Hinweisschild zum Rasthof Cloerbruch

Autobahn

Autobahnraststätten

Mit dem Ausbau des Autobahnnetzes begann eine neue Ära des Reisens. Dabei sollten die Autofahrer und ihre Fahrzeuge bequem versorgt werden. So entstanden die Vorläufer der heutigen Raststätten.

Von Alfried Schmitz

Autobahnen durchziehen das Land

Schon mit der Eröffnung der ersten Autobahnabschnitte Anfang der 1930er-Jahre stand fest, dass diese neuartigen Routen nicht nur dem Lastentransport dienen sollten. Es entstanden immer mehr Autobahnkilometer, die von immer mehr Verkehrsteilnehmern genutzt wurden. Und das nicht nur aus beruflichen Gründen, sondern auch für Fernreisen und kurze Ausflüge.

1932 weihte der damalige Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer die erste öffentliche Autobahn ein – der Beginn eines wahren Baubooms. Es sollte natürlich nicht bei diesem 20 Kilometer langen ersten Streckenabschnitt bleiben, der die Städte Köln, Wesseling und Bonn verband.

Als ein Jahr später die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler an die Macht kamen, setzten sie den Weiterbau des Streckennetzes massiv fort. Drei Jahre zuvor hatte sich die NSDAP als Oppositionspartei im Reichstag noch vehement gegen solche Pläne gewehrt. Nun schrieben sie sich die Umsetzung der Idee, die in den Grundzügen seit 1922 bestand, auf die Fahnen.

Autofahren sollte zum Volkssport werden und nicht nur der reichen Oberschicht vorbehalten bleiben. Dafür mussten Straßen her: Fernstraßen und Autobahnen. Hitler dachte zunächst an ein Grundnetz von 7000 Kilometern. 1936 waren davon immerhin schon 1000 Kilometer fertig und der Bau wurde zügig vorangetrieben.

Eine idealisierte bunte Illustration von Robert Zinner aus dem Jahr 1938 zeigt eine geschwungene Autobahn, die sich durch die Landschaft zieht

1938 wurden Autobahnen idealisiert

Auf den Reichsautobahnen sollte aber nicht nur der Lastverkehr rollen, sondern sie sollten auch den Individualreisenden zur Verfügung stehen. Man verstand die Reichsautobahnen als Bestandteil der Landschaft. Statt hässlicher Betonpisten wollte man Wege, wie geschaffen für eine neue Art des Reisens, des "Autowanderns", wie es damals hieß.

Die Idee wurde mit Begeisterung aufgenommen. Doch mit der wachsenden Nutzung der Reichsautobahnen und der größeren Verkehrsdichte ergab sich ein neues Problem: Die Autobahnnutzer, ob Berufskraftfahrer oder Freizeitkapitäne, mussten versorgt werden – mit Treibstoff für ihre Fahrzeuge und mit Reiseproviant für sich und ihre Begleiter.

Tankstellen mit Warteraum

Die Autofahrer sollten die Möglichkeit haben, ihre Fahrzeuge bei Bedarf zu betanken, ohne die Reichsautobahn verlassen zu müssen. Ein Abfahren von den komfortabel ausgebauten Fernrouten erforderte von den Reisenden damals oft die Unannehmlichkeit, sich auf holprigen Landstraßen bis zur nächsten Zapfsäule durchfragen zu müssen.

Das widersprach dem Ziel, die Reichsautobahnen als "Träger des Schnellverkehrs" zu idealisieren und für Propagandazwecke nutzen zu können. Daher begann man zunächst mit dem Bau von kleinen Behelfstankstellen, die im Schnellverfahren aus Holz errichtet wurden. Diese hässlichen Tankbaracken wurden jedoch bald durch feste ansehnlichere Neubauten ersetzt.

Eine der ältesten Raststätten Deutschlands: Ein großer Bau mit Spitzdach und Holzgiebel

Raststätte Rodaborn an der A 9 aus dem Jahr 1936

Neben der Zapfanlage waren diese Neubauten mit Waschgelegenheiten, Toiletten und Fernsprechern ausgestattet. Außerdem stand den Rastenden ein Aufenthaltsraum zur Verfügung, wo sie in Ruhe ihre mitgebrachten Pausenbrote verzehren oder sich beim Tankwart mit Tabak- und Süßwaren, belegten Broten und Erfrischungsgetränken versorgen konnten.

Der Prototyp eines solchen Neubaus wurde am 1. Mai 1936 an der Reichsautobahn zwischen Frankfurt/Main und Mannheim eröffnet. Dort entstand die erste Tankstelle mit Warteraum auf deutschem Boden.

Vom Zweckbau zur Luxusraststätte

Die ersten "Betriebsanlagen" wurden von der neu gegründeten Reichsautobahn-Kraftstoffgesellschaft, kurz RAK, betrieben. Sie erfüllten ihren Zweck, dienten als Tank- und Raststellen, konnten aber auch als Reparaturwerkstätten für kleinere Schäden genutzt werden.

Rein architektonisch waren es streng formale, zeitgemäße Bauten, die über klar strukturierte Konturen verfügten. Typisch für ihre Bauweise waren die geschwungenen, flügelartigen Dachkonstruktionen, die ihnen eine gewisse Eleganz verliehen.

Ein Schwarzweiß-Foto aus dem Jahr 1959 zeigt eine Autoschlange an den Zapfsäulen einer Autobahnraststätte

Sturm auf die Zapfsäulen 1959

Der nächste Schritt, um den Autoreisenden ihre Pausen an den Autobahnen so bequem wie möglich zu machen, war der Bau von größeren Tankstellen mit bewirteten Gasträumen. Die Entfernung zwischen solchen Stationen sollte nicht mehr als 35 Kilometer betragen.

Doch die Bedürfnisse der Autobahnnutzer – insbesondere der Berufskraftfahrer, die lange und weite Strecken zurückzulegen hatten – machten es bald auch notwendig, Rastanlagen mit noch mehr Komfort und vor allem mit Übernachtungsmöglichkeiten auszustatten.

1938 wurde das erste Rasthaus nach neuem Standard am bayerischen Chiemsee eröffnet. Eine Nobelherberge mit Bergkulisse, Bootsanleger und Seeterrasse.

Der Standort für dieses Vorzeigemodell kam nicht von ungefähr: Er war ein Vorschlag von Adolf Hitler, der diese Strecke auf dem Weg zu seinem Bergdomizil am Obersalzberg oft benutzte.

Planung bis ins Kleinste

Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Autobahnabschnitte und Raststättenbetriebe durch Bombenangriffe zerstört. Mit dem zügigen Wiederaufbau des Netzes entstanden auch die Rasthöfe neu. Hierzu erstellte das Bundesverkehrsministerium einen Bedarfsplan, in dem es nicht nur die Anzahl der Rast- und Tankanlagen festlegte, sondern auch ihre Beschaffenheit:

Verkehrsanlage

Wegen des höheren Verkehrsaufkommens sollten die Flächen, auf denen die neuen Rasthöfe gebaut wurden, rund zehnmal größer sein als früher. War man bei den Reichsautobahnen von einem Geländebedarf von 1000 Quadratmetern ausgegangen, so plante man nun 12.000 bis 15.000 Quadratmeter. Dabei wurden Ein- und Ausfahrtswege, Parkplätze und die Gebäude berücksichtigt.

Tankstelle

Waren die ersten Tankanlagen noch schräg zur eigentlichen Fahrbahn ausgerichtet, so sollten sie nun parallel dazu verlaufen. Das sollte das Tanken schneller machen. Die Anordnung sollte auf jedem Rastplatz gleich sein, damit sich die Autofahrer nicht immer neu orientieren mussten. Um Staus zu verhindern, sollten Autofahrer im linken Bereich tanken, Lkw-Fahrer rechts.

Raststätte

Auch im Restaurant der Raststätten gab es getrennte Räume für Auto- und Lkw-Fahrer. Ganz wichtig war die Ausstattung der Küche. Sie sollte so konzipiert sein, dass auch bei gleichzeitigem Eintreffen von mehreren Reisebussen der Ansturm der Kunden bewältigt werden konnte.

Raststätten für jeden Geschmack

Heute haben sich viele Tank- und Rastanlagen zu wahren Einkaufsparadiesen entwickelt, deren Warenangebot kaum Wünsche offen lässt. Gastronomisch bieten sie von Fast Food bis hin zu Leckerbissen aus der Region eine breite Palette an.

So vielfältig wie ihr Warenangebot ist auch das optische Erscheinungsbild. Sehr futuristisch baute man 1969 den Rasthof "Dammer Berge" an der A1 in der Nähe von Osnabrück. Die kühne Konstruktion überspannt die Autobahn von einer Seite zur anderen und wirkt wie eine bewohnbare Brücke.

Architektonisch aus dem Rahmen fällt auch der Rasthof "Illertal Ost" an der A7 Kempten – Ulm. Mit seinen steil aufragenden, spitzen und stumpfen Türmen und einem sehr bizarren Baustil scheint es, als habe der unkonventionelle Künstler Friedensreich Hundertwasser Pate gestanden. Dieses ungewöhnliche Gebäude wurde 1997 fertig gestellt.

Im Jahr 2003 wurde an der Autobahn Stuttgart – München die erste Rastanlage Europas eingeweiht, die streng nach den Prinzipien der chinesischen Feng-Shui-Lehre gestaltet und eingerichtet ist.

Nach chinesischer Feng-Shui-Harmonielehre gebaute Raststätte mit geschwungener Dachkonstruktion

Feng-Shui-Raststätte Gruibingen an der Autobahn Stuttgart-München

(Erstveröffentlichung: 2005. Letzte Aktualisierung: 08.04.2021)

Quelle: WDR

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