Manager in Liegestühlen.

Geld

Grundeinkommen für alle

Jeden Monat ein fester Geldbetrag vom Staat, ohne Gegenleistung und unabhängig von Alter, Einkommen und Bedürftigkeit: Das ist die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens.

Von Kerstin Deppe

1000 Euro für jeden

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird in vielen Ländern und quer durch alle Parteien diskutiert – doch praktische Erfahrungen damit gibt es bislang kaum. Ein prominenter Kämpfer für das Grundeinkommen ist Götz W. Werner, der Gründer der Drogeriemarktkette dm.

Als erfolgreicher Unternehmer und einer der reichsten Menschen in Deutschland träumt Werner davon, dass sich jeder Mensch frei entfalten kann – ohne Existenzangst und den Druck, Geld verdienen zu müssen. Deshalb wirbt er mit seiner Initiative "Unternimm die Zukunft" für ein bedingungsloses Grundeinkommen, kurz BGE genannt.

Das BGE sichert jedem Bürger, vom Baby bis zum Greis, ein staatlich finanziertes Einkommen zu, das an keine Gegenleistung gekoppelt ist. Anders als beim Grundsicherungssystem Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt, werden Bedürftigkeit oder Arbeitsbereitschaft nicht überprüft.

Im Gegenzug sollen andere soziale Leistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe oder Kindergeld bis auf wenige Ausnahmen komplett entfallen. Das Grundeinkommen soll es jedem Einzelnen ermöglichen, menschenwürdig in der Gesellschaft zu leben. Wer möchte, kann dazuverdienen – muss es aber nicht.

Als Größenordnung schweben Werner 1000 Euro im Monat vor. Wer höhere Ansprüche hat, zum Beispiel durch seine Rentenzahlungen, bekommt die Differenz zusätzlich ausgezahlt. Finanziert werden soll das durch eine Reform des Steuersystems, bei der die Mehrwertsteuer zur Konsumsteuer wird und die Sätze von derzeit sieben beziehungsweise 19 auf 50 Prozent steigen.

Außerdem werden alle anderen Steuern und Sozialabgaben inklusive der Einkommensteuer abgeschafft. Werner geht davon aus, dass sich dadurch weder die Steuerbelastung für den Einzelnen, noch die Preise für Waren und Dienstleistungen erhöhen, da bereits jetzt sämtliche Steuern versteckt in den Preisen enthalten seien.

Die Idee zum Bürgergeld ist alt

Neu ist die Idee eines Grundeinkommens nicht: Thomas Morus schrieb schon 1516 in seinem Roman "Utopia" darüber. Später machten sich unter anderem Erich Fromm und die Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich August von Hayek und Milton Friedman für ein Grundeinkommen stark.

Richtig populär ist das Modell allerdings erst seit einigen Jahren: 2009 unterschrieben so viele Menschen eine Online-Petition für ein Grundeinkommen, dass der Server des Bundestags zusammenbrach.

Auch in der Politik wird das BGE diskutiert, und zwar quer durch alle Parteien. 2007 rief die CDU die Kommission "Solidarisches Bürgergeld" ins Leben, die unter Leitung des damaligen Thüringer Ministerpräsidenten Dieter Althaus eine Alternative zu Hartz IV entwickelte.

CDU-Zentrale in Berlin

Grundeinkommen ist in allen Parteien ein Thema

Nach diesem Modell würde jeder Bürger monatlich 600 Euro vom Staat bekommen, unabhängig von den individuellen Lebensumständen. 200 Euro davon würden verpflichtend in die gesetzliche Krankenversicherung eingezahlt. Wer einen höheren Bedarf hat, könnte je nach Bedürftigkeit mehr Geld beantragen.

Althaus beschreibt diesen Ansatz als ein "partielles bedingungsloses Grundeinkommen", das das soziokulturelle Existenzminimum sichert. Anders als Götz W. Werner will er das Grundeinkommen über die Einkommensteuer finanzieren.

Wer über 18.000 Euro im Jahr verdient, soll Einkommensteuer zahlen – der Satz liegt bei pauschal 40 Prozent. Wer darunter liegt, bekommt sein Bürgergeld als negative Einkommensteuer ausbezahlt.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das "Ulmer Tranfergrenzenmodell". Danach würde jeder Bürger einen bestimmten Prozentsatz von seinen Bruttoeinnahmen (inklusive Zinsen, Mieteinkünfte und so weiter) als Sozialabgabe an den Staat abführen.

Dieser würde die Einnahmen als bedingungsloses Grundeinkommen an Menschen weiterleiten, die wenig oder gar nichts verdienen. Ziel ist ein Transfer von wohlhabend nach arm.

Bedingungsloses Grundeinkommen in der Diskussion

Was spricht für ein bedingungsloses Grundeinkommen, was dagegen? Kritiker sagen: Ein Grundeinkommen ist nicht finanzierbar, die langfristigen Folgen eines solchen Systems lassen sich nicht überblicken und kalkulieren. Sie befürchten den Verlust von Arbeitsplätzen und bezweifeln, dass Menschen ohne finanzielle Notwendigkeit weiter arbeiten werden.

Die Befürworter sagen: Ein bedingungsloses Grundeinkommen schafft die Voraussetzungen für individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung.

Wenn der Mensch etwas gerne und freiwillig tut, arbeitet er aus innerem Antrieb – und soziales Engagement und bislang unbezahlte Tätigkeiten wie Hausarbeit oder familiäre Pflege werden endlich honoriert. Außerdem wird das Steuersystem vereinfacht und Bürokratie in den Sozialbehörden abgebaut.

Grafik einer Umfrage

Grundeinkommen – weiterarbeiten oder faulenzen? Die Ergebnisse unserer Umfrage

Zu wenig praktische Umsetzungsversuche

Viel Theorie, wenig Praxis: An flächendeckenden Erfahrungen mit dem Grundeinkommen fehlt es bislang. Einzelne Projekte und Umsetzungsversuche gab oder gibt es in den USA, Kanada und Namibia.

In Europa nimmt derzeit die Schweiz eine Vorreiterrolle ein: Dort hat die Initiative Grundeinkommen rund 126.000 Unterschriften für ein bedingungsloses Grundeinkommen gesammelt und der Bundeskanzlei vorgelegt.

Im Juni 2016 kam es zum Volksentscheid, den die Schweizer aber mehrheitlich ablehnten. Die Initiatoren des Volksentscheid geben sich aber zuversichtlich, dass es eine weitere Abstimmung geben wird.

Quelle: SWR | Stand: 15.08.2018, 11:10 Uhr

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