Blick über eine Wiese und bewaldete Hänge auf die bizarren Felsnadeln des Montserrats vor strahlend blauem Himmel.

Katalonien

Kloster Montserrat – Hüter der katalanischen Kultur

Im Laufe seiner fast 1000-jährigen Geschichte ist das Kloster Montserrat zum Nationalheiligtum der Katalanen und zum wichtigsten Hüter der katalanischen Kultur geworden.

Von Tobias Aufmkolk

Mythen und Legenden

Wie aus dem Nichts erhebt sich der mächtige Gebirgsstock des Montserrat aus der Ebene etwa 40 Kilometer nordwestlich von Barcelona. Wild und majestätisch ragen seine Felsnadeln empor. Viele Mythen und Legenden ranken sich um seine Entstehung. Mittendrin schmiegt sich in 725 Metern Höhe das gleichnamige Kloster wie ein Adlerhorst an seine Felswände. 

Beim Anblick der Felsnadeln des Montserrat, die sich bis auf eine Höhe von 1236 Metern erheben, ist es nicht verwunderlich, dass sich viele Legenden um deren Entstehung und Geschichte ranken.

Einige sehen in den bizarren Gesteinsformationen versteinerte Tiere und Fabelwesen. Für bestimmte Felsen existieren bis heute Namen wie "Das Kamel", "Elefantenrüssel" oder "Der verzauberte Riese".

Andere sehen im Montserrat den "Munsalvaesche", den Berg der Parzival-Legende, in dem der Heilige Gral verborgen sein soll. Richard Wagner soll sich für die Szenerie seiner Oper "Parsifal" an den Felsen des katalanischen Berges orientiert haben.

Der Dichter Jacint Verdaguer schrieb Ende des 19. Jahrhunderts in seiner Ode "Virolai" die Entstehungsgeschichte sogar den Engeln zu: "Mit goldener Säge zersägten die Engel diese Anhöhen, um Euch (der Muttergottes von Montserrat) einen Palast zu errichten..."

Montserrat heißt wörtlich übersetzt tatsächlich "zersägter Berg". Die geologische Entstehungsgeschichte ist jedoch weitaus nüchterner als alle Mythen und Legenden: Während des Erdzeitalters des Eozäns (vor etwa 53 bis 37 Millionen Jahren) wurde der Montserrat emporgehoben.

Im Laufe von Millionen Jahren formten Wind und Wasser den ehemals einheitlichen Gebirgsstock zu dem zerklüfteten Massiv, das er heute ist. Die weicheren und nicht so widerstandsfähigen Gesteine verwitterten. Übrig blieben die harten Gesteine, deren bizarre Felsformationen dem Berg seine mystische Atmosphäre verleihen.

Ein Platz für die schwarze Madonna

Schon früh sind die Menschen von dem Berg fasziniert. Um 880 nach Christus entsteht an seinen Hängen bereits das erste christliche Heiligtum. Und auch hier rankt sich wieder eine Legende um dessen Entstehung.

Hirten sollen eine schwarze Madonnenstatue in einer Grotte gefunden haben. Der Geschichte nach habe der Evangelist Lukas sie höchstpersönlich geschnitzt. Beim Abtransport der Figur sei diese dann so schwer geworden, dass die Hirten sie nicht mehr tragen konnten. Die Madonna wollte offensichtlich nicht mehr bewegt werden.

Also entstand genau an der Stelle, wo sie zu schwer wurde, die erste Andachtsstätte am Montserrat. Die schwarze Madonna, die "Moreneta", ist heute immer noch im Kloster zu bewundern. Inzwischen ist sie sogar zur Schutzpatronin Kataloniens erhoben worden, auch wenn Wissenschaftler ihre Entstehung auf das Ende des 12. Jahrhunderts datieren.

Im Jahre 1025 errichten Benediktinermönche an dieser Stelle eine erste Marienkapelle. Die schwarze Madonna zieht so viele Gläubige an, dass man sich im 12. Jahrhundert entschließt, ein Kloster im romanischen Stil anzuschließen.

Der Klosterbau wird in den folgenden Jahrhunderten stetig erweitert, doch die Scharen an Pilgern nehmen immer mehr zu. 1560 beginnen die Mönche erneut mit dem Bau einer größeren Kirche, die 32 Jahre später feierlich eingeweiht wird.

Kloster Montserrat aus der Vogelperspektive

Ein Kloster für die schwarze Madonna

Zerstörung und Wiederaufbau

Bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts hat das Kloster in dieser Form Bestand. Dann versucht Napoleon, seinen Bruder Joseph Bonaparte gegen den Widerstand der Spanier auf den spanischen Thron zu hieven.

Wie im ganzen Land gibt es auch in Katalonien zahlreiche Aufstände gegen die französische Besatzungsmacht. Die Truppen Napoleons schlagen mit unerbittlicher Härte zurück und zerstören dabei viele katalanische Kulturschätze, darunter auch das Kloster Montserrat.

Nach den Zerstörungen erlebt das Kloster schwierige Zeiten. Der Wiederaufbau geht nur schleppend voran. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts ist ein Großteil der Anlagen in neuem Gewand wieder hergestellt.

Der Wiederaufbau des Klosters steht ganz im Zeichen der "Renaixença", der kulturellen und sprachlichen Wiedergeburt Kataloniens. Der ökonomische Erfolg im 19. Jahrhundert stärkt das katalanische Selbstwertgefühl. Bücher und Zeitschriften werden wieder vermehrt in der Landessprache gedruckt.

Der 1499 gegründete Verlag des Klosters Montserrat spielt dabei eine herausragende Rolle. Er ist die treibende Kraft des neuen katalanischen Selbstbewusstseins. Binnen kurzer Zeit entwickelt sich das Kloster wieder zum kulturellen Zentrum Kataloniens.

Blick auf einen Teil des Klosters Montserrat, das sich an einen Felsen schmiegt. Im Vordergrund zahlreiche Menschen auf einem Platz.

Der Großteil der Gebäude stammt aus dem 19. Jahrhundert

Bürgerkrieg und Verbot des Katalanischen

1936 entbrennt in Spanien ein Bürgerkrieg. Das Kloster wird kurzerhand zum Militärhospital umfunktioniert, um katalanischen Kämpfern einen Zufluchtsort zu bieten.

Drei Jahre später ist der Krieg vorbei, der faschistische General Franco geht als Sieger hervor. Er verbietet in ganz Spanien sofort jegliche regionale Autonomiebestrebungen. Die katalanische Sprache wird ebenso verboten wie die Ausübung kultureller Traditionen.

Das Kloster setzt sich über diese Anweisungen hinweg. Schon in den 1940er-Jahren beginnen die Priester wieder auf Katalanisch zu predigen. In den 1950er-Jahren werden wieder erste Zeitungen und Bücher in katalanischer Sprache gedruckt, meist mit religiösem oder historischem Inhalt. Da historische Schriften der Zensur unterliegen, religiöse aber nicht, wird die Kulturzeitschrift "Serra d'Or" kurzerhand als religiös deklariert.

Auch politisch beziehen die Klostervorsteher mehrfach deutlich Stellung. Sie bieten politisch Verfolgten Unterschlupf und fordern immer wieder die katalanische Eigenständigkeit.

Das Kloster wird zum Treffpunkt der Intellektuellen und Querdenker, darunter auch die Künstler Joan Miró und Antoni Tàpies. 1970 fordern sie in einem Manifest einen demokratischen Staat und die kulturelle Selbstbestimmung.

Bild von Franco in einer Gruppe von Befürwortern und Unterstützern.

General Franco verbot alles Katalanische

Seit 1975 ist Spanien wieder eine Demokratie und Katalonien eine selbstbewusste Region mit weitreichenden Autonomierechten. Die kulturelle und politische Bedeutung des Klosters Montserrat ist aber bis heute geblieben.

Immer wieder nimmt der jeweils amtierende Abt auch zu sozialen und politischen Fragen Stellung. Eine Maxime des Klosters lautet demnach auch bedeutungsvoll: "Was Montserrat zu sagen hat, wird zur Kenntnis genommen."

Wallfahrtsziel Nummer Eins

Wer im Kloster Montserrat nach Ruhe und Andacht sucht, wird sie höchstens in den frühen Morgenstunden oder späten Abendstunden finden. Zu diesen Tageszeiten sind die meisten Besucher noch nicht da oder bereits wieder fort.

Das Kloster ist für Katalanen wie für ausländische Besucher eines der wichtigsten Ausflugsziele Spaniens. Die Katalanen lieben ihr Nationalheiligtum und sind gerade an Sonn- und Feiertagen in Massen vor Ort. Nahezu zwei Millionen Tagesausflügler muss das Kloster jedes Jahr verkraften. Doch es hat sich im Laufe der Zeit bestens auf den Besucheransturm eingestellt.

Neben der Hauptbasilika und einigen Teilen der Klosteranlage kann man hier auch vier Museen besichtigen, darunter ein prähistorisches Museum, ein Museum mit moderner katalanischer Malerei und die Pinakothek mit klostereigenen Werken berühmter Maler wie El Greco oder Caravaggio. In die Anlagen integriert sind auch ein Selbstbedienungsrestaurant, eine Erste-Hilfe-Station sowie eine Polizeiwache.

Zudem kann man im Kloster auch übernachten. Alles, um dem großen Besucherandrang Herr zu werden und den bestmöglichen Service zu bieten. Schließlich ist das Kloster nicht nur das Nationalheiligtum der Katalanen. Es ist auch nach Santiago de Compostela das zweitwichtigste Wallfahrtsziel ganz Spaniens.

Im Hintergrund das Kloster Montserrat an einem Felsen. Von der linken Seite führt eine Straße vor das Kloster, die mit Autos zugeparkt ist. Rechts ein Platz mit zahlreichen Menschen.

Der tägliche Besucheransturm

(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 14.07.2021)

Weiterführende Links

Quelle: WDR

Darstellung: