Spezialisten bei einer Erdwärme-Bohrung

Erdwärme

Chancen und Risiken der Geothermie

Geothermie konnte bisher nur wenig Anteile zum Energiemix aus erneuerbaren Energien beisteuern. Neue Technologien könnten die Geothermie interessanter werden lassen, sie bergen aber auch einige Risiken.

Von Wolfgang Richter

Fast unerschöpfliche Energie

Fast unerschöpfliche Energie und das größte Entwicklungspotenzial unter den Erneuerbaren Energien besitzt die Erdwärme-Nutzung. Erdwärme ist im Prinzip überall nahezu unbegrenzt verfügbar, jederzeit, unabhängig von Wind, Sonne oder Wetter. Täglich wird nach Experten-Schätzungen etwa viermal mehr Energie in den Weltraum abgestrahlt, als wir Menschen weltweit an Energie verbrauchen.

Diese Energie stammt aus dem heißen Inneren der Erde, in deren Kern Temperaturen von etwa 5000 Grad Celsius erreicht werden. In dem uns zugänglichen Tiefenbereich von 3000 bis 7000 Metern steht unter der Fläche der Bundesrepublik so viel Energie zur Verfügung, dass Deutschland sich damit für geschätzt 10.000 Jahre komplett mit Strom und Wärme versorgen könnte. Ein ungeheures Potenzial, das besser genutzt werden könnte, gäbe es nicht …

Unschöne Nebenwirkungen

In Staufen im Breisgau kam es 2007 nach Erdwärmebohrungen hinter dem Rathaus zu massiven Gebäudeschäden. Offenbar war bei der Bohrung Grundwasser in Schichten mit dem Mineral Anhydrit eingedrungen, worauf sich der Stoff in Gips umwandelte und aufquoll.

In der Folge hob sich die Erde um einen halben Meter und beschädigte praktisch die gesamte Altstadt. Das gleiche Bild in Böblingen 2009: In 80 Häusern zeigten sich immer größer werdende Risse. Der Verdacht erhärtete sich, dass die Ursache die gleiche wie in Staufen ist – das sogenannte Gipskeuperquellen.

Erdwärmebohrung in Staufen

Mit einer Erdwärmebohrung begannen die Probleme in Staufen

Doch nicht nur Hebungen können Folge der Anwendung oberflächennaher Geothermie sein. Nach einer Erdwärmebohrung in der Nähe der Keplerschule in Schorndorf (Rems-Murr-Kreis) senkten sich 2009 die Klassenzimmer, auch bei fast einem Dutzend anderer Häuser wurden Beschädigungen festgestellt.

Im Juli 2011 wurden in Leonberg durch eine Erdwärmebohrung versehentlich zwei Grundwasserschichten miteinander verbunden. Das Wasser floss nach unten ab, der Boden sackte weg. Etwa 25 Häuser aus einem benachbarten Wohnviertel wurden zum Teil schwer beschädigt.

Mikro-Erdbeben stimmen nachdenklich

Mit noch mehr Skepsis betrachten viele Bürger Projekte der "tiefen Geothermie". An einigen Standorten kam es durch den Betrieb von Geothermie-Kraftwerken bereits zu kleinen Erdbeben. Eine Stärke von 3,4 erreichte im Dezember 2006 ein Beben in Basel. Oberflächenwasser wurde mit zu hohem Druck in den Untergrund gepumpt. Das Geothermie-Kraftwerk Basel ist inzwischen stillgelegt.

In Landau in der Pfalz kam es im Sommer 2009 zu leichten Erderschütterungen, vermutlich ebenfalls vom ortsansässigen Geothermie-Kraftwerk verursacht.

Die Mikro-Erdbeben hatten nur eine Magnitude von 2,5; größere Schäden gab es wie auch in Basel zwar nicht, aber die psychologische Wirkung auf die Anwohner war enorm.

Und als sich im Februar 2014 Risse in der Straße am Kraftwerk bildeten und ein Bahndamm leicht absackte, schaltete der Betreiber das Geothermie-Kraftwerk aus Sicherheitsgründen vorläufig ab. Auch hier gab es offenbar Probleme im Untergrund durch das Einpressen von Oberflächenwasser.

Bürgerinitiativen formieren sich

In Landau gründete sich nach den Ereignissen eine Bürgerinitiative, die zusammen mit der Stadt ein erneutes Anlaufen des Geothermie-Kraftwerkes verhindern will. Vor allem die Erdbeben hatten viele Menschen verängstigt.

Inzwischen hat sich der Protest gegen die Erdwärme-Nutzung auf andere Orte ausgeweitet, an denen Kraftwerke geplant sind. Zum Beispiel auf Brühl, wo man Anfang 2013 in mehr als 3000 Metern Tiefe auf Heißwasser führende Schichten gestoßen war.

Die baden-württembergische Landesregierung jedoch setzt weiterhin auf Geothermie. "Wir wollen den Anteil der Erneuerbaren Energien in der Wärmeerzeugung bis zum Jahr 2020 auf rund 21 Prozent verdoppeln. Dies gelingt uns nur, wenn wir die Geothermie weiterhin nutzen können", sagt der grüne Umweltminister aus Baden-Württemberg, Franz Untersteller.

Mehr Forschung könnte helfen

Dass es sich lohnen könnte, sollen folgende Berechnungen der Befürworter zeigen: Mit den heute bekannten Ressourcen der "tiefen Geothermie" könnten 29 Prozent des deutschen Wärmebedarfs gedeckt werden und mit der "oberflächennahen Geothermie" noch einmal 28 Prozent. Der Anteil an der deutschen Stromproduktion könnte immerhin fünf Prozent betragen.

Wären da nicht die Problemfälle. Aber eigentlich ist bisher noch nicht viel passiert. Es gab einige – bis auf Staufen – mehr oder weniger geringe Sachschäden, Menschen kamen durch die Erdwärmenutzung nicht zu Schaden.

Befürworter der Geothermie weisen darauf hin, dass die wenigen Störfälle im Verhältnis zu den über 300.000 existierenden Geothermie-Anlagen gesehen werden müssten.

Eine Studie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) geht daher beim Einbau von Erdwärmesonden in Baden-Württemberg von einer Schadens-Wahrscheinlichkeit von unter 0,002 Prozent jährlich aus.

Außerdem sind seit Oktober 2011 Versicherungen der Bohrfirmen mit Deckungssummen bis fünf Millionen Euro vorgeschrieben, zudem gelten neue Leitlinien zur Qualitätssicherung bei Erdwärmesonden.

Dennoch: Das Image der Geothermie hat stark gelitten. Vielleicht muss doch noch mehr Zeit und Geld in die Erforschung und Entwicklung der Technologie investiert werden.

Die Geologen des KIT wollen deshalb demnächst Feldversuche im Untergrund machen. In einem der 70 noch vorhandenen Bergwerksstollen im Schwarzwald wollen sie das sogenannte "Geolab" einrichten.

Grundlagenforschung an Störungszonen im "Geolab"

So könnte die Arbeit im "Geolab" aussehen

Eine Schwarzwälder Besonderheit ist nämlich, dass das für die Geothermie wichtige Granitgestein, das sonst in 3000 Meter Tiefe als wärmeführende Schicht genutzt wird, hier nur wenige Meter unterhalb der Erdoberfläche zu finden ist.

Eine "Geothermie"-Bohrung von oben kann so in einem Stollen quasi wie durch ein Schaufenster von der Seite beobachtet werden. Horizontale Sondierungsbohrungen sollen elektrische Leitfähigkeit, Temperatur und Druck im umliegenden Gestein messen, wenn von oben Wasser ins Bohrloch gepresst wird.

Geophone könnten zudem die dabei entstehenden Mikro-Erdbeben aufnehmen. Außerdem lassen sich leicht Bodenproben ziehen, die dann mit chemischen Methoden und Elektronenmikroskopen auf Veränderungen hin untersucht werden.

Das Geolab ist bereits von der Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren als priorisiertes Projekt anerkannt worden. Nun müssen noch die Ministerien und die Deutsche Forschungsgemeinschaft grünes Licht geben.

Quelle: SWR | Stand: 12.10.2018, 13:30 Uhr

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