Der Undensee im schwedischen Tiveden Nationalpark

Nordeuropa

Natur in Skandinavien

Ausgedehnte Wälder, malerische Fjorde und arktische Temperaturen – all das ist Skandinavien. Doch Schweden und Norwegen haben noch viel mehr zu bieten: steile Fjordküsten, flache Schäreninseln, ausgedehnte Seengebiete, hohe Berge, üppige Wälder und karge Fjelllandschaften.

Von Martina Frietsch

Skandinavien – die "gefährliche Halbinsel"

Schweden und Norwegen – und wo bleibt Finnland? Skandinavien, oder besser gesagt die skandinavische Halbinsel, besteht geografisch gesehen tatsächlich nur aus Schweden, Norwegen und einem kleinen Stück vom äußersten Nordwesten Finnlands.

Wer den Begriff Skandinavien bisher für eine wesentlich größere Region verwendet hat, liegt aber auch nicht falsch. Sprachlich gesehen umfasst er Norwegen, Schweden und Dänemark. Diese nordgermanischen Sprachen sind sich ausgesprochen ähnlich, sodass sich die Einwohner der drei Länder ohne größere Probleme miteinander verständigen können.

Das Finnische hat mit diesen drei Sprachen keinerlei Gemeinsamkeiten. In Deutschland werden gerne Schweden, Norwegen, Finnland in einem Atemzug genannt, wenn Skandinavien gemeint ist. Auch das hat seine Berechtigung, betrachtet man die drei Länder als politisches oder historisches Gebilde. Mehr als sechs Jahrhunderte gehörte Finnland zu Schweden und wurde stark vom Nachbarland geprägt.

Und noch heute sind die drei Staaten des Nordens wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Die Bezeichnung Skandinavien selbst stammt übrigens aus dem Altschwedischen und heißt so viel wie "gefährliche Halbinsel", was sich aber vermutlich nicht auf das Land bezieht, sondern auf das gefährliche Riff vor Schonen.

Eisige Zeiten

Die letzte Eiszeit gab der skandinavischen Halbinsel ihr heutiges Gesicht. Eine Eisdecke bis zu einer Dicke von 2000 Metern bedeckte noch vor 10.000 Jahren die Landmasse. Gletscherzungen bewegten sich auf die Küste zu und formten tiefe Täler, die nach der Eiszeit überflutet und zu den heutigen steilwandigen Meeresbuchten wurden, die für die Küste Westnorwegens so typisch sind: den Fjorden.

Im Inland schliffen die Eismassen das Land ab, es entstanden die typischen Hügellandschaften, Hochebenen und Seen. Im südlichen Küstenbereich finden sich zahlreiche Moränen, Ablagerungen des Materials, das das Eis bei seiner Bewegung mit sich führte.

Nach dem Abschmelzen des Eises wurden etliche Teile Skandinaviens zunächst überflutet, bis die Landmasse, auf der nun nicht mehr das Gewicht der Eisdecke lag, begann sich zu heben. Noch heute hebt sich das Land in manchen Teilen Skandinaviens bis zu etwa zehn Millimeter pro Jahr.

Gletscher in Norwegen

Die norwegische Landschaft ist durch die Eiszeiten geprägt

Fjorde

Die wohl spektakulärsten Zeugen der Eiszeit sind die Fjorde an der norwegischen Küste. Bis zu 1000 Meter steigen die Felswände dieser Meeresbuchten an, die zum Teil kilometerweit ins Landesinnere reichen. Der größte ist der Sognefjord mit einer Länge von 200 Kilometern. Der Golfstrom sorgt an dieser Küste für ausgesprochen angenehme Temperaturen: Selbst in Küstenstrichen, die auf einer Breite mit Südgrönland liegen, bleiben die Fjorde eisfrei.

