Modell des Seeungeheuers von Loch Ness

Britische Schauergestalten

Nessie – das Ungeheuer von Loch Ness

Nessie, das sagenumwobene Ungeheuer von Loch Ness in Schottland, ist eher eine Legende als eine klassische Schauergestalt. Niemand hat ihm je irgendwelche Untaten unterstellt – und niemand hat es je gesehen.

Von Stefan Morawietz

Mythos aus den 1930er-Jahren

Erste Zeugnisse über Nessie reichen zurück bis ins Jahr 565. Damals soll der heilige irische Mönch Columba im River Ness auf ein Seemonster getroffen sein. Obwohl viele Mythen und Sagen durchsucht wurden, um möglichst alte Hinweise für Nessies Existenz zu finden, ist es wahrscheinlicher, dass das Ungeheuer erst 1933 zum ersten Mal – angeblich – gesehen wurde.

Damals fuhren Mr. und Mrs. John Mackay an der Nordküste des Sees entlang, als sie eine Bewegung auf dem See bemerkten. Sie dachten zunächst an zwei kämpfende Gänse. Doch bei genauerem Hinsehen erkannte das Paar zwei dunkle Buckel, die sich durch das Wasser bewegten.

Mrs. Mackay schätzte die Länge der beiden Buckel auf sechs Meter und beschrieb die Kreatur als ein "sich rollendes und durch den See stürzendes enorm großes Tier", welches schnell untertauchte, kurz bevor es die gegenüberliegende Küste erreichte.

Eine Lokalzeitung, der "Inverness Courier", druckte in der Ausgabe vom 2. Mai einen Artikel über die Sichtung ab. In diesem bezeichnete der Redakteur Evan Barron das unbekannte Tier als "Monster". Damit war der Mythos geboren.

Die Stunde der Monsterjäger

Die Geschichte wurde schnell zu einer weltweiten Sensation. Zufälligerweise war gerade zu diesem Zeitpunkt eine neue Straße fertiggestellt worden, auf der man den 36 Kilometer langen, anderthalb Kilometer breiten und mindestens 325 Meter tiefen See endlich ganz umfahren konnte. Dafür waren sehr viele Bäume gerodet worden, die zuvor das Ufer gesäumt hatten, so dass man nun freie Sicht auf den See hatte.

Liegt darin vielleicht ein Grund, warum Nessie nicht vor 1933 gesehen wurde? Die vielen Monsterjäger, die nun von überall kamen, hatten jetzt jedenfalls freien Ausblick auf den See und bis Oktober gab es schon 20 weitere Sichtungen. Zumindest einige davon erwiesen sich bald als Fälschungen oder Fehlinterpretationen von Leuten, die berühmt werden wollten.

Burgruine vor dem schottischen Loch Ness.

Die Heimat Nessies, der schottische Loch Ness

Zwischen Mythos und Wissenschaft

Nach Ansicht seiner Fürsprecher ist Nessie entweder eine riesige Seeschlange oder ein Nachfahre längst ausgestorbener Dinosaurier. Ein ideales Grenzgebiet zwischen Sagen, Legenden und wissenschaftlicher Forschung. Das Fachgebiet für solche Phänomene nennt man Kryptozoologie. Dementsprechend passt die Diskussion um seine Existenz zum Zeitpunkt seiner "Entdeckung".

Nessie wurde von Anfang an mit allen Mitteln (pseudo-)wissenschaftlicher Forschung gejagt. Die Beweismittel bedienten sich moderner Technik. Auch durchaus ernstzunehmende Wissenschaftler beteiligten sich über Jahre an der Forschung. So als ob man an Nessie ein für alle Mal den Wahrheitsgehalt alter Sagen und Legenden beweisen oder widerlegen könnte.

Während es der Faszination für Dracula oder Frankenstein keinen Abbruch tut, dass beide nur fiktive Romangestalten sind, würde sich kaum noch jemand für Nessie als Fantasieprodukt interessieren.

Tierähnliche Buckel auf der Wasseroberfläche.

