Passgenaue Implantate
Kein Mensch gleicht dem anderen. Ein Fakt, der es Ärzten erschwert, wenn es um individuelle Therapien geht.
Zwar gibt es jede Menge Implantate und Prothesen für den Körper des Menschen. Aber egal ob Kniegelenk, Hüfte oder Schulter – der künstliche Ersatz ist immer ein Standardprodukt, das allenfalls in verschiedenen Größen erhältlich ist.
Auf die Beschaffenheit des jeweiligen Körpers, etwa auf lange oder kurze Knochen, kann da oft keine Rücksicht genommen werden.
Hier setzt die 3D-Drucktechnik an: Mit ihr lassen sich Implantate erzeugen, die millimetergenau an die Patientenanatomie angepasst sind. Ein solch perfekt abgestimmtes Kniegelenk sitzt besser und kann auch besser einwachsen.
Es gibt bereits einige Kliniken in Deutschland, die ihren Patienten Implantate aus dem 3D-Drucker anbieten. Das kostet etwa doppelt so viel wie die standardisierte Variante, wird aber in begründeten Fällen durchaus von der Krankenkasse bezahlt. Diese erhofft sich im späteren Verlauf weniger Arztbesuche und Eingriffe durch das individuell angepasste Implantat.

Exakte Kopie: ein Herz aus dem 3D-Drucker
Langzeiterfahrungen fehlen noch
Unklar ist bisher, wie sich die Gelenke aus dem 3D-Drucker im Laufe der Jahre verändern. Ein herkömmliches Implantat hält im durchschnittlich 15 Jahre. Erst seit 4 Jahren werden die gedruckten Gelenke auch in Patienten eingepflanzt, es gibt also noch keine Langzeiterfahrung damit.
Maßgeschneiderte Prothesen und Implantate sind nur die eine Möglichkeit des medizinischen 3D-Drucks. Die andere ist das Drucken von Organmodellen.
Steht etwa eine schwierige Herzoperation an, können sich die Chirurgen die Gegebenheiten vorher an einem 3D-gedruckten Modell anschauen und sogar üben – das Material erlaubt es sogar, solche Modelle aufzuschneiden.
Die Ärzte können sich so auf die Operation vorbereiten, etwaige Komplikationen vorhersehen und sich Lösungen überlegen. Davon profitiert der Patient, zudem dauert die eigentliche Operation meist kürzer.
Herzklappen mithilfe des 3D-Druckers herstellen
In North Carolina experimentieren Forscher am Wake Forest Institute for Regenerative Medicine seit mehr als zehn Jahren mit einem Gewebe- und Organdrucker. Anthony Atala und sein Team von etwa 300 Wissenschaftlern wollen verschiedene Muskel- und Knochengewebe nachbilden.
Sie verwenden dafür den vollständig biologisch abbaubaren Kunststoff Polycaprolacton, der aus Erdöl gewonnen wird und thermisch gut formbar ist.
Haut, Nieren und sogar Penisse sind auf diese Weise schon entstanden. Bisher haben die Forscher die künstlich geschaffenen Strukturen ausschließlich Tieren implantiert – das allerdings mit Erfolg.
Auch Forscher in Deutschland beschäftigten sich mit dieser Art des 3D-Drucks. So versuchen Wissenschaftler am Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik (IGB) in Stuttgart, Herzklappen mithilfe des 3D-Drucks herzustellen.
Sie drucken dafür ein entsprechendes Gerüst, auf dem sie die Zellen zu einer Herzklappe wachsen lassen. Das funktioniert im Labor hervorragend und hätte im Patienten gegenüber klassischen Modellen den Vorteil, dass es zu keinen Abstoßungsreaktionen kommt.

Ein Hüftgelenk aus dem 3D-Drucker
Die Anwendung gedruckter Organe und Gewebsstrukturen am Menschen steht noch nicht unmittelbar bevor, ist aber natürlich angestrebt. Den Weg dahin pflastern viele noch zu klärende Fragen:
- Wie reagiert das menschliche Immunsystem auf den Kunststoff?
- Was sind die Langzeitprognosen?
- Wie ist die Sterilität bei einem gedruckten Gewebe gewährleistet?
- Wer zertifiziert das überhaupt? Und nicht zu guter Letzt:
- Gibt es moralische Bedenken, sich lebenswichtige Organe im Bedarfsfall einfach nachdrucken zu lassen?
Neue Beißer aus dem 3D-Drucker
Ein Feld, in dem das dreidimensionale Drucken schon heute große Erfolge feiert, ist die Zahntechnik. In vielen Dentallaboren hat die digitale Technik die herkömmlichen Methoden bereits ersetzt: das Fräsen und das Gießen.

Praktisch für den Kieferorthopäden: Modell eines Gebisses
Die Vorteile sind immens: Zahnersatz und Implantate sind klein, sie zu drucken geht wesentlich schneller als sie konventionell herzustellen. Der 3D-Druck ermöglicht ein präziseres Arbeiten, beim Fräsen muss der Patient hier eher Abstriche hinnehmen.
Zudem wird während des Fräsens das Material aus einem bestehenden Block abgetragen – der Materialverbrauch und damit die Herstellungskosten liegen also höher als beim Druck.
Gießen ist sehr zeitintensiv, außerdem ist die Materialdichte begrenzt. Das kann der 3D-Druck besser. Während eines einzigen Druckvorgangs kann etwa eine Brücke an unterschiedlichen Stellen steifer oder elastischer produziert werden.
Auch Fälscher nutzen 3D-Drucker
Auch die Kieferorthopädie und -chirurgie profitiert vom 3D-Druck: Auf Basis der Daten, die mithilfe des sogenannten DVT-Röntgens (Digitale Volumenfotografie) gewonnen werden, kann ein Modell des Kiefers gedruckt werden. Damit kann der Arzt dem Patienten die Behandlung und den Verlauf anschaulich zeigen.
Vor allem für den Patienten eine große Erleichterung: Der unangenehme Löffelabdruck gehört damit der Vergangenheit an. Schienen und Zahnspangen werden einfach am Computer berechnet und ausgedruckt.

Ein Prostatamodell hilft den Ärzten bei der OP
Der Erfolg der 3D-gedruckten Implantate und Prothesen hat leider auch seine Schattenseiten: Kriminelle machen sich diese vergleichsweise kostengünstige Variante zunutze, um Fälschungen auf den Markt zu bringen.
Da die Produkte meist klein und teuer sind, ein lohnendes Geschäft. Allerdings deutlich gefährlicher als eine gefälschte Armbanduhr oder Jeans zu tragen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass rund acht Prozent der weltweit vertriebenen Medizinprodukte Fälschungen sind. Die seriösen Hersteller versuchen sich mit Schutzrechten zu wappnen, entsprechend steigt die Zahl der Patentanmeldungen.
Stand: 20.11.2018, 14:36 Uhr