Am Hardangerfjord, Norwegens zweitgrößtem Fjord, wird aufgrund der warmen Temperaturen beispielsweise Obst angebaut – besonders sehenswert ist die Obstbaumblüte im Frühjahr. Vor der Küste prägt ein zehn bis 30 Kilometer breiter Streifen Zehntausender steiniger und steiler Inseln das Bild – manche von ihnen ragen bis zu 1000 Meter aus dem Meer.

Sognefjord in Westnorwegen

Der Sognefjord in Westnorwegen

Skanden

Sie reichen von der Südküste Norwegens bis zum Nordkap – die Skanden. Der Gebirgszug erstreckt sich über 1700 Kilometer durch Skandinavien, mit Bergen, von denen einige fast 2500 Meter hoch sind. Die steil aufsteigenden Berge, Hochplateaus, Hochplateau-Gletscher und tiefen Täler prägen Norwegens Landschaft – immerhin machen sie es zu einem der gebirgigsten Länder der Welt.

Auf der Ostseite, wo im Norden der schwedische Anteil an den Skanden beginnt, ändert das Gebirge sein Aussehen. Es flacht ab und geht in ausgedehnte Fjell-Hochflächen über, die zum Teil von Seen und Mooren durchzogen sind. Weiter nach Osten schließt sich eine Hügellandschaft an, die bis zur Küste reicht.

Häuser am Fuß von verschneiten Bergen in Norwegen

Norwegen ist eines der gebirgigsten Länder der Welt

Fjell

Die Fjells in Skandinavien sind Hochgebirgsregionen, die oberhalb der Waldgrenze liegen. Meist handelt es sich um ausgedehnte Hochflächen, auf denen Gräser, Flechten, Moose und niedrige Büsche, aber auch Birken und Kiefern wachsen. In diesen Fjell-Landschaften leben die Moschusochsen des Dovrefjell und auch die riesigen Rentier-Herden der Samen.

Im norwegischen Dovrefjell- und im Rondane-Nationalpark findet man auch die letzten wild lebenden Rentiere Europas. Auch wenn die Fjells, eine alpine Tundra-Landschaft, oberhalb der Waldgrenze liegen und vielleicht nicht so üppig wirken wie andere Landschaften Skandinaviens, verfügen sie doch über einen sehr großen Artenreichtum sowohl in der Pflanzen- als auch in der Tierwelt. Bären, Marder, Nerze, Moorhühner, Berglemminge und andere Tiere sind hier zu Hause.

Und Pflanzenliebhaber haben die Gelegenheit, seltene Gebirgsblumen, verschiedene Heidearten und mehr zu entdecken. Viele Fjells Skandinaviens liegen in Nationalparks – 30 gibt es in Schweden, 47 in Norwegen.

Tundra im Dovrefjell National Park in Norwegen

Tundra im Dovrefjell National Park

Wälder

Schweden hat heute mehr Wald denn je: Mehr als 50 Prozent der gesamten Landesfläche sind von unterschiedlichsten Wäldern bedeckt. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind sie vor allem für die Land- und Forstwirtschaft wichtig. Schwedens Wälder sind außerdem eine Attraktion für Urlauber, die Natur und Abgeschiedenheit suchen, und schließlich bieten sie Lebensraum für unzählige Tierarten.

Doch der Wald hat sich gewandelt: Wo früher noch Mischwälder standen, wird heute intensive Nadelholzwirtschaft betrieben. Schweden ist ein wichtiger Holzproduzent und die Nachfrage beispielsweise der Papierindustrie ist hoch. Knapp die Hälfte des in Deutschland benutzten Papiers wird aus skandinavischem Holz gefertigt.

Doch ganz im Norden Skandinaviens gibt es sie noch: Europäische Urwälder, deren Pflanzen ihrem eigenen Rhythmus folgen, Gegenden, in die der Mensch nicht eingreift. In diesen borealen Nadelwäldern, also den am weitesten nördlich gelegenen Wäldern, wachsen vor allem Waldkiefern und Fichten, dazwischen gedeihen Birken und Espen.