Eines der vielen angeblichen Beweisfotos

Gefälschte Beweisfotos

Die erste angebliche Fotografie von Nessie entstand im November 1933. Ein Mann namens Hugh Gray fotografierte ein Objekt mit einem verschwommenen abstehenden Etwas, womöglich einem Hals, der aus dem Wasser ragt. Grays Objekt wurde aber schnell als Labradorhund mit einem Stock im Maul enttarnt.

Schemenhaftes Objekt schwimmt im schottischen See Loch Ness

Das "Beweisfoto" von Robert Rines: Ist das wirklich Nessie?

Weitaus bekannter ist das Foto von Dr. Robert Kenneth Wilson vom April 1934. Es zeigt den typischen langen Hals mit dem kleinen, reptilartigen Kopf, den man bis heute mit Nessie verbindet.

60 Jahre später wurde das Foto dann aber doch als Fälschung des Schauspielers, Filmproduzenten und Großwildjägers Marmaduke ("Duke") Wetherell entlarvt: Es war ein selbstgebautes kleines Monster, mit einem Spielzeug-U-Boot als Untersatz.

Unscharfes Bild eines saurierähnlichen Tiers mit langem Hals im Wasser

Angebliches Nessie-Foto von 1934

Beweis oder Betrug?

Im August 1972 schien machte eine Gruppe von Forschern verschiedener Institute eine Reihe von außergewöhnlichen Unterwasserfotos. Das Team unter Leitung von Dr. Robert Rines benutzte Sonartechnik, um den gesamten See zu scannen und eine Kamera auszulösen, sobald das Sonar größere Objekte entdeckt.

In den frühen Morgenstunden des 8. August erkannte das Sonar ein sieben bis zehn Meter langes Objekt, das man zunächst für einen Fischschwarm hielt, weil das Signal nicht lange dauerte. Doch zwei der Fotos zeigten eine große Flosse. Und auf einem dritten war tatsächlich eine Ganzkörperaufnahme von Nessie zu sehen! Die Kreatur hatte die inzwischen als typisch angesehenen Merkmale wie einen langen Hals, einen dicken Körper und Flossen.

1975 brachte eine weitere Expedition ähnliche Bilder zutage. Damit schien es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis der endgültige Beweis für Nessies Existenz erbracht würde. Das Smithsonian Institut, die Harvard-Universität und das Time Magazine glaubten bereits, dass das Monster echt und lebendig sei.

Doch dann beschuldigte das Discover Magazine 1984 Robert Rines, die Fotos vor der Veröffentlichung manipuliert zu haben. In Wahrheit handele es sich nur um Wrackteile am Seegrund.

Seitdem ist alles wieder offen, da keine weiteren Aufnahmen auftauchten, die Rines' "Beweise" stützten. Der glaubt inzwischen, dass sein Forschungsobjekt an Nahrungsmangel gestorben sei.

Argumente gegen Nessie

Nessies Gegner sehen sich nicht nur durch die Masse der gefälschten Beweise bestätigt. Sie haben auch durch eigene Untersuchungen viele Indizien zusammengetragen, die gegen die Existenz eines großen Lebewesens in Loch Ness sprechen.

Ihre Argumente: Das Wasser des Sees sei zu kalt für Reptilien. Amphibien seien immer Süßwassertiere gewesen, könnten von daher nicht vom Meer in den See gelangt sein. Säugetiere müssten zum Atmen an die Oberfläche kommen. Für ein so großes Tier, wie das Ungeheuer angeblich sein soll, biete der See gar nicht genug Nahrung. Die besondere Beschaffenheit des Sees und das Wetter begünstigten Sinnestäuschungen.

Auch wenn vieles davon einleuchtend klingt: Für die Nessie-Fans ist das alles kein Beweis, dass ihr Liebling nicht existiert.

Filmplakat von 1953 mit der Aufschrift 'Das Ungeheur von Loch Ness'. Darauf ist ein überdimensionaler, grimmig aussehender Dinosaurier abgebildet.

Nessie als Filmstar

(Erstveröffentlichung: 2003. Letzte Aktualisierung: 13.07.2019)

Quelle: WDR

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