Der Triebwerksprüfstand P4 im Versuchsgelände für Raketentriebwerke in Lampoldshausen

Sonden und Raketen

Die Prüfstände von Lampoldshausen

Seit mehr als 60 Jahren werden am DLR-Standort Lampoldshausen Raketentriebwerke getestet. Alles begann mit Tests an der Europa-Rakete, heute werden vor allem Triebwerke geprüft und neue Triebwerkstypen und Treibstoffe entwickelt.

Von Wolfgang Richter

Ein Start mit Hürden

Spontaner Applaus am Abend des 10. Oktober 1959 im Rathaus von Lampoldshausen: Professor Eugen Sänger, Raumfahrtvisionär und Raketen-Wissenschaftler, hatte in einer mitreißenden Rede die Bürger der Gemeinde nördlich von Heilbronn überzeugt.

Davon, wie wichtig das geplante Prüfstandsgelände für Raketentriebwerke für die Raumfahrtindustrie und auch für die Menschen der Region sei. Und auch davon, dass durch die Raketentests keine Gefahren für die Bürgerinnen und Bürger drohe. Sänger hatte die letzte Hürde geschafft. Wenige Monate später rückten Bautrupps an, um Raketenprüfstände, Straßen, Treibstofflager und Bürogebäude zu errichten.

Der Raketeningenieur Eugen Sänger kehrte 1954 von Frankreich nach Deutschland zurück. Ein Jahr später fiel der Besatzungsstatus der Bundesrepublik. Damit war auch deutsche Raumfahrtforschung wieder möglich. Bundesländer, Universitäten und Industrie – alle wollten unbedingt an dieser Gründerphase teilhaben. Baden-Württemberg war dabei besonders engagiert.

Das Land ermöglichte Eugen Sänger in Stuttgart die Gründung des "Forschungsinstituts für Physik der Strahlantriebe" und stellte das Gelände im Harthäuser Wald nahe Lampoldshausen zur Verfügung. Nach ersten Testerfahrungen wurde es 1963 weiter ausgebaut und eine lange Erfolgsgeschichte begann.

Raketenpionier Eugen Sänger

Raketenpionier Eugen Sänger

Streit unter Europäern behindert Raketenforschung

Nach dem Ausbau von Lampoldshausen schien internationalen Kooperationen nichts mehr im Wege zu stehen. Deutschland konnte sich am ersten europäischen Raumfahrtprojekt "Eldo" beteiligen. Auf dem Testgelände sollte das Triebwerk der dritten Raketenstufe getestet werden, für das die Bundesrepublik die Verantwortung übernommen hatte.

Die neuen Prüfstände P3 und P4 ermöglichten Triebwerktests unter realen Weltraumbedingungen, Tests unter Vakuumbedingungen. Eine einzigartige Erfindung machte dies möglich: Sogenannte Dampferzeuger trieben mit extrem heißem Wasserdampf Strahlpumpen an, die alle entstehenden Abgase des Raketentests sofort wegsaugen konnten. Diese damals revolutionäre Technik wird auch heute noch angewandt.

Organisatorische Schwierigkeiten und Unstimmigkeiten innerhalb der "Eldo"-Kollaboration führten jedoch 1973 zum Scheitern der "Europa-Rakete". Für Lampoldshausen eine schwere Zeit, es drohte das Aus der Versuchsanlage.

Doch die Umtriebigkeit und der Erfindergeist der damaligen Luft- und Raumfahrtingenieure zahlte sich aus. Mit kleineren Forschungsprojekten konnte man sich in Lampoldshausen über Wasser halten.

Ein Versuchsaufbau zu fortschrittlichen Düsen

Bis heute gehören Modellversuche zu den Hauptaufgaben

Mit der "Ariane 1" wird alles anders

Zum Glück wurde den Europäern schnell klar, dass sie sich zusammenraufen mussten, wenn sie unabhängige, eigene Satellitenprogramme durchführen wollten. Um auch wirtschaftlich gegen internationale Konkurrenz bestehen zu können, brauchte es eine eigene Trägerrakete.

1975 wurden deshalb unter der Führung der neu geschaffenen europäischen Weltraumorganisation "European Space Agency" (ESA) die Arbeiten an der Ariane-Rakete begonnen. Ihre Erfolgsgeschichte begann mit dem Jungfernflug am 24. Dezember 1979.

Immer größer und stärker wurden die Triebwerke der Raketen. "Ariane 1" konnte knapp zwei Tonnen Nutzlast ins All befördern, schon wenige Jahre später bei der "Ariane 4" waren es knapp fünf Tonnen. Vermarktet von dem 1980 gegründeten Unternehmen Arianespace wurde sie zum Weltmarktführer kommerzieller Trägersysteme. Für Lampoldshausen war die Zukunft gesichert.

Das Ariane-Triebwerk "Viking" wurde dort getestet, ebenso die Booster-Raketen, die seitlich angebracht den nötigen Schub zum Abheben liefern.

Von der Forschung in Lampoldshausen profitierte sogar das Alltagsleben. Der nach dem Raketenprinzip arbeitende Blaubrenner ist ein Patent aus Lampoldshausen und mittlerweile Standard in den Heizöl-Brennkesseln von ganz normalen Haushalten.

Ariane 1, Raketen

Mit ihr fing alles an – die Ariane 1

Mehr Schub und umweltfreundlicher

Die Konkurrenz der raumfahrtbetreibenden Länder duldete keinen Stillstand. Auch in Lampoldshausen wollte man nicht ins Abseits geraten. Und so wurden ab 1988 im Harthäuser Wald neue Versuchsanlagen gebaut.

Die Raketen wurden größer und brauchten mehr Schub, um pro Start mehr Nutzlast ins All befördern zu können. Die neue Ariane 5 sollte das leisten und so den wirtschaftlichen Erfolg der europäischen Trägerrakete garantieren.

Für ihre Triebwerktests entstand der Prüfstand P5. Größer und moderner als alles bisher Dagewesene. Das neue Vulcain-Hauptstufentriebwerk wurde dort getestet. Das moderne Rechnersystem in der Leitzentrale ermöglichte die Erfassung von gut 700 Messwerten.

Die Ariane-5-Version "ECA" kann heute eine Nutzlast von fast zehn Tonnen ins All befördern. Die "Ariane 6", die 2020 zum ersten Mal fliegen soll, haben Satelliten mit einer Gesamtmasse von 11,5 Tonnen Platz.

Auch an neuen, umweltfreundlichen Treibstoffen wird weiter geforscht. Schon heute fliegt die Ariane 5 nur mit ungiftigem Wasserstoff und Sauerstoff. Der in Erprobung befindliche Brennstoff Methan aber würde Raketen leichter und effizienter machen.

Einstieg in die LOX/Methan-Technologie

Ein Methan-Antrieb würde Raketen leichter und effizienter machen

Quelle: SWR | Stand: 16.09.2019, 10:59 Uhr

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