Die skandinavischen Urwälder sind die letzten Rückzugsgebiete für viele Tierarten, die durch die intensive Forstwirtschaft gefährdet sind, beispielsweise Flughörnchen, Weißrückenspecht oder auch Braunbären. Bei etwa fünf Prozent der skandinavischen Wälder handelt es sich um solche Urwälder.

Ursprünglicher Wald im schwedischen Nationalpark Dalby Söderskog

Ursprünglicher Wald im schwedischen Nationalpark Dalby Söderskog

Polarregion

Oberhalb des 66. Breitengrads beginnt die Polarregion. Hier scheint im Sommer zweieinhalb Monate lang die Mitternachtssonne – die Sonne geht also auch nachts nicht unter. Wer sich in dieser Zeit an Norwegens Nordküste begibt, kann übrigens ruhig die Badesachen mitnehmen: Tagsüber wird es hier mitunter bis zu 30 Grad warm.

Im krassen Gegensatz dazu steht der Winter: Mehrere Wochen lang geht die Sonne nicht auf und zumindest im Landesinneren wird es wirklich arktisch kalt: Hier sind schon Temperaturen von minus 40 Grad gemessen worden. Ein besonderes Schauspiel in dieser Zeit ist das Nordlicht, die Aurora Borealis, die sich am besten bei kompletter Finsternis beobachten lässt.

Hier im Norden gibt es im schwedischen Teil gleich mehrere Nationalparks und einige der wenigen Urwälder. Der größte Park ist der Sarek Nationalpark, der sich über ein Gebiet von mehr als 5000 Quadratkilometern erstreckt. Besonders sehenswert: das Rapadalen-Tal, in dessen Fluss das Wasser aus mehr als 30 Gletschern zusammenläuft.

Polarlicht am Abendhimmel in Norwegen

Polarlicht am Abendhimmel in Norwegen

Südschweden und die Mittelschwedische Senke

Ganz im Gegensatz zum Rest des Landes ist der Süden Schwedens flach. Weitläufige Ebenen, Korn- und Rapsfelder, kilometerlange weiße Sandstrände, aber auch einige steile Küsten bestimmen das Gesicht Schonens. Die Halbinsel ist der südlichste Teil Schwedens. Ein Großteil Schonens wird für die Landwirtschaft genutzt, weshalb das Gebiet auch gerne "Kornkammer Schwedens" genannt wird.

Nördlich davon schließt sich das Südschwedische Hochland an, eine Hochebene, die von zahlreichen Hügeln und Seen umgeben ist. Eine Landschaft, entstanden durch die Erosion während der letzten Eiszeit.

Die Mittelschwedische Senke ist durch zahlreiche Seen geprägt. Hier liegen im Westen die größten, der Vänern- und der Vätternsee, umgeben vom früheren Zentrum der schwedischen Waldwirtschaft. Die Mittelschwedische Senke ist Schwedens größtes Tiefland und hat das warmgemäßigte Klima Mitteleuropas. Der Ostteil der Senke wird vor allem um die schwedische Hauptstadt Stockholm herum intensiv für die Landwirtschaft genutzt.

Auch die Küste Schwedens wird – wie die des Nachbarn Norwegen – durch zahllose kleine Inseln geprägt. Im westlichen Teil Südschwedens sind die Inseln eher kahle und flache Felsen, die nur knapp aus dem Meer ragen. An der Ostküste hingegen präsentieren sich die Schäreninseln als üppig grüne Rundhöcker. Allein in der näheren Umgebung von Stockholm befinden sich rund 25.000.

Bei den Inseln, die als Naherholungsgebiet und bei Touristen sehr beliebt sind, handelt es sich ebenfalls um Eiszeitrelikte. Sie sind von Gletschermassen abgerundete Felsbuckel, die nach dem Schmelzen des Eises und der Entstehung der Ostsee langsam zu Inseln wurden.

Küstenstraße mit Inseln im Winter

Die Schären sind ein beliebtes Naherholungsziel

Quelle: SWR | Stand: 08.01.2020, 10:33 Uhr

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