Szenenbild aus Lumières "Die Ankunft eines Zuges" – einem der ersten Kurzfilme der Welt

Medien

Anfänge des Films

Dass das Publikum der ersten Kinovorstellung sich angesichts eines heranfahrenden Zuges unter den Tischen versteckt haben soll, ist eine Legende. Trotzdem bringen uns Filme zum Staunen – damals wie heute.

Von Christoph Teves

Zauberlaterne und Lebensrad

Bevor die Bilder laufen lernten, lernten sie erst einmal flackern. Schon Mitte des 17. Jahrhunderts brachte die sogenannte "Laterna Magica" (Zauberlaterne) die Menschen zum Staunen: Mithilfe von Kerzenschein oder Öllampen und einer Linse warf sie Bilder vergrößert an eine Wand.

Zunächst allerdings nicht, um die Menschen zu unterhalten: Der Jesuit Athanasius Kircher wollte mit ihrer Hilfe Werbung für den Glauben machen und Menschen religiös erziehen. Doch statt in der Kirche trat die Laterna Magica ihren Siegeszug auf Jahrmärkten und später in bürgerlichen Haushalten an. Die Kirche dagegen verurteilte den Apparat bald als Teufelswerk.

Schwarzweiß-Stich: Laterna-Magica-Vorführung

Die "Laterna Magica" war der Vorläufer des Diaprojektors

Nachdem die Laterna Magica die Projektion von Bildern etabliert hatte, wurden viele andere Geräte entwickelt – mit dem Ziel, die Bilder zum Laufen zu bringen. 1832 erfanden etwa der Belgier Joseph Plateau und der Österreicher Simon Stampfer unabhängig voneinander das "Phenakistiskop" oder "Lebensrad": Auf einer Scheibe sind kreisförmig Bilder angeordnet, die jeweils unterschiedliche Phasen einer Bewegung zeigen. Zwischen den Bildern befinden sich Sehschlitze. Betrachtet man das sich drehende Rad durch diese Schlitze in einem Spiegel, entsteht der Eindruck von Bewegung.

Dieses Prinzip, vorbeilaufende Phasenbilder mit sehr kurzen Unterbrechungen zu betrachten, wurde in der Folge in verschiedenen Apparaten weiterentwickelt und verbessert. In diesen Geräten, die auf Jahrmärkten für Begeisterung sorgten, waren gemalte Motive zu sehen.

Doch ab 1887 erwachten auch Fotos von echten Menschen und Tieren zum Leben: Der Brite Eadweard Muybridge begann mit Serienfotos eines galoppierenden Pferdes seine fotografischen Studien tierischer und menschlicher Bewegungsabläufe. Dank dieser "bewegten Fotografien" gilt Muybridge als einer der Großväter der Filmkunst.

Serienaufnahme eines Pferds mit Reiter, die über ein Hindernis springen.

Muybridges Serienfotografie

Film ab!

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts werkelte gleich eine Vielzahl von geschäftstüchtigen Erfindern an der Aufzeichnung und der Projektion bewegter Bilder. Darum ist auch nicht ganz klar, wem die Ehre der ersten Filmvorführung gebührt.

Mitarbeiter des US-Amerikaners Thomas Alva Edison entwickelten zum Beispiel bereits Anfang der 1890er-Jahre mit dem "Kinetoskop" ein funktionierendes Aufnahme- und Betrachtungsgerät. Den fertigen Film konnte sich allerdings immer nur eine Person in einem Guckkasten anschauen.

Edisons Apparat feierte auf Jahrmärkten Erfolge. Doch dafür, dass Film zum Gemeinschaftserlebnis wurde, sorgten andere. Am 1. November 1895 führten die Berliner Brüder Max und Emil Skladanowsky mit ihrem "Bioskop" dem Publikum eines Varietéprogramms kurze Filme vor.

Noch erfolgreicher war aber ein französisches Brüderpaar: Für viele Historiker ist die Filmvorführung von Auguste und Louis Lumière am 28. Dezember 1895 im Pariser "Grand Café" die Geburtsstunde des Kinos. Die Lumières zeigten einem zahlenden Publikum einige selbstgedrehte kurze Filme, vor allem alltägliche Momentaufnahmen wie die Fütterung eines Babys, eine Straßenszene in Lyon und die Ankunft eines Zuges.

Dank seiner Technik und des Geschäftssinns seiner Erfinder setzte sich der "Kinematograph" der Lumières gegen die anderen Entwicklungen der damaligen Zeit durch, etwa das Bioskop der Skladanowskys. Der Premiere in Paris folgten öffentliche Filmvorführungen in der ganzen Welt. Mit dem Erfolg der Lumières etablierten sich in den Folgejahren auch die Theater, die ausschließlich Filme zeigten – Kinos.

Vom bewegten Foto zur Geschichte

Als Besitzer einer Firma für fotografische Geräte begriffen die Lumières den Film als eine Art erweiterte Fotografie um das Element der Bewegung, als eine weitere Möglichkeit, Realität abzubilden. Und zu Beginn reichte die pure Wiedergabe kurzer, alltäglicher Ereignisse auch aus, um die Leute für das neue Medium Film zu begeistern.

Auf den Inhalt der Filme kam es dabei gar nicht so sehr an. Neben Alltagsszenen standen vor allem gesellschaftliche Ereignisse wie Paraden, Ausstellungen oder Begräbnisse und abgefilmte Varieténummern mit Akrobaten, Tänzern oder Tieren auf dem Programm.

Gemeinsam war den kurzen Filmen der Anfangszeit: Sie bestanden fast immer aus nur einer Einstellung, die Kamera war unbeweglich und die Perspektive war die eines Theaterzuschauers. Doch schon bald wurde der Film auch als Möglichkeit begriffen, eine Geschichte zu erzählen. Ungefähr ab 1903 wurden die Filme länger, verwendeten mehrere Einstellungen und erzählten vor allem fiktionale Stoffe, statt reale Ereignisse abzubilden.

Schwarzweiß-Foto einer Szene aus dem Stummfilm "Die Reise zum Mond".

Méliès' bekanntestes Werk: "Die Reise zum Mond"

Ein Landsmann der Lumières, Georges Méliès, hatte zudem eine weitere Möglichkeit des Films erkannt: die Veränderung der Realität, die "Magie". Der Zauberer und Theaterbesitzer experimentierte mit Stopptrick, Mehrfachbelichtungen und Überblendungen und gilt heute als Erfinder der Filmtricks.

Andere Filmemacher testeten, welche Mittel dem Geschichtenerzählen dienten. Sie spielten mit Schnitten und dem Wechsel von Einstellungsgrößen, um etwa zeitliche oder räumliche Bezüge klarer zu machen. So entstanden nach und nach filmische Konventionen, von denen sich viele bis heute in Filmen wiederfinden.

(Erstveröffentlichung 2011. Letzte Aktualisierung 15.03.2022)

Quelle: WDR

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