Glocken
Der Glockenguss der "Gloriosa"
Die "Gloriosa", die "Ruhmreiche", des Erfurter Mariendoms gehört zu den vollendetsten Schöpfungen des Glockengießerhandwerkes in Europa. Angesichts ihrer Größe von zwei Metern und 2,57 Metern Durchmesser zählt sie zu den größten Glocken des Mittelalters.
Von Sabine Kaufmann
Vier vergebliche Versuche
Zwischen 1251 und 1497 hatten die Kirchen- und Stadtoberen von Erfurt bereits viermal versucht, eine Glocke für den Mariendom gießen zu lassen. Alle Glocken zerbarsten, verbrannten oder kamen aus anderen Gründen zu Schaden. Ein Glockengießer kam bei den Arbeiten ums Leben.
In der Bevölkerung munkelte man sogar, dass der Teufel seine Finger im Spiel habe. Kein Glockengießer aus deutschen Landen fand sich mehr dazu bereit, das Wagnis einzugehen, die damals größte Glocke des Abendlandes zu gießen.
Um sich mit diesem Prestigevorhaben gegenüber den Mainzer Landesherren jedoch nicht zu blamieren, versuchte man den berühmten Meister Gerhard van Wou aus Kampen zu gewinnen, der über viel Erfahrung in der Glockengießerkunst und einen ausgezeichneten Ruf verfügte. Im Gegensatz zu einheimischen Glockengießern war Meister Wou sogar in der Lage, den Ton der Glocke während des Gusses genau festzulegen.
Meister Gerhard van Wou
Mit mehreren Gehilfen arbeitete der holländische Meister Gerhard van Wou mehr als ein Jahr an dem Glockenvorhaben. Unter strenger Geheimhaltung wurde im Hause des Bischofs entworfen, gerechnet und gezeichnet. Eines seiner Markenzeichen war das Relief der Madonna im Strahlenkranz, welches auch die Erfurter "Gloriosa" schmücken sollte.
Im Juli 1497 war es dann so weit. Auf dem Hof zwischen Dom und Severikirche erschall der bekannte Ruf: "In Gottes Namen, wir gießen". Diesmal glückte der Guss. Die 11.450 Kilogramm schwere Gloriosa ließ sich auf das tiefe "E" schlagen.
Reparaturen in jüngster Zeit
Jahrhundertelang erschallte die "Gloriosa" im Erfurter Glockenturm, bis 1984 ein Riss am Schlagring der Glocke entdeckt wurde. Der Riss wurde ein Jahr später im Kirchstuhl selbst geschweißt. Bereits 18 Jahre später hatte die Glocke wieder einen Riss. Diesmal entschieden sich die Glockenexperten des Bistums dafür, die Glocke in einer aufwändigen Aktion aus dem Kirchturm zu manövrieren und reparieren zu lassen.
In der Werkstatt von Hans und Thomas Lachenmeyer in Nördlingen stellte sich heraus, dass die Glocke von einem fast 40 Zentimeter langen Haarriss durchzogen wurde. Die Reparatur im bayrischen Nördlingen gelang, und im Dezember 2004 konnte die Glocke wieder im Erfurter Dom geläutet werden.
Die Gloriosa hängt wieder über Erfurt
Quelle: SWR | Stand: 03.03.2021, 09:28 Uhr