.
Setzt ein Vermögensverwalter beispielsweise gleichzeitig viel Geld auf einen steigenden und etwas weniger Geld auf einen sinkenden Dax, fällt sein Gewinn zwar geringer aus, wenn der Dax steigt. Dafür hält sich jedoch der Verlust in Grenzen, wenn der Dax sinkt.
Spekulanten verdienen auch an fallenden Kursen
Auf sinkende Kurse wetten Spekulanten, indem sie Leerverkäufe tätigen. Wie das geht, zeigt dieses Beispiel:
Ein Spekulant leiht sich von einem anderen Investor gegen eine kleine Gebühr ein Wertpapier, das in diesem Augenblick 100 Euro wert ist und von dem er annimmt, dass der Wert auf 80 Euro gesunken ist, wenn er es dem Besitzer wieder zurückgeben muss. Dieses geliehene Papier verkauft er für 100 Euro.
Zum Zeitpunkt der Rückgabe kauft er es für 80 Euro zurück, gibt es dem Besitzer und hat damit 20 Euro gutgemacht – abzüglich der Leihgebühr.
Auf einen sinkenden Preis zu wetten, ist aus ethischer Sicht oft verwerflich. Denn wenn bekannt wird, dass große Spekulanten viel Geld auf einen Kursverfall setzen, stoßen Investoren die betroffenen Papiere aus Angst, es würde wirklich so kommen, ab – mit der Folge, dass die Preise erst recht fallen.
1992 stürzte auf diese Weise das britische Pfund ab, was für die Briten dramatische wirtschaftliche und politische Folgen hatte. Auch die Staatsanleihen der EU-Krisenstaaten benutzten Spekulanten im großen Stil für Leerverkäufe, was deren ohnehin schon schlechte Lage weiter verschlimmerte und schließlich die Europäische Zentralbank (EZB) auf den Plan rief.

Auf sinkende Kurse wetten Spekulanten, indem sie Leerverkäufe tätigen
Spekulation kann Preise stabilisieren
Spekulationsbefürworter betonen hingegen vor allem die stabilisierende Funktion der Spekulation. Ihr Lieblingsbeispiel sind die Getreide-Bauern.
Ohne die Spekulationsgeschäfte mit den Händlern (englisch: Tradern) der Warenterminbörsen würde ihr Einkommen von Jahr zu Jahr schwanken – so sehr, dass sie möglicherweise aufhören würden, Getreide anzubauen. Die Trader mindern das Risiko, indem sie mit den Bauern bereits vor der Aussaat einen festen Preis aushandeln, den sie nach der Ernte garantiert zahlen.
Dabei spekulieren sie darauf, dass die Getreidepreise in der Zwischenzeit steigen. Sinkt der Preis, tragen die Trader die Verluste, gegen die sie sich wiederum mit anderen Spekulationsgeschäften abzusichern versuchen.
Gegen diese Art von Spekulation ist tatsächlich wenig zu sagen. Dadurch, dass das Risiko auf mehrere Schultern verteilt wird, halten sich die Verluste für alle im Rahmen und ein für alle Menschen wichtiges Gut wird in ausreichender Menge produziert.

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Spekulanten lieben Preisschwankungen
Problematisch wird es, wenn die Getreidekontrakte vor der Fälligkeit millionenfach weiterverkauft werden und es um den kurzfristigen Spekulationsgewinn geht, wie es bei Rohstofffonds der Fall ist.
Auch hier verstärkt der Herdentrieb die Preisschwankungen, was besonders in armen Ländern verheerende Folgen hat.
Gleichzeitig machen die Schwankungen den Markt für Spekulanten noch attraktiver, denn schwankende Kurse bieten deutlich mehr Wettgelegenheiten als stabile Kurse. So kann sich eine gefährliche Spekulationsspirale in Gang setzen, die die Märkte immer instabiler macht.
Problemfall Hedgefonds
Spekulation ist auch dann gefährlich, wenn die Spekulanten nicht der Börsen- und Bankenaufsicht unterstehen. Das ist zum Beispiel bei Hedgefonds der Fall. In ihren Portfolios finden sich überwiegend Derivate, die das Investmentgesetz normalen Investitionsfonds wegen zu hohen Risikos verbietet.
Auch die Spekulation gegen das britische Pfund ging von einem Hedgefonds aus. Er gehörte dem Spekulanten George Soros.
Außerdem nehmen Hedgefonds-Manager oft hohe Kredite zum Spekulieren auf. Das macht die Sache auch für Banken gefährlich.
1998 musste die amerikanische Notenbank FED den Hedgefonds LTCM retten, der sich verspekuliert hatte und pleite zu gehen drohte. Ohne das Eingreifen der FED hätte er zahlreiche systemrelevante Banken mit in den Ruin gerissen – der hochspekulative Hedgefonds war "too big to fail", also zu groß, um scheitern zu dürfen.
Pikanterweise hatten zwei seiner Direktoren ein Jahr zuvor den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten.
Quelle: SWR | Stand: 20.07.2018, 12:00 Uhr