Aufgeschlagene Doppelseite eines kunstvoll verzierten mittelalterlichen Buches

Tinte

Mit Gold schreiben

Wurde im Mittelalter mit Gold geschrieben?

Von Cristina Moles Kaupp

"Fülle Quecksilber und Auripigment (Arsentrisulfid, ein gelbes Mineral) in ein ausgeblasenes Ei und verstopfe die Einfüllöffnung. Schiebe das Ei einer brütenden Henne unter. Wenn die Henne ihr Gelege verlässt, so nehme dein Ei, öffne es und zerreibe den Inhalt mit etwas Wasser, so dass man damit schreiben kann. Man erhält eine goldene Tusche", verrät ein altes Rezept die Herstellung der Goldtinte.

Ein bisschen Magie begleitet alle kostbaren Güter – auch Bücher und den Saft, mit dem sie geschrieben wurden. Zwar wurde im Mittelalter hauptsächlich die Eisengallus-Tinte verwendet, doch für die aufwändig mit Miniaturen, Blüten und Landschaften illustrierten Werke auf Kalbspergament (Velin) waren farbige Tinte und Gold ein Muss.

Viele Alchimisten tüftelten an Tintenrezepten, einige davon sind überliefert. In dem bedeutendsten Handbuch mittelalterlicher Kunsttechniken "schedula diversarum artium" (Ende 11. Jahrhundert) gibt Theophilus neben Anweisungen zur Herstellung von farbigen Tinten aus Bleiweiß, Carmin und Spanisch Grün auch Rezepte zur Herstellung von Gold-, Silber-, Kupfer- und Messingtinten.

Die fein gepulverten Metalle sollten demnach teils mit Leim, teils mit Ochsengalle und Salz, Gummi Arabicum, Essig oder Wein und Wasser angerührt werden.

Die ältesten erhaltenen Manuskripte mit Gold- oder Silbertinte entstanden im vierten und fünften Jahrhundert. Natürlich gab es auch jede Menge Imitationen von Goldtinte. Ocker, Zinnober, Muschelgold und Safran lieferten die entscheidenden Pigmente.

Schwierig war das Gestalten goldfarbener Flächen - sie mussten elastisch sein und durften beim Blättern nicht reißen oder platzen. Als Vorbereitung diente eine Schicht aus Blei, Zucker und Gips, die als wässrige Lösung an entsprechender Stelle aufgetragen wurde. Nach leichtem Antrocknen wurde Blattgold aufgetragen und mit einem Achat (Quarzstein) angedrückt.

(Erstveröffentlichung 2002, letzte Aktualisierung 15.03.2015)

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Quelle: WDR

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