Thor Heyerdal und die "Kon-Tiki"
Einer der ersten Experimental-Archäologen war der Norweger Thor Heyerdahl. 1947 überquerte er den Pazifik mit der "Kon-Tiki", einem Floß aus Balsaholz. Mit seinem spektakulären Unternehmen wollte Heyerdahl nachweisen, dass Polynesien nicht etwa auf dem Land- und Seeweg aus Asien besiedelt wurde, sondern von Südamerika aus.
Am 28. April 1947 verließ seine sechsköpfige Mannschaft den peruanischen Hafen Callao. Das Floß bestand aus neun geglätteten Balsaholzstämmen mit einer Länge von etwa 14 Metern, einer Breite von fünfeinhalb Metern sowie einem knapp neun Meter hohen Mast für ein Rahsegel.
Auf dem Floß gab es nur eine kleine Schutzhütte. Außerdem nahm die Besetzung aus Sicherheitsgründen ein Funkgerät mit. Nach 101 Tagen und knapp 7000 Kilometern erreichte die Mannschaft das Tuamotu-Archipel in Französisch-Polynesien im Südpazifik.
Mit seiner Experimentaltour hatte Heyerdahl nicht nur die Seetüchtigkeit antiker Schiffe bei schwererem Seegang eindrucksvoll dokumentiert. Er konnte darüber hinaus auch nachweisen, dass Kurskorrekturen möglich waren – mit Hilfe der beständigen Passatwinde und der etwa 1,5 Meter langen, flexibel einsetzbaren Kielschwerter.
Nach seiner erfolgreichen Expedition unternahm Heyerdahl weitere Reisen. So versuchte er 1969 mit seinem Papyrusboot "Ra" nachzuweisen, dass auch die Ägypter und Phönizier schon nach Amerika segeln konnte. Zwar scheiterte diese Mission, doch Heyerdahl gab nicht auf. Ein Jahr später versuchte er es erneut und landete nach knapp zweimonatiger Reise auf Barbados.
Bootsbau im alten Ägypten
Inzwischen haben Archäologen, Historiker und Schiffsbauer in zahlreichen Forschungsprojekten experimentell untersucht, mit welcher Art von Schiffen Menschen früher auf Flüssen und Meeren unterwegs waren. So hat sich ein Team von Wissenschaftlern mit einem altägyptischen Relief beschäftigt, das aus dem Tempel Deir el-Bahari in Luxor stammt.
Auf dem Bild sind insgesamt fünf Schiffe zu erkennen, die sich auf Befehl der Pharaonin Hatschepsut (1503 bis 1479 vor Christus) auf den Weg in das sagenumwobene Land Punt machen. Bislang können Historiker nicht exakt nachweisen, wo sich das für seine Kostbarkeiten berühmte Punt genau befand.

Tempelrelief von Deir el-Bahari
Vermutungen legen nahe, dass es im heutigen Sudan lag. Das aber hätte bedeutet, dass die alten Ägypter mit ihren Schiffen nicht nur den Nil befuhren, sondern bereits das Rote Meer überquerten.
Bei Grabungsarbeiten fanden Archäologen ein Stück Holz, das große Ähnlichkeit mit einem der charakteristischen Bauteile auf den dargestellten Schiffen aufwies. Ein Forscherteam baute daraufhin ein Schiff aus dieser Zeit nach. Leiterin des Projekts war Cheryl Ward, US-Archäologin und Spezialistin für antike Nautik.
Als Vorlage dienten im Wesentlichen die Reliefdarstellungen. Um möglichst originalgetreu zu arbeiten, benutzten die Bootsbauer nur solches Werkzeug, das auch die Bootsbauer vor 4000 Jahren verwendeten. Ausgerüstet mit einem Mast und einem Rahsegel begab sich das Team nach Fertigstellung des Schiffes an Bord und begann mit ersten Reisen auf dem Roten Meer.
Dabei gerieten die Forscher in bedrohliche Situationen. Zwar konnten sie nicht eindeutig belegen, dass die Ägypter bereits diese Strecke bereist hatten. Doch zumindest wiesen sie nach, dass die Ägypter bereits damals die handwerklichen und seemännischen Voraussetzungen besessen hatten, um meerestaugliche Schiffe zu bauen.
Römergaleere auf der Elbe
Auch einige Wissenschaftler der Universität Hamburg wollten herausfinden, mit welcher Art von Schiffen einst die Römer auf den germanischen Gewässern unterwegs gewesen waren. Sie besaßen dafür zwar keine überlieferten Baupläne, wohl aber zwei gut erhaltene Römerschiffe, die in den 1980er-Jahren bei Bauarbeiten in der Nähe von Ingolstadt geborgen worden waren.
Unter Leitung des Hamburger Althistorikers Prof. Christoph Schäfer fertigten die Forscher Schablonen an, die dann die erforderlichen Maße lieferten. Das Bauholz bestand aus Eichen und Kiefern und stammte aus Ostwestfalen, wo auch die Römer einst das Holz für den Schiffbau bezogen hatten.

Nachbau eines römischen Weinschiffs
2007 begannen die Bauarbeiten, ein Jahr später folgten die ersten Schwimmversuche auf dem Ratzeburger See. Gleich zu Beginn wurde deutlich, dass es großer Übung bedarf, wenn 18 Ruderer im gleichen Takt die Galeere bewegen sollen.
An Bord des Schiffes befand sich aufwendige Messtechnik. Damit ermittelten die Forscher unter anderem, dass die Galeere unter günstigen Bedingungen immerhin auf eine Spitzengeschwindigkeit von sechs Knoten beschleunigen konnte, also etwa zwölf Stundenkilometer.
Die Messgeräte ermittelten darüber hinaus eine hohe Windempfindlichkeit, die das Manövrieren erschwerte. Da dieser Galeerentyp vermutlich auch mit einem Mast für ein Rahsegel ausgestattet war, testeten die Forscher auch die Segeleigenschaften.
Bei günstigen Windbedingungen kam es auf eine Spitzengeschwindigkeit von immerhin fünf Knoten. Die Wissenschaftler gehen nach ihren Experimenten davon aus, dass es sich bei diesem Schiffstyp um ein leichtes Kriegsschiff gehandelt haben dürfte, das für Patrouillenfahrten oder als Geleitfahrzeug im Einsatz war.
Quelle: SWR | Stand: 08.10.2018, 11:00 Uhr