Blick über London, unter anderem auf Big Ben, London Eye und die Themse

Metropolen

London

London gilt als größte, aufregendste und auch als teuerste Stadt Westeuropas. Die englische Hauptstadt ist quirlig und modern. Mehr als die Hälfte der rund neun Millionen Bewohner sind jünger als 40.

Von Andrea Schultens

Alles begann mit den Römern: Londinium

Tradition und Geschichte sind in London allgegenwärtig. Im historischen Zentrum reiht sich eine Sehenswürdigkeit an die nächste. Traditionen wie die Schlüsselzeremonie im Tower überdauern die rasanten Veränderungen, denen die Stadt ausgesetzt ist.

Trotz des hohen Tempos in der Stadt spürt man in London den Atem der Geschichte. Im Jahr 43 nach Christus fielen die Römer in Britannien ein und gründeten an der Stelle des heutigen Londons die kleine Hafensiedlung Londinium.

Der Ort am Südufer der Themse, der heutige Stadtteil Southwark, war strategisch günstig gelegen und wurde schon bald durch eine Brücke mit dem Nordufer verbunden, der heutigen City of London.

Die beleuchtete Tower Bridge in der Dunkelheit

Seit 1894 verbindet die Tower Bridge die Stadtteile Southwark und Tower Hamlets

Nach dem Untergang des Römischen Reiches im 5. Jahrhundert verfiel die Stadt zunächst. Im 9. Jahrhundert eroberten dann die Angelsachsen die Gegend um die Themsemündung und gründeten die Stadt Lundenburgh.

Hauptstadt von Großbritannien wurde London nach der erneuten, diesmal normannischen Eroberung im Jahre 1066. Aus dieser Zeit stammt auch der London Tower. Er wurde im Laufe der Zeit immer wieder erweitert und birgt heute unter anderem die britischen Kronjuwelen.

Erst im 17. Jahrhundert wurde London das nächste Mal großflächig verändert. Zum einen wütete die Pest in diesem Jahrhundert und tötete einen großen Teil der Bevölkerung. Zum zweiten wurden vier Fünftel der mittelalterlichen Stadt durch den "Großen Brand" von 1666 zerstört.

Ein alter Stich zeigt das brennende London 1666

Das Feuer von 1666 machte etwa 100.000 Londoner obdachlos

Boom und Expansion – London als Weltstadt

Seit dem 18. Jahrhundert wächst die Stadt unaufhörlich. Das explosionsartige Wirtschaftswachstum im 19. Jahrhundert machte London zur größten und reichsten Stadt der Welt. England war Vorreiter der Industrialisierung. Spätestens mit dem Bau der britischen Eisenbahn zu Beginn des 19. Jahrhunderts wollte jeder in die Hauptstadt, wo es Arbeit und Geld geben sollte.

Durch die Zuganbindung der umliegenden Orte vergrößerte sich Londons Stadtzentrum bald weiter. Grünflächen und Felder wurden bebaut, umliegende Dörfer dockten sich an die Stadtfläche an. Innerhalb nur weniger Jahrzehnte vervielfachte sich die Bevölkerungszahl und London wurde zur größten Stadt der Welt. Durch die zahlreichen britischen Kolonien, die über die ganze Welt verteilt waren, war London lange Hauptstadt eines riesigen Imperiums.

Auch heute noch scheint die Stadt an der Themse eine Ansammlung von vielen Dörfern zu sein, ein Flickenteppich, der Vielfalt und Masse bietet. Es gibt weiterhin nicht die eine Londoner Innenstadt, sondern London setzt sich aus vielen unterschiedlichen Stadtteilen zusammen.

Karte der Londoner Innenstadt.

Einige der vielen zentralen Stadtviertel Londons

Very british – Tradition und Ritual

London ist die alte Dame unter den Weltstädten. Neben dem traditionsreichen britischen Königshaus, dem Hutmacher der Queen oder dem Schuhmacher, der in Sonderanfertigung edelste Schuhe in alter Tradition anfertigt, stößt man in der britischen Hauptstadt auf zahlreiche historische Zeremonien. Die berühmte Wachablösung der höfischen Guards am Buckingham Palace ist wohl die bekannteste.

Auch viele kulturelle Eigenarten wie der elegante Afternoon Tea halten sich. Am reich gedeckten Tisch in der idyllischen "Orangery" in Kensington Gardens locken Tee, fingerförmige Sandwiches und Scones, das typische Teegebäck. Auch wer weder adelig noch steinreich ist, kann in den Salons der prächtigen Hotelrestaurants ein wenig vornehme Luft schnuppern und sich zum Afternoon Tea unter die noblen Gäste mischen.

Teetisch mit verschiedenen Gerichten, Teekanne und Teetassen

Der "Afternoon Tea" ist eine britische Institution

Die britische Teatime beschert eine genussvolle Ruhepause vom Alltagstrubel Londons. Denn auch Lärm und Hektik gibt es zur Genüge. Neben aller Tradition ist London laut, modern und hektisch. In den Zeiten der Globalisierung beginnt die Tradition an vielen Stellen zu bröckeln.

2005 etwa wurde der berühmte rote Doppeldeckerbus im Linienverkehr abgeschafft. Heute gibt es nur noch wenige touristische Strecken, auf denen der Bus mit türlosem Hintereingang verkehrt. Ebenso findet man die sittsame Warteschlange oder die klassische Melone als Kopfschmuck in London nur noch selten.

Bus bei Nacht

Fast aus dem Stadtbild verschwunden: der rote Doppeldeckerbus

Stadt der Widersprüche und der Brüche

Großlondon ist die kleinste, aber am dichtesten besiedelte der neun Regionen Englands. Der Verwaltungsbereich wurde 1965 gegründet und umfasst den gesamten Ballungsraum Londons. Hier leben etwa 14 Millionen Menschen. Auf engem Raum präsentiert sich eine anziehende Vielfalt, die vor allem auch von ihren Widersprüchen und Brüchen lebt.

"Massenhaftigkeit" ist ein Merkmal, das auf London mehr zutrifft, als auf irgendeine andere Stadt. Hier gibt es alles: Kunst und Kultur, Theater und Architektur, Skurriles, Geschichtliches und Hypermodernes – alles ist in riesiger Fülle vorhanden. Allein im zentralen City of Westminster befinden sich 40 Theater.

London ist immer noch führend in Mode und Musik. Und auch die Londoner Museumswelt erregt weltweit Aufmerksamkeit: allen voran das Tate Modern und das British Museum. Auch zahlreiche Ausstellungen und Vernissagen, die an etablierten Orten und in der alternativen Kunstszene stattfinden, machen London zur großartigen Kunststadt.

Eine spektakuläre Licht- und Laser-Show an der "Tate Gallery of Modern Art" in London

Die "Tate Gallery of Modern Art"

Die Multikulti-Hauptstadt

In London leben Menschen aus mehr als 160 Nationen zusammen und nebeneinander. In den Straßen der "Multikulti-Hauptstadt" kann man mehr als 300 verschiedene Dialekte und Sprachen hören. Diese Vielfalt macht sich auch im Stadtbild bemerkbar. Fährt man nur ein paar Stationen mit der U-Bahn, so fühlt man sich wie auf einem anderen Kontinent.

Das britische Empire ist vergangen, doch es hat mit London ein attraktives Erbe hinterlassen. Londons East End ist ein klassisches Immigrantenviertel. Hier leben Einwanderer aus der Karibik, Afrika oder Indien. Die Gegend um Brick Lane ist das Zuhause vieler Bangladescher, in Stamford Hill leben orthodoxe Juden, Vauxhall ist das Viertel der Portugiesen.

Die Gesichter von zwei lachenden dunkelhäutigen Frauen.

Karneval in Southwark

London ist eine Weltreise im Minutentakt. In Brixton fühlt man sich wie im Herzen Afrikas – würde nur das englische Wetter mitspielen auf dem Basar, wo sich bunte Gewänder und Turbane mit imitierten Markenuhren abwechseln. Natürlich gibt es auch in London Spannungen unter den vielen verschiedenen Nationen.

Doch insgesamt lässt jeder jeden gewähren. Denn in diesem kulturellen "Melting Pot" (Schmelztiegel) ist jeder ein Ausländer und eine Besonderheit. Cricketspieler und Teezeremonien werden ebenso toleriert oder bestaunt wie schrill gekleidete Gestalten oder orientalische Besonderheiten.

Vieles geht auch ins Alltagsleben über. So ist etwa Soho das europäische Zentrum der Traditionellen Chinesischen Medizin, und indische Gerichte sind längst Bestandteil der typischen Londoner Küche.

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 18.03.2020)

Quelle: WDR

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