Portraitaufnahme von Steffen Reich.

Alpen

Interview: Alpen-Kampagne "…einfach schön!"

Die Alpen sind bedroht, nicht nur vom Klimawandel. Viele Touristenorte in den Bergen rüsten auf: Skigebiete sollen zu Mega-Skigebieten erweitert werden und Freizeitparks sollen neue Besucher anlocken.

Von Claudius Auer

Planet Wissen: Herr Reich, der Deutsche Alpenverein hat sich zum ersten Mal mit seinen Kollegen in Österreich und Südtirol für eine internationale Kampagne zusammengeschlossen, zur Rettung der Alpen. Was genau wollen Sie retten?

Steffen Reich: "Die Alpen sind schön", das ist unsere Botschaft. Sie sind das grüne Herz mitten in Europa und haben eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Es gibt 400 endemische Arten in den Alpen – also Tiere und Pflanzen, die es nur dort gibt. Das ist ein unschätzbarer Wert, der immer mehr durch menschliche Eingriffe, aber auch durch den Klimawandel bedroht ist.

Motiv Alpen bei Sonnenaufgang.

Werbemotiv Alpen

Aber die Alpen sind nicht nur unberührte Natur: Sie sind eine einzigartige Kulturlandschaft, die sich über Jahrhunderte entwickelt hat. Die Artenvielfalt, die es dort gibt, hat sich auch durch die traditionelle Landwirtschaft und durch die Beweidung der Almen herausgebildet. Und diese Bewirtschaftungsformen verschwinden immer mehr.

Wir wollen auf die Bedrohung dieser sensiblen Balance zwischen Natur und gewachsener Kultur aufmerksam machen. Denn die Alpen sind auch ein enorm wichtiger Erholungsraum, ja ein Sehnsuchtsort vieler Stadtmenschen, die dort Ruhe und Naturschönheit suchen.

Sie sehen die Alpen von zu viel Tourismus bedroht: Funparks, Mega-Skigebiete, Eventlandschaften schießen immer mehr aus dem Boden...

Vor allem der Ausbau der Skigebiete ist ein Problem. Durch den Klimawandel sind viele Gebiete nicht mehr schneesicher. Die Folge sind Millioneninvestitionen in Beschneiungsanlagen und Speicherteiche, die dafür das Wasser bereitstellen. Viele Beschneiungsanlagen werden mit Steuergeldern bezuschusst, auch in Bayern. So sollte es nicht laufen. Außerdem werden immer mehr Skigebiete miteinander verbunden. Das Pitztal und das Ötztal zum Beispiel entwickeln sich zu so einem Mega-Skigebiet. Mehrere neue Lifte und eine große neue Bergstation sollen diese beiden Skigebiete verbinden. Der Raum für die alpine Natur und einen sanften Bergtourismus wird dadurch wieder einmal kleiner.

Gerade im Sommer sind diese Gebiete für Besucher nicht sehr attraktiv. Durch intensive Baumaßnahmen und intensive Nutzung leidet die Natur, aber auch das Landschaftsbild. Das ist zu kurzfristig gedacht: Denn viele Skigebiete werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten von der Klimaerwärmung betroffen sein und zum Teil schließen. Daher ist uns besonders wichtig, dass bisher noch nicht erschlossene Räume auch erhalten bleiben und Ruhegebiete respektiert werden.

Sie wünschen sich stattdessen mehr "sanften Tourismus", was ist darunter zu verstehen?

Sanfter Tourismus belässt die Landschaft weitgehend so, wie sie ist. Das Naturerlebnis und das Interesse an der örtlichen Kultur stehen dabei im Vordergrund. Die Besucher übernachten möglichst nicht in großen Hotels, sondern direkt bei den Anwohnern. Wichtig ist, dass sie dann auch länger bleiben und die Angebote dort nutzen. Also nicht für ein Wochenende mit dem Auto durch die halben Alpen fahren und gleich wieder zurück, sondern übernachten und auch Geld dort lassen, lokale landwirtschaftliche und handwerkliche Produkte kaufen. Damit unterstützen sie die Erhaltung der Natur und der lokalen Kultur. Das Geld fließt also in die lokalen Gemeinden und zu den Menschen, die da wohnen. Das heißt ganz klar, dass man auch mal Ski fahren kann, aber eben nicht nur. Wir wünschen uns einen gesunden Mix aus Sommer- und Winterurlaub mit verschiedenen Aktivitäten.

Ich habe übrigens den Eindruck, dass das auch immer mehr der Wunsch vieler Touristen ist. In den Bayerischen Alpen gibt es beispielsweise mehr Sommer- als Wintertourismus. Und auch wir beim Alpenverein haben steigende Mitgliederzahlen. Unsere Mitglieder wollen sich draußen in der Natur bewegen. Das ist für mich ein klares Zeichen, dass viele Menschen weniger am Remmidemmi interessiert sind, sondern an einem echten Naturerlebnis.

Das heißt: Die Touristen müssen umdenken, aber auch die Bewohner. Klappt das beides?

Man muss schon jetzt andere Weichen stellen. Viele Skigebiete werden mit der Klimaerwärmung vielleicht noch 20 bis 30 Jahre laufen. Das heißt: Einen Teil kann man erhalten, man muss aber jetzt schon aktiv andere Standbeine suchen. Die Skigebiete immer weiter ausbauen, ist der falsche Weg.

Der Massentourismus ist auch nicht komplett ersetzbar durch Sommertourismus und sanften Tourismus. An bestimmten Orten wird es auch weiter Massentourismus geben. Insgesamt gilt aber: lieber etwas weniger und dafür einen authentischen Tourismus mit Qualität.

Sanfter Tourismus und eine kluge Förderpolitik sollten auch helfen, die traditionelle Berglandwirtschaft zu erhalten. Jede Region muss da ihre eigenen Konzepte entwickeln. Gerade die Alpen sind für uns also eine Denkschule, wie ökologischer Tourismus, aber auch ein ökologisches Wirtschaften generell aussehen können.

Quelle: SWR | Stand: 14.05.2019, 16:00 Uhr

Darstellung: