Hallig Südfall aus der Luft.

Halligen

Halligen und Verkehr

Die Menschen auf den Halligen lebten in vergangenen Jahrhunderten weitgehend abgeschieden von der Welt.

Von Christina Lüdeke

Von der Außenwelt abgeschnitten

Es gab zwar schon im 17. und 18. Jahrhundert Fährverbindungen zwischen Hooge und Nordmarsch, Langeneß und Gröde. Aber noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde Post auf den Halligen nur dreimal im Jahr zugestellt. Eisige Winter mit zugefrorener See machten Schifffahrten oft für Monate unmöglich.

Die Bewohner der Hallig Hooge waren zum Beispiel während des besonders harten Winters im Jahr 1888 wochenlang von der Außenwelt abgeschnitten. So feierten sie dort am 22. März 1888 den Geburtstag des deutschen Kaisers Wilhelm I., während dieser bereits am 9. März verstorben war.

Auch heute noch müssen Halligbewohner ihre Fahrten aufs Festland genau planen. Zwar gibt es eine Fährverbindung nach Hooge und Langeneß. Während der Sommermonate können zusätzlich auch Ausflugsschiffe genutzt werden.

In der Nebensaison dagegen verkehrt die Fähre der Wyker Dampfschiffs-Reederei nicht täglich, und schon gar nicht mehrmals. Ein Tagesausflug mit der Fähre aufs Festland – zum Beispiel für einen Einkaufsbummel oder Arztbesuch – ist so für einen Halligbewohner im harten Wintern bedingt durch den Fahrplan oft nur an einem Tag in der Woche möglich.

Luftbild von der Hallig Langeneß. Einsames Haus im vereisten Wattenmeer.

Hallig Langeneß im vereisten Wattenmeer

Auf Schienen über den Damm

Ein zusätzliches Verkehrsmittel zwischen Halligen und Festland etablierte sich ab Ende der 1920er-Jahre. Um 1900 entschloss man sich, aus Küstenschutzgründen einen Damm zwischen der Gemeinde Dagebüll auf dem Festland und den Halligen Oland und Langeneß zu bauen.

Zwischen 1927 und 1929 wurde der Damm mit einer Steinabdeckung und einem Schmalspurgleis versehen. Die Halligbewohner hatten damit eine neue Verbindung zum Festland – die sogenannte Segellore.

Dieses ungewöhnliche kleine Schienenfahrzeug bewegte sich nur mit Windkraft. Die Halligbewohner nutzten die Lore zum Transport von Waren und Lebensmitteln, aber auch Personen reisten mit. Teilweise wurde auch die Post mit der Segellore befördert.

Dabei war die Lore ein Gefährt ohne jeglichen Komfort. Es gab nur eine Ladefläche, auf der auch die Mitreisenden Platz nehmen mussten. Auf jeder Seite waren Schiebestangen angebracht, an denen man das Fahrzeug bei einer Flaute anschieben konnte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die Oländerin Magda Matthiesen von ihrem Onkel, der einen kleinen Laden auf Oland besaß, den Betrieb der Segellore. Um sie ranken sich zahlreiche Legenden, denn "Käptn Magda", wie Magda Matthiesen genannt wurde, war als resolute Person bekannt.

Zeitweilig war ihre Segellore die einzige Verbindung zum Festland überhaupt. Der Komfort für die mitreisenden Gäste war gering. Häufig mussten sie auch noch beim Verladen der transportierten Waren mithelfen. Den Fahrpreis reduzierte das keineswegs – er lag jahrelang bei 3,50 Mark.

So erzählt man sich die Geschichte von einem Kapitän aus Hamburg, der seine Liebste auf der Hallig besuchen wollte. Auch er musste mit der Segellore reisen.

Magda Matthiesen nahm den Fahrgast angeblich hart heran: Erst musste er Kartoffeln auf das Schienenfahrzeug laden, dann auch noch den ganzen Weg schieben, weil die Sitzplätze bereits alle besetzt waren. Trotzdem soll ihm "Käptn Magda" noch den Fahrpreis abgenommen haben – allerdings erst, nachdem er ihr auch beim Entladen der Waren geholfen hatte.

Ein Motor macht die Fahrten leichter

Heute noch sind Loren ein wichtiges Verkehrsmittel auf den Halligen. So gibt es zu den Halligen Oland und Nordstrandischmoor keinen regelmäßigen Fährverkehr. Die Lore ist auch für Touristen eine häufig genutzte Möglichkeit, auf die Halligen zu gelangen.

Auch nach Langeneß gibt es noch einen Lorenverkehr wie einst zu Magda Matthiesens Zeiten. Die modernen Loren sind zwar längst motorisiert, dennoch mutet die Art der Fortbewegung etwas altertümlich an.

Ein wesentlicher Vorteil dieser Fahrzeuge gegenüber Schiffen ist, dass sie auch bei schwierigen Wetterbedingungen im Winter einsetzbar bleiben. Allerdings: Darauf verlassen kann man sich dennoch nicht; immer wieder machen Hochwasser und Sturm Einkaufs- und Versorgungsfahrten unmöglich.

Deshalb bauen die Halligbewohner vor: Meist haben sie genügend Vorräte im Haus, sodass sie auch gut zwei Monate ohne eine Einkaufstour aufs Festland auskommen können.

Die Segellore von Magda Matthiesen blieb als Versorgungsfahrzeug noch bis 1968 in Betrieb, auch nachdem längst von einem Mofa-Motor betriebene Loren aufgekommen waren. "Käptn Magda" wollte mit diesem, wie sie sagte, "neumodischen Kram" nichts zu tun haben und setzte weiter auf die Windkraft.

Menschen an Bahndamm mit Lore

Die Loren sind heute noch in Betrieb

Frischer Wind in neuem Segel

Die Geschichten von Magda Matthiesen und ihrer Segellore erzählte vor allem ein Wattführer namens Karsten Hansen weiter. Er berichtete den Gästen vom Festland immer wieder von dem besonderen Hallig-Verkehrsmittel und stieß damit auf großes Interesse.

So entstand bei dem gelernten Tischlermeister Hansen im Jahr 2003 die Idee, nach historischem Vorbild eine Segellore nachzubauen.

Unterstützt wurde er dabei von seinem Freund Fiede Nissen, dem Postschiffer auf den Halligen. Nach einer alten Postkarte zeichnete Hansen erste Entwürfe. 2004 konnte er schließlich mit dem Nachbau zum ersten Mal in See stechen. Die Lore kann seither auf der Ketelswarf auf Langeneß besichtigt werden.

Postschiffer auf Lore

Die Hallig Langeneß hat einen eigenen Postschiffer

(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 16.03.2021)

Quelle: WDR

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