Ein Vulcain-Triebwerk auf dem Raketenprüfstand in Lampoldshausen im Test.

Sonden und Raketen

Triebwerkstests in Lampoldshausen

Bis eine Ariane-Rakete abhebt, sind umfangreiche Tests notwendig. Ein kleiner Fehler oder Defekt kann schnell viele Millionen Euro kosten. Alle Ariane-Triebwerke werden deshalb vor der Verschiffung zum Weltraumbahnhof Kourou in Lampoldshausen auf Herz und Nieren geprüft.

Von Wolfgang Richter

Vier Millionen PS im Vakuum

Das Problem der Ingenieure: die Versuchsbedingungen. Das Haupttriebwerk kann auf der Testrampe unter Normalbedingungen gezündet werden. Das Triebwerk der Oberstufe, mit der später die Satelliten im All an den vorgesehenen Einsatzort gebracht werden müssen, wird normalerweise aber erst im Weltraum, also im Vakuum gezündet.

Und auch das Haupttriebwerk muss unter den Vakuumbedingungen noch reibungslos weiterarbeiten. Um das testen zu können, müssen auch bei den Bodentests Weltraumbedingungen hergestellt werden.

Auf den Lampoldshausener Versuchsanlagen gelingt das mit einem Trick. Kurz vor dem eigentlichen Versuch wird ein separates Triebwerk gezündet, in dessen Brennkammer Wasser eingespritzt wird.

Dieses Wasser verdampft dort schlagartig und treibt dadurch Strahlpumpen an, die Luft- und Triebwerksabgase aus der eigentlichen Testbrennkammer absaugen und so das notwendige Vakuum erzeugen. Viele hundert Meter hoch steigt die Wolke aus Dampf und Abgase in den Himmel, wenn am Prüfstand P5 das Vulcain-2-Triebwerk der "Ariane 5" gezündet wird.

Alles unter Kontrolle

Der P5-Prüfstand ist mit 65 Metern Höhe das höchste Gebäude auf dem Versuchsgelände im Harthäuser Wald. Will man die gesamte Anlage mit allen Prüf- und Kontrollständen umlaufen, muss man gut drei Kilometer Strecke zurücklegen.

Das weitläufige Gelände wurde mitten im Wald angelegt, weit ab von der Gemeinde Lampoldshausen. Abgeschiedenheit und damit Sicherheit ist oberste Pflicht. Auch wenn alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, kann theoretisch immer mal etwas passieren. Daher lassen sich die Triebwerkstests auch abbrechen.

Wenn ein Triebwerkstest durchgeführt wird, befinden sich 200 Kubikmeter flüssiger Sauerstoff und 600 Kubikmeter tiefgekühlter Wasserstoff in den Treibstofftanks der Prüfstände. Daraus kann sich eine explosive Mischung ergeben, falls etwas schiefgeht.

Für den Notfall stehen automatische Löschanlagen und auch die Werksfeuerwehr bereit. Die Techniker und Ingenieure sitzen weit ab in gut geschützten Bunkern. Fußgänger und Waldarbeiter werden vor jedem Versuch rechtzeitig gewarnt.

Der Test selbst wird lange und akribisch vorbereitet. Das zu testende Triebwerk wird mit hunderten von Messfühlern verbunden. Über sie werden alle Testparameter aufgezeichnet – Druck, Temperatur, Durchfluss der Treibstoffe, Vibrationen beim Verbrennungsvorgang, Materialbelastung und so weiter – und später ausgewertet. Auch Infrarot- und Hochgeschwindigkeitskameras kommen bei den Tests zum Einsatz.

Die Triebwerke selbst werden nach den Tests noch einmal zerlegt und eingehend von Materialwissenschaftlern untersucht. Viel Aufwand, der sich aber auszahlt, wenn dadurch ein Misserfolg bei einer Mission vermieden werden kann.

Luftaufnahme der Triebwerksprüfstände P4 / P 5 in Lampoldhshausen

Die Triebwerksprüfstände P4/P5 in Lampoldshausen

Raketen von morgen

Neben dem Test und der Verbesserung bestehender Systeme, etwa indem Schwingungsphänomene untersucht und gezielt reduziert werden, forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Lampoldshausen auch an neuen Raketenantrieben.

Da ist zum einen das Oberstufentriebwerk "Vinci", das in der Flugphase mehrfach zündet, damit die Satelliten exakt in ihre vorgegebene Umlaufbahn gelangen können. Früher mussten die Satelliten durch eigene Steuerdüsen ihre genaue Position anfliegen.

Ein weiterer Vorteil: Die Oberstufe kann dank der besseren Treibwerkssteuerung inzwischen kontrolliert zum Verglühen gebracht werden, was den Weltraumschrott reduziert. Andererseits entwickeln die Ingenieure des DLR auch Antriebskonzepte mit verbesserten Brennstoffen.

Im Blickpunkt steht dabei Methan als Treibstoff. Er kann in kleineren Tanks mitgeführt werden und erzeugt mehr Schub als herkömmlicher Treibstoff. Damit könnten Raketen mehr Nutzlast ins All bringen.

Computergrafik: Ariane 6 auf dem Flug ins All

Ab 2022 soll die Ariane 6 übernehmen

Quelle: SWR | Stand: 06.06.2018, 11:01 Uhr

Darstellung: