Antibiotika in Tablettenverpackung liegt auf der Schachtel mit Beschriftung.

Resistente Keime

Warum Antibiotika-Resistenzen zunehmen

Wer eine bakterielle Infektion hat, muss oft Antibiotika einnehmen. Doch inzwischen mehren sich die Fälle, in denen Ärzte große Mühe haben, überhaupt noch ein Antibiotikum zu finden, das hilft. Was beschleunigt die Entwicklung von Resistenzen und was könnte helfen?

Von Angelika Wörthmüller

Resistenzen – eine Überlebensstrategie von Bakterien

Dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, ist bis zu einem gewissen Grad ein natürlicher Prozess. Denn Bakterien wandeln sich unaufhörlich und passen sich ihrer Umgebung an. Dabei entstehen auch Formen, die widerstandsfähiger gegen Antibiotika sind; manche werden sogar so abwehrbereit, dass die Medikamente ihnen gar nichts mehr anhaben können.

Zwar können die nicht-resistenten Ursprungs-Bakterien durchsetzungsfähiger sein als die resistenten Formen, aber resistente Bakterien können ihre Informationen auch an andere Bakterien weitergeben. Das macht sie zu einer wachsenden Gefahr.

Antibiotika-Verordnungen sind oft unsinnig

Der falsche und zunehmende Einsatz von Antibiotika begünstigt, dass resistente Bakterien heute auf dem Vormarsch sind.

Ein Beispiel für den unsachgemäßen Gebrauch in der Medizin sind Erkältungskrankheiten. 90 Prozent aller Schnupfen-, Husten- und Heiserkeits-Beschwerden werden durch Viren verursacht. Doch obwohl Antibiotika gegen virale Infektionen nichts ausrichten können, verordnen Ärzte häufig ein Antibiotikum.

Daran sind Patienten oft mitschuldig. Viele drängen regelrecht auf ein Antibiotika-Rezept – zum einen, weil sie hoffen, durch Antibiotika schneller gesund zu werden, zum anderen, weil sie nicht wissen, dass diese Medikamente gegen Erkältungskrankheiten in der Regel nicht wirken.

Ein Umdenken ist hier dringend erforderlich. Bevor ein Arzt ein Antibiotikum verschreibt, sollte er durch einen Test nachweisen, dass tatsächlich eine bakterielle Infektion vorliegt.

Auch in Krankenhäusern kommen Antibiotika nicht immer sachgemäß zum Einsatz. Manchmal werden sie schon zur Therapie benutzt, obwohl noch nicht klar ist, um welchen Erreger es sich handelt und ob die Antibiotika ihn überhaupt bekämpfen können.

Wenn dann nach zwei bis drei Tagen das Ergebnis der Erregeranalyse aus dem Labor kommt, zeigt sich immer wieder, dass das Antibiotikum gar nicht helfen konnte.

Es wäre sinnvoll, wenn Kliniken bei der Diagnose häufiger Infektiologen hinzuzögen. Diese Fachärzte sind darin geschult zu erkennen, welche Symptome eines Patienten einen Antibiotika-Einsatz sinnvoll machen und welche nicht.

Moderne Therapien steigern den Antibiotika-Einsatz

Die moderne Medizin erfordert häufig den Einsatz von Antibiotika. Nicht immer ist das sinnvoll. Vor Operationen sind Antibiotika unerlässlich, aber nach dem Eingriff sind sie nicht unbedingt erforderlich. Dennoch werden Antibiotika zur Sicherheit oft nach Operationen weiter gegeben.

Der Einsatz von Antibiotika in der Medizin wird in Zukunft vermutlich noch steigen. Denn viele moderne Therapien kommen nicht ohne Antibiotika aus.

Bei Organtransplantationen, Tumor- und Rheuma-Therapien wird das körpereigene Immunsystem unterdrückt – das macht die Patienten anfälliger für Infekte. Ohne Antibiotika könnten diese Therapien nicht angewandt werden.

Zu viele Antibiotika in der Nutztierhaltung

In der Landwirtschaft werden Antibiotika ebenfalls oft unnötig gegeben. Nutztiere in Massenhaltung erkranken leicht an Infektionen, die sich dann schnell im ganzen Stall ausbreiten können. Um dies zu verhindern, wird meist die ganze Herde behandelt, wenn ein einzelnes Tier erkrankt.

Dass Tierhaltung auch mit weniger Antibiotika möglich ist, zeigen Untersuchungen der obersten europäischen Infektionsschutzbehörde European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC).

Während Landwirte in Deutschland etwa 200 Milligramm pro Kilogramm Lebendgewicht Tier verbrauchen, benutzen sie in Finnland nur 24, in Schweden 13, in Island 6 und in Norwegen nur 4 Milligramm pro Kilogramm Lebendgewicht Tier.

In Deutschland enthält vor allem Geflügelfleisch häufig Erreger, die gegen viele Antibiotika resistent sind. Beispielsweise zeigte eine Untersuchung des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) von 2015, dass 88 Prozent der Putenfleischproben aus verschiedenen Discountern mit multiresistenten Keimen besiedelt war.

Wenn Menschen in der Küche mit diesen multiresistenten Keimen in Kontakt kommen, können diese sich auf Haut und Schleimhäute heften. Solange seine Immunabwehr stark ist, wird ein Mensch dadurch nicht krank. Doch beim nächsten Besuch in einem Krankenhaus trägt er sie in die Klinik und gefährdet somit schwerkranke Patienten.

Strikte Hygiene-Regeln bremsen die Ausbreitung von Keimen

Krankenhäuser sind zunehmend auch mit resistenten Erregern konfrontiert, die aus dem Ausland stammen. Reisende bringen sie auf der Haut oder im Darm mit, ohne etwas davon zu merken. Um multiresistente Keime nicht in Krankenhäuser einzuschleppen, sollte jeder Besucher gleich an der Eingangstür seine Hände desinfizieren.

Jedes deutsche Krankenhaus ist dazu angehalten, alle Menschen, die möglicherweise mit multiresistenten Keimen befallen sein könnten, zunächst zu isolieren und durch einen Nasenabstrich zu testen. Bei Bewohnern aus Pflegeheimen und bei Patienten aus dem außereuropäischen Ausland wird dies oft routinemäßig gemacht.

Leider besitzen deutsche Kliniken oft nicht genug Kapazitäten, um dies konsequent durchzusetzen. So fehlt es zum Beispiel oft an Isolierzimmern.

In den Niederlanden hingegen verfahren Kliniken schon seit den 1980er-Jahren nach einer speziellen Strategie gegen den gefährlichen Erreger MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus), die unter anderem auf einer strikten Isolation von Risikopatienten bis zum Testergebnis beruht.

Dass die niederländische Strategie die Ausbreitung multiresistenter Keime bremst, zeigt eine Untersuchung des ECDC. Demnach trugen in den Niederlanden im Jahr 2013 rund 0,7 Prozent der Bevölkerung multiresistente Keine in sich. Das ist der geringste Anteil in Europa, zusammen mit Norwegen.

In Deutschland liegen nur vereinzelt Zahlen vor. Aus diesen geht hervor, dass etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung Träger von MRSA sind. Ein höherer MRSA-Anteil findet sich bei Tierärzten und Landwirten, die beruflichen Kontakt zu landwirtschaftlichen Nutztieren haben, insbesondere zu Schweinen.

Ärzte in blauen Kitteln und Mundschutz bei einer OP.

Niederländische Kliniken bekämpfen multiresistente Keime vorbildlich

Quelle: SWR | Stand: 19.07.2019, 17:00 Uhr

Darstellung: