Tunnelblick

Von Sandra Martin

Mit Tunneln in die Zukunft

Rechtzeitig zur Welt-Expo 2010 in Shanghai sollten zwei Tunnelröhren die Flussinsel Changxing im Jangtse-Flussdelta mit Shanghai verbinden. Die Tunnelröhren hatten zu dem Zeitpunkt den Rekord-Durchmesser von gut 15 Metern. Inzwischen sind sie als Multifunktionstunnel ausgebaut. Es führt eine dreispurige Autobahn hindurch und im Deck darunter ist Platz für eine U-Bahn. Damit ist der Tunnel in Shanghai zukunftsweisend: Die Durchmesser der Tunnel werden immer größer, und sie werden in immer größeren Tiefen gebohrt.

Europa und Asien wachsen in Istanbul zusammen. Ende 2016 wurde der zweistöckige Eurasia-Autotunnel unter der Meerenge des Bosporus für den Verkehr freigegeben. Ein Pionierprojekt in einem sehr wechselhaften verschleißintensiven Untergrund, mehr als 100 Meter tief. Die Tunnelbohrmaschinen mussten auf der rund fünf Kilometer langen Strecke Wasserdrücken bis zu 11 bar Stand halten.  

Metropolen mit Wasser zu versorgen, wird in Zukunft immer schwieriger. Las Vegas zum Beispiel ist abhängig vom Stausee Lake Mead. Doch dessen Wasserstand ist in den vergangenen Jahren um 35 Meter gesunken. Daher sollte tief unten im Stausee ein Wasserablauf geschaffen werden. Den Tunnelbauern gelang dabei ein Weltrekord. Die Tunnelbohrer mit einem Durchmesser von etwas mehr als sieben Metern hielten einem Wasserdruck von 15 bar stand – die Grenze des bisher technisch Machbaren.

Der neue Gotthard-Basistunnel in der Schweiz. Er hat zwei Röhren mit je 57 Kilometer Länge und ist damit einer der längsten Eisenbahntunnel der Welt. 2016 wurde er eröffnet, um den Gotthardstraßentunnel zu entlasten und die Zugfahrzeit zwischen Zürich und Mailand um rund eine Stunde zu verkürzen. Damit wurde eine jahrzehntealte Vision Wirklichkeit: Bereits 1946 wurde die ersten Pläne für einen Gotthard-Basistunnel präsentiert.

Die Emscher fließt seit mehr als 100 Jahren als stinkender Abwasserkanal in ihrem Betonbett durch das Ruhrgebiet. Bis Ende 2021 soll die ehemalige "Köttelbecke" renaturiert sein. Dazu wird auf einer Strecke von 51 Kilometern – von Dortmund bis kurz vor die Emscher-Mündung in den Rhein bei Dinslaken – ein Abwassertunnel gegraben. Er sammelt die täglichen Abwasserfluten des nördlichen Ruhrgebiets und transportiert sie ab. In der Emscher selbst soll in Zukunft nur noch sauberes Fluss- und Regenwasser fließen.

Acht Tunnelvortriebsmaschinen waren für das Eisenbahn-Projekt "Crossrail" in London im Einsatz. Drei Jahre lang bohrten sie 42 Kilometer Tunnelsysteme unter der Innenstadt. Dabei arbeiteten sich die Maschinen eng vorbei an anderen Metrolinien, Abwasser- und Versorgungskanälen sowie Gebäudefundamenten – teilweise nur mit einer Überdeckung von zwei Metern oder einem Abstand von 50 Zentimetern.

Der Koralmtunnel ist das Kernstück der im Bau befindlichen Koralmbahn Graz–Klagenfurt. Der Tunnel steht mit seinen rund 32 Kilometern Länge derzeit weltweit auf Platz 7 der längsten Eisenbahn-Tunnel. Die Planungen begannen 1998. Fertig gestellt werden soll der Tunnel 2025.

Seit die Regierung in Hongkong 2007 ein großes Infrastruktur- und Städtebauprogramm auflegte, boomt die Bauwirtschaft. Eine Brücken- und Tunnelkonstruktion, die das Perlenflussdelta überbrückt, verbindet die beiden Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao miteinander. Zur Brücke nach Macao/Zhuhai wurden auch Zubringertunnel von Tuen Mun aus zum Flughafen gebaut.

Die ersten Grabungen am Ryfylketunnel in Norwegen begannen 2012. Der Tunnel verbindet Stavanger mit Tau und unterquert einen Fjord in der Tiefe von gut 290 Metern! Damit ist der Tunnel mit seinen 14,3 Kilometern vorerst der tiefste und längste Unterseetunnel der Welt. Und der längste Tunnel in Europa, der zwei zweispurige Tunnelröhren nebeneinander besitzt. Die Baukosten werden auf rund 500 Millionen Euro geschätzt.

Der Fehmarnbelttunnel ist ein geplanter 17,6 Kilometer langer Straßen- und Eisenbahntunnel unter der Ostsee. Eine Direktverbindung zwischen Mitteleuropa und Skandinavien. Der Tunnel ist als Absenktunnel geplant, das heißt, es werden Fertigbauteile in der Meerenge versenkt. Diese feste Fehmarnbeltquerung könnte damit der längste und tiefste kombinierte Straßen- und Eisenbahntunnel der Welt werden. Der geplante Baubeginn verzögert sich allerdings immer wieder.

Im Dezember 2003 einigten sich Spanien und Marokko auf einem Gipfeltreffen, das erstmals 1980 diskutierte Projekt Gibraltartunnel wiederaufzunehmen: die Verbindung von Europa und Afrika. Der vorgeschlagene Eisenbahntunnel wäre rund 39 Kilometer lang und würde das Mittelmeer in einem Abschnitt durchqueren, der nur rund 300 Meter tief ist. Die Tunnelbauer rechnen mit einem Wasserdruck von 30 bar. Eine noch unvorstellbare Leistung für die Tunnelbohrmaschinen.

Extrem zerklüftetes Kalkgestein durchzieht den Untergrund der Metropole Kuala Lumpur mit sieben Millionen Einwohnern. Erschwerend kommt für die Tunnelbauer ein hoher Grundwasserstand hinzu. In diesem Untergrund einen neun Kilometer langen U-Bahn-Tunnel zu graben, ist nur mit einer Maschine möglich, die auf die extreme Bodenbeschaffenheit eingestellt ist. Eine technische Neuerung im Tunnelbau.

Stand: 28.09.2020, 11:28 Uhr

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