Technische Schnittzeichnung des Kernfusionsreaktors mit dem zum Plasma erhitzten Wasserstoff.

Atomenergie

Kernfusion – Energie der Zukunft?

Die Sonne bezieht ihre unerschöpfliche Energiemenge aus der Kernfusion – der Verschmelzung von Atomkernen. Die Verlockung ist groß, das Sonnenfeuer auch auf der Erde zu entzünden. Dafür benötigt man Wasserstoff – und den gibt es auf unserem Planeten reichlich.

Von Harald Brenner und Martin Gent

Verschmelzung bei 100 Millionen Grad

Im Vergleich zur Kernspaltung hat die Kernfusion einige Vorteile. Fusionskraftwerke wären sicherer und radioaktiver Abfall entsteht in geringeren Mengen. Der gilt zudem als erheblich ungefährlicher. Schon nach etwa 100 Jahren soll keine Gefahr mehr von ihm ausgehen, während die Abfälle aus der Kernspaltung noch in tausend Jahren radioaktiv strahlen werden und das Endlagerproblem nach wie vor ungelöst ist.

Der Brennstoff für ein Fusionskraftwerk ließe sich aus Meerwasser und dem häufig vorkommenden Metall Lithium gewinnen. Bei der Kernfusion verschmelzen Wasserstoffisotope (Deuterium und Tritium) zu Helium. Dabei wird ungeheuer viel Energie frei.

Der Haken: Wasserstoffatome verschmelzen nicht freiwillig. Man muss sie auf 100 Millionen Grad erhitzen, sie also in ein so genanntes Plasma überführen.

Die enorme Hitze, die man für das Plasma braucht, ist ein Problem. Mit gewaltigen Elektromagneten muss man das Plasma von den Reaktorwänden fernhalten, weil es sich sonst zu stark abkühlt und das Fusionsfeuer wieder ausgeht. In bisherigen Testanlagen kann der Fusionsprozess deshalb nur etwa eine Minute lang am Laufen gehalten werden. Zudem muss man bislang noch mehr Energie in den Prozess hineinstecken, als bei der Fusion wieder frei wird.

Treibhausgase entstehen ohnehin bei beiden Techniken kaum.

Forschungsreaktor "ITER" – eine technische Herausforderung

2005 wurde der Bau des internationalen Forschungsreaktor "ITER" (lateinisch für: "der Weg") beschlossen, der seit 2008 im französischen Cadarache gebaut wird. Japan, Russland, die USA, Südkorea, Indien und die Europäische Union (EU) sind Partner in dem Weltprojekt.

Damit soll es erstmals gelingen, die technischen Probleme in den Griff zu bekommen. Die Anlage wird nach aktuellem Stand mehr als 20 Milliarden Euro kosten und soll 2025 in Betrieb gehen – 15 Milliarden mehr und neun Jahre später als ursprünglich geplant.

Ziel des Projekts ist es, die wissenschaftliche und technische Machbarkeit der Energieerzeugung aus Kernfusion zu demonstrieren. Kritiker bezweifeln, dass dies gelingt. Die beteiligten Forscher und Ingenieure indes sehen bislang keinen wissenschaftlichen Grund, warum diese Form der Energieerzeugung nicht erfolgreich sein sollte. Laut Angaben des ITER soll das Kraftwerk etwa ab 2050 kommerziell erfolgreich laufen.

Fusionsreaktor ITER im Bau: Ein großes Gebäude umgeben von Kränen. Im Vordergrund die Flaggen der Partnernationen.

Fusionsreaktor ITER im Bau 2016

50 Jahre Fusionsforschung

Seit rund 50 Jahren betreiben Wissenschaftler Fusionsforschung und ein paar Jahre wird es noch dauern, bis ein Reaktor erfolgreich Strom erzeugen wird. Wer auf Kernfusion setzt, braucht einen langen Atem.

Als energiepolitische Option kommt die Technik aller Wahrscheinlichkeit nach zu spät. Bis der erste Fusionsreaktor läuft, könnten erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wind und Biomasse längst den Hauptteil der Stromerzeugung übernommen haben.

Grafik der geplanten Anlage von ITER, dem internationalen Atom-Fusionsreaktor im suedfranzoesischen Cadarache.

"ITER" wird wohl über die Zukunft der Kernfusion entscheiden

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Quelle: SWR | Stand: 12.10.2018, 11:00 Uhr

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