Foto eines Eisbergs.

Gefahren im Eis

"Ice Patrol" – Frühwarnung vor Eisbergen

Nach der "Titanic"-Katastrophe 1912 mit mehr als 1500 Toten wird 1914 die internationale Eispatrouille "Ice Patrol" gegründet. 16 Nationen wachen seitdem gemeinsam darüber, dass sich im Nordatlantik keine größeren Unfälle mehr ereignen.

Von Harald Brenner

Von Neufundland aus überfliegt die "Ice Patrol" regelmäßig den Nordatlantik. Ihre Aufgabe: Eisberge orten. Zwischen Januar und Juli herrscht in diesem Gebiet Eisbergalarm: 40.000 weiße Kolosse brechen jedes Jahr von den kalbenden Gletschern in Grönland ab. Auf ihrem Weg in den Süden gefährden sie Schiffe und Bohrinseln.

Mithilfe von Messgeräten versuchen Fachleute, den Kurs der Eisberge vorauszubestimmen. Eisberge sind immer in Bewegung: Sie können täglich bis zu 15 Kilometer zurücklegen. Wind, Strömung und Temperatur verändern ständig ihren Kurs.

Die "Ice Patrol" wirft Messsonden ab, die Meeresströmungen bis in eine Tiefe von 80 Meter erfassen. Die gemessenen Daten werden in ein Computermodell eingegeben, das den Kurs der Eisberge vorausberechnen soll. Trotzdem muss die Position der schwimmenden Trümmer täglich aus dem Flugzeug überprüft werden.

Fast 90 Prozent der Masse eines Eisbergs befinden sich unter Wasser. Weder Mensch noch Technik können die Ausdehnung des Eises unter der Meeresoberfläche zuverlässig abschätzen. Deshalb gilt als oberstes Gebot: Abstand halten!

Bohrinseln dagegen können nicht ausweichen. Kommt ein Eisberg einer Ölplattform näher als 30 Meilen, wird es höchste Zeit für den Abschleppservice. Dafür muss ein Hochseeschlepper gefährlich nah an den Eisberg heranfahren. Die Mannschaft legt dann ein armdickes Tau um den Eisberg, bis sie den Brocken in der Schlinge hat.

Ein schwieriger und mühseliger Job, denn das Tau rutscht oft ab. 12.000 PS ziehen dann den Koloss langsam aus der Gefahrenzone. So weit, bis eine andere Meeresströmung den Eisberg auf einen neuen, ungefährlichen Kurs bringt.

Mitarbeiter der 'Ice Patrol' im Flugzeug über dem Eisbrecher 'Arktika'.

Die Koordinaten der Eisberge gehen per Funk an die Schiffe

In den 1960er Jahren versuchte die US-Küstenwache, gefährliche Eisberge zu zerstören. Doch die eiskalten Ungetüme erwiesen sich als äußerst robust und trotzten allen Versuchen: Weder Kanonen noch 500 Pfund schwere Sprengsätze oder Brandbomben konnten etwas ausrichten. Die Sprengmeister kamen zu dem Ergebnis, dass nur eine Atombombe einen Eisberg zerstören könne.

Für die vielbefahrenen Schifffahrtsstraßen gibt es zwar keinen Abschleppservice, aber dank "Ice Patrol" eine sehr genaue Eisberg-Warnung. Die Organisation gibt die Koordinaten der gesichteten Eisberge über Funk an die Schiffe weiter.

Alle Kapitäne wissen dann, wo sie mit Eisbergen rechnen müssen. Sie selber wiederum geben Rückmeldung, wenn sie auf einen Eisberg stoßen, der von "Ice Patrol" übersehen wurde.

Im Durchschnitt ortet "Ice Patrol" etwa 600 Eisberge pro Jahr – Tendenz steigend. Über die Ursachen der Zunahme an Eisbergen wird spekuliert. Tatsache ist aber, dass das Eis in Grönland immer stärker schmilzt und ständig größere Eisbrocken von den kalbenden Gletschern abbrechen.

Insgesamt hat sich die Eismasse in Grönland im vergangenen Jahrhundert um fast 30 Prozent verringert, was nach Meinung der Klimaforscher eindeutig auf die wachsende, von Menschen verursachte Klimaerwärmung zurückzuführen ist.

Quelle: SWR | Stand: 22.01.2021, 18:00 Uhr

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