Ein sensationeller Fund
Erst bei Niedrigwasser wurde deutlich, dass der Fund sogar sensationell war. Vor den Bremer Archäologen lag eine auf die Seite gekippte und halb im Weserschlick versunkene Hansekogge. Die Zuordnung war für die Fachleute relativ einfach.
Da war zum einen das typische Heck des Schiffes mit seinem geraden, schräggestellten Achtersteven, der den Koggen ihr charakteristisches Erscheinungsbild gab. Dann die in Klinkerbauweise genagelten, auffallend breiten Plankengänge sowie die Querbalken, die durch die Bordwand des Schiffes ragten.
Typisch auch das Achterkastell mit seinem gerüstartigen Unterbau, das den Rumpf des Schiffes überragte. Alles war in einem erstaunlich guten Zustand, obwohl es sich um ein 500 bis 600 Jahre altes Schiff handeln musste.

Ein Puzzle aus über 2000 Einzelteilen
Die Bergung der Kogge
Die Arbeiten konnten die Kogge nicht als Ganzes heben. Eisennägel und Holzdübel hielten die Bauteile nicht mehr zusammen. Folglich bargen die Arbeiter die Kogge Stück für Stück. Am Ende lag den Experten ein riesiges Puzzle aus mehr als 2000 Einzelteilen vor.
Doch der Aufwand sollte sich lohnen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Archäologen die Hansekogge nur von überlieferten Darstellungen gekannt, zum Beispiel von verschiedenen Münzsiegeln. Nun konnten sie erstmals ein Original rekonstruieren und exakte Angaben über die Konstruktion machen: Das Schiff war 23,23 Meter lang, 7,78 Meter breit und einschließlich Achterkastell 7,04 Meter hoch.
Im ersten Schritt holten die Arbeiter nur die bei Niedrigwasser sichtbaren Teile aus dem Wasser. Ein Jahr später, 1963, legten sie die vom Weserschlick bedeckten Teile frei. Erst mithilfe einer Spezialtaucherglocke, die die Fundstelle wasserfrei hielt, konnten schließen sämtliche Teile geborgen und die Arbeiten 1965 abgeschlossen werden.
Altersbestimmung
Lange Zeit konnten die Archäologen das Alter des Schiffes nicht genau bestimmen. Sie gingen davon aus, dass dieser Schiffstyp bei der Hanse zwischen 1240 und 1400 im Einsatz gewesen war. Untersuchungen am Hamburger Bundesforschungsanstalt für Forst- und Holzwirtschaft ergaben dann eine präzisere Datierung: Mithilfe der sogenannten Dendrochronologie fanden die Forscher heraus, dass der Bau der Hansekogge 1380 begonnen hatte.
Die Untersuchungen ergaben, dass das verwendete Eichenholz nicht aus Norddeutschland stammte, sondern aus Hessen – genauer gesagt aus dem Raum Kassel – und dass die Eiche 1378 gefällt worden war.
Solche präzisen Angaben sind möglich, weil die Wissenschaftler über das Zählen der Jahresringe nicht nur das Alter des Holzes rekonstruieren können, sondern anhand der typischen Ausprägungen der Jahresringe auch exakte Aussagen über die besonderen Wachstumsbedingungen im Baumbestand einer speziellen Region machen können.

Nachbau einer Hansekogge
Der Wiederaufbau der Kogge
Was da allerdings aus dem Weserschlick geborgen wurde, hatte mit Eichenholz nur noch wenig gemeinsam. Das Material war porös und ohne feste Struktur. Die Zellkerne des Holzes hatten sich längst aufgelöst und waren wassergefüllt.
Hätten die Forscher das Holz an der Luft trocknen lassen, so wäre es geschrumpft und zerbröselt. Um das zu verhindern, lagerten sie die einzelnen Fundstücke in einem eigens errichteten Nassholzlabor in großen Wannen in einer Speziallösung. Rund um die Uhr wässerten sie die Fundstücke, um das Austrocknen und einen Pilzbefall zu verhindern.
1972 dann begann der Bootsbauer Werner Lahn mit dem Wiederaufbau der Bremer Kogge. Die Arbeitsbedingungen waren extrem, denn um das nach wie vor brüchige Material vor dem Austrocknen zu schützen, musste es ständig besprüht werden, sodass in der Halle eine relative Luftfeuchtigkeit von 97 Prozent herrschte.

Museumsprunkstück: das restaurierte Wrack
Sechs Jahre dauerte der Zusammenbau der mehr als 2000 Einzelteile. Erst danach begann die eigentliche Konservierung. Dazu verschwand die Kogge noch einmal 19 Jahre lang in einer riesigen Badewanne, die man mit 800.000 Litern Polyethylenglykol füllte.
Dabei handelt es sich um ein lösliches Kunstwachs, das im Laufe der Zeit das Wasser aus dem Holz verdrängt und am Ende der Prozedur beim langsamen Austrocknen und Aushärten dem fragilen Gebilde eine höhere Festigkeit verleiht.
Pünktlich zur Jahrtausendwende schlossen die Restaurateure ihre Arbeit ab. Heute gehört die Bremer Hansekogge zu den Prunkstücken in der Sammlung des Deutschen Schifffahrtsmuseums in Bremerhaven.
Quelle: SWR | Stand: 08.10.2018, 11:00 Uhr