Wikingerhäuser von Haithabu, Schleswig-Holstein

Wikinger

Das Wikingerdorf Haithabu

Für die Wikinger war das Dorf Haithabu im heutigen Schleswig-Holstein ein Tor zur Welt: Von hier aus trieben sie Handel und brachen zu Eroberungen auf. Heute erforschen Archäologen die Siedlung, die inzwischen zum Unesco-Welterbe gehört.

Von Martina Frietsch

Die Stadtgründung

Vermutlich waren es friesische Kaufleute, die sich im 8. Jahrhundert an der Schlei niederließen, einem schiffbaren Seitenarm der Ostsee, der 40 Kilometer weit ins Land reicht. Anfang des 9. Jahrhunderts siedelte der damalige dänische König viele Kaufleute aus Dänemark zwangsweise in Haithabu an und folgte später selbst mit dem gesamten Heer.

Von Haithabu aus trieben die Kaufleute Handel mit der gesamten damals bekannten Welt. Und vom Hafen an der Schlei aus starteten die Nordmänner mit ihren schlanken, schnellen Schiffen, um auf so genannte Wikingfahrt zu gehen – kurz gesagt: um andere Völker zu überfallen und Beute zu machen. Daher stammt auch die Bezeichnung "Wikinger".

Die Wikinger

01:59 Min. UT Verfügbar bis 29.08.2028 Von Anja von Kampen, VisionX

Die Häuser sowie die Schiffs- und Handelswege

Die Schiffe der Wikinger konnten im flachen Wasser bei Haithabu zum Anlegen auf dem Ufer gestrandet werden. Nach und nach wurden Uferbefestigungen gebaut und ein Weg angelegt.

In der Uferzone, in der die Bewohner immer mit Überschwemmungen rechnen mussten, entstanden einfache Holzhäuser. In den höher gelegenen Gebieten Haithabus hingegen standen die typischen Grubenhäuser: in die Erde eingetiefte Häuser, deren Wände aus Spaltbohlen oder lehmverkleideten Flechtwerk bestanden.

Aquarell des Wikingerdorfs Haithabu

Einst der zentrale Ort für den Handel im Norden

Das rund 26 Hektar große Siedlungsgebiet von Haithabu wurde von einem halbkreisförmigen Schutzwall umgeben, der rund neun Meter hoch war.

Der Wasserweg über die Schlei war nicht der einzige Zugang zu Haithabu: Die Wikinger nutzten die Schleswiger Landenge, die zwischen Haithabu und der Nordsee nur 18 Kilometer betrug. Schiffe, die von der Nordsee aus über die Eider fuhren und in Hollingstedt anlegten, wurden dort entladen und die Waren dann über Land bis Haithabu gebracht.

Dies alles geschah im Schutz des Danewerks, eines rund zwei Meter hohen Walls mit vorgelagerten Gräben. Das Danewerk schützte das Dänische Reich gegen Angreifer aus dem südlich angrenzenden Fränkischen Reich.

Originalgetreu nachgebildete Häuser der Wikingersiedlung.

Originalgetreu nachgebildete Häuser der Wikingersiedlung

Der Handel und das Handwerk

Im Zentrum der Stadt, die in ihrer Blütezeit 1500 bis 2000 Einwohner hatte, lag der Hafen. Er wurde immer weiter ausgebaut, sodass auch größere Schiffe anlegen konnten. Dazu wurden zunächst kleine Steganlagen und danach mehrere Landebrücken aus Holz gebaut.

Bei Grabungen im Hafen wurden inzwischen mehr als 1600 Pfostenstandspuren entdeckt. Doch der Hafen Haithabus war mehr als nur ein Anlegeplatz für die Schiffe. Er diente auch als Marktplatz, hier wurden Waren gelagert und er war auch die Mülldeponie der Stadt.

Durch den Import von Gütern, die vor Ort nicht verfügbar waren, entwickelten sich in Haithabu zahlreiche hoch spezialisierte Handwerke: Sehr weit entwickelt war die Kunst des Holzdrechselns, es entstanden aufwändige Goldschmiedearbeiten, filigrane Pressblecharbeiten, Perlen, Metallwerkzeuge und andere Schmiedearbeiten wie die Waffen der Wikinger.

Feiner goldener Ring

Archäologen haben filigranen Schmuck in Haithabu ausgegraben

Diese Waren wiederum dienten als Handelsgüter. Bodenuntersuchungen haben ergeben, dass Haithabu planmäßig angelegt war: Es gab Straßen, Wohn- und Gewerbegebiete. Gerade die feuergefährlichen Gewerbe, die die Holzhäuser leicht in Brand setzten konnten, waren sicherheitshalber abseits der Bebauung angesiedelt.

Der Alltag

Haithabu war das bedeutendste Fernhandelszentrum in ganz Nordeuropa. Hier liefen nicht nur alle wichtigen Routen zusammen, es trafen Menschen aus vielen Ländern und Regionen zusammen. In der Blütezeit lebten in Haithabu vermutlich Skandinavier, Sachsen und Slawen, außerdem Händler und Handwerker aus so entfernten Gegenden wie dem byzantinischen Reich.

Doch auch wenn Haithabu eine wichtige und für ihre Zeit wohlhabende Stadt war, war das Alltagsleben der Menschen von harter Arbeit und dem Kampf ums Überleben geprägt.

Für die Versorgung mit Lebensmitteln waren die Bewohner Haithabus auf den Handel angewiesen, denn Getreide und andere wichtige Güter mussten im Umland beschafft werden. Selbst versorgen konnte sich die Stadt nicht.

Die Wiederentdeckung Haithabus

Im Jahr 1066 endete die Geschichte Haithabus nach nur 300 Jahren. Nachdem die Stadt im Lauf der Jahrhunderte viele Angriffe überstanden hatte, bedeutete ein Überfall slawischer Truppen nun das Ende. Haithabu wurde zerstört, seine Funktionen als Handelszentrum gingen auf Schleswig am anderen Ufer der Schlei über.

Der Ort, an dem Haithabu einst stand, geriet in Vergessenheit, lediglich der Schutzwall blieb erhalten. Schriftliche Quellen belegten zwar, dass die Stadt existiert hatte – aber nicht, wo genau sie gestanden hatte.

1897 kam der dänische Archäologe Sophus Müller zu der Auffassung, Haithabu müsse innerhalb des immer noch sichtbaren Halbkreises an der Schlei gelegen haben. Seine Theorie wurde 1900 bestätigt, als Johanna Mestorff, Direktorin des Museum vaterländischer Altertümer in Kiel, erste Grabungen in Auftrag gab.

Übersichtskarte von Haithabu.

Übersichtskarte von Haithabu

Auch nach mehr als 100 Jahren archäologischer Ausgrabungen und Forschungen ist bis heute ist nur ein geringer Teil Haithabus wiederentdeckt. Etwa fünf Prozent der Siedlung und 1,5 Prozent des Hafens wurden bisher ausgegraben.

Mit geomagnetischen Messgeräten wurden ab 2002 die Fläche innerhalb und außerhalb des Halbkreiswalls untersucht. Auf diese Art können archäologische Funde ohne Ausgrabung entdeckt werden, da ihre Strukturen als magnetische Anomalien auftreten.

Dank dieser Methode konnten inzwischen Lage und Aufbau der Stadt rekonstruiert werden. Durch gezielte Ausgrabungen wurde der Erfolg der Geomagnetik bewiesen.

Das Museum

Seit 1985 gibt es das "Wikinger Museum Haithabu" in unmittelbarer Nähe der Fundstätten, das seitdem immer wieder erweitert wurde. Neben den archäologischen Funden werden die Stadt und die umgebende Region präsentiert sowie die Politik, Religion und Handelsbeziehungen der Wikingerzeit.

In der Schiffshalle ist das sogenannte "Wrack 1" zu besichtigen, das im Hafen von Haithabu geborgen wurde. Außerdem sind Rekonstruktionen von Häusern aus Haithabu sowie ein Landungsbrücken-Nachbau.

Der rekonstruierte Siedlungsabschnitt umfasst sieben Häuser, darunter das Versammlungshaus und die Herberge. Die Dauerausstellung im Museum zeigt den Besuchern, wie das Alltagsleben vor 1000 Jahren aussah.

Das Unesco-Welterbe

Seit 2018 zählen das Wikingerdorf Haithabu und das Danewerk zum Unesco-Welterbe. Mit diesem Titel werden Kultur- und Naturdenkmäler ausgezeichnet, die einen großen Wert für die Menschheit haben und besonders erhaltenswert sind. Haithabu ist damit als außergewöhnliches Zeugnis der Wikingerzeit anerkannt.

Die Bewerbung zum "Welterbe Wikinger" traten übrigens sechs Staaten gemeinsam an: Deutschland, Island, Dänemark, Norwegen, Schweden und Lettland. Das Welterbe zeigt die Wikinger in ihren unterschiedlichen Facetten und auch die Wikinger-Kultur in ihrer Gesamtheit.

Originalgetreu hergerichtetes und ausgestattetes Haus in Haithabu.

Originalgetreu hergerichtetes und ausgestattetes Haus in Haithabu

Weiterführende Links

Quelle: SWR | Stand: 21.04.2020, 14:10 Uhr